European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00146.23A.0906.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die klagende Rechtsanwaltsgesellschaft vertrat die Beklagte in einem von ihr angestrengten Prozess, mit dem sie von ihrer Tochter gestützt unter anderem auf Schenkungswiderruf und Irrtum die Rückübereignung zweier Liegenschaften begehrte. Vor der Einbringung jener Klage war zwischen der Klägerin und der Beklagten mündlich besprochen und unmittelbar anschließend von der Klägerin in einem Schreiben an die Beklagte festgehalten worden, dass eine „Abrechnung nach Einheitssatz“ erfolgen werde, somit von der Klägerin der Beklagten nicht die einzelnen Anwaltsleistungen, „sondern ausschließlich die mit dem Verfahren verbundenen Leistungen (Klagen, Schriftsätze, Streitverhandlungen) samt Einheitssatz“ verrechnet werden würden. „Hinsichtlich der Höhe des Streitwertes (und somit der Bemessungsgrundlage)“ wurde zwischen der Klägerin und der Beklagten besprochen – und sodann im Schreiben festgehalten – dass „Streitwert und somit Bemessungsgrundlage“ ein Betrag von zumindest 500.000 EUR sein solle, damit die Tochter „eher zu einem Vergleich überredet werden kann“, dass aber aufgrund des Werts der beiden Liegenschaften, zumal dieser „sicherlich 1.000.000 EUR überschreitet“, eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage möglich sei. Die Beklagte wurde darauf hingewiesen, dass umso höhere Gerichtsgebühren und Rechtsanwaltskosten anfielen, je höher der Streitwert sei. Weiters informierte die Klägerin die Beklagte darüber, dass „Anfechtungen von Schenkungsverträgen mit hohem Prozessrisiko verbunden sind“ und dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens ohne Gerichtsgebühren mit zumindest 30.000 EUR einschätze, dies abhängig vom Streitwert. Der Beklagten war nach den Feststellungen „klar, dass eine erhebliche Kostenbelastung in diesem Verfahren drohen und im Hinblick auf das hohe Prozessrisiko auch schlagend werden könnte“, und sie „wusste [...] darüber Bescheid, dass einerseits eine lange Prozessdauer drohen könnte und andererseits daran anknüpfend auch erhebliche Kosten entstehen würden“. Über Intervention der Beklagten und ihres sie innerfamiliär beratenden Stiefsohnes, eines Juristen, wurde letztlich von der Klägerin der Streitwert in der Klage mit 1.000.000 EUR festgelegt. Die Beklagte und ihr Stiefsohn wollten „durch diese hohe Bemessung des Streitwertes eine Drucksituation auf [die Tochter der Beklagten] bewerkstelligen“.
Rechtliche Beurteilung
[2] Entgegen der außerordentlichen Revision der Beklagten steht ihre Verurteilung durch die Vorinstanzen zur Zahlung der ihr von der Klägerin in Rechnung gestellten Vertretungskosten in Höhe von 42.916,17 EUR weder in Widerspruch zu § 5a Abs 1 Z 3 KSchG noch zur Entscheidung des EuGH vom 12. 1. 2023, C‑395/21 .
[3] Nach § 5a Abs 1 Z 3 KSchG muss der Unternehmer den Verbraucher, bevor dieser durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist, „in klarer und verständlicher Weise über Folgendes informieren, soweit sich diese Informationen nicht bereits unmittelbar aus den Umständen ergeben: […] den Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung einschließlich aller Steuern und Abgaben, wenn aber der Preis aufgrund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung […]“. Diese Vorschrift gilt auch für die Honorarvereinbarung zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten, wenn diese– wie hier – Verbraucher sind (vgl 3 Ob 112/19w = wobl 2020/70 [Pletzer]).
[4] Ob ein Rechtsanwalt dieser Informationspflicht entsprach, kann regelmäßig nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Unzureichend ist zu ihrer Erfüllung nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Rechtsanwalt bloß darauf verweist, dass er mangels anderslautender Vereinbarung Anspruch auf ein angemessenes Honorar hat (3 Ob 112/19w [Pkt 3.1.] = RS0132914). Nach der von der Beklagten ins Treffen geführten – auch bei der Auslegung von § 5a Abs 1 Z 3 KSchG zu berücksichtigenden – Entscheidung des EuGH C‑395/21 reicht es im Fall einer vereinbarten Vergütung des Rechtsanwalts nach dessen Zeitaufwand ebenso nicht, wenn dem Mandanten bloß der geltende Stundensatz mitgeteilt wird (Rn 40). Das nationale Gericht hat nach dieser Entscheidung „unter Berücksichtigung aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände zu beurteilen, ob der Verbraucher durch die ihm vor Vertragsabschluss vom Gewerbetreibenden erteilten Informationen in die Lage versetzt worden ist, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der finanziellen Folgen des Vertragsabschlusses zu treffen“ (Rn 44). Der Verbraucher muss in die Lage versetzt sein, „seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsabschlusses zu treffen“ (Rn 45). In den dem Mandanten erteilten Informationen müssen nach dem EuGH „Angaben enthalten sein, anhand deren der Verbraucher die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einzuschätzen vermag, etwa eine Schätzung der Stunden, die voraussichtlich oder mindestens erforderlich sind, um eine bestimmte Dienstleistung zu erbringen, oder die Verpflichtung, in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Aufstellungen zu übermitteln, in denen die aufgewandten Arbeitsstunden ausgewiesen sind“ (Rn 44).
[5] Der Klägerin war die Größenordnung der Kostenbelastung bekannt („zumindest 30.000 EUR“). Sie wusste, dass sich ihre Kosten nach den von der Klägerin für sie im Prozess erbrachten Leistungen („Klagen, Schriftsätze, Streitverhandlungen“) richteten und dass deren Preis von der Bemessungsgrundlage, nämlich dem Streitwert abhing. Dabei entschloss sie sich aus prozesstaktischen Gründen – und in Kenntnis der Kostenfolge – selbst dazu, den Streitwert hoch anzusetzen. Die Beklagte verfügte damit über alle notwendigen Informationen, um die finanziellen Folgen des Eingehens der vorliegenden Honorarvereinbarung nach Einheitssatz abschätzen zu können.
[6] Der Wortlaut des § 5a Abs 1 KSchG sieht keine Verpflichtung zur Einhaltung einer bestimmten Form vor, weshalb die Informationen nach allgemeiner Ansicht auch mündlich erteilt werden können (ErläutRV 89 BlgNR 25. GP 14; Apathy/Frössel in Schwimann/Kodek, ABGB5 IX [2022] § 5a KSchG Rz 1 mwN). Da das Gesetz hinsichtlich der Formfreiheit eindeutig ist, führt das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur von der Beklagten als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO angesehenen Frage, ob ein mündliches anwaltliches Informationsgespräch samt anschließendem „Bestätigungsschreiben“ ausreicht, nicht zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision (vgl RS0042656 [T8, T24, T32]).
[7] Zumal der Klägerin gerade keine Verletzung ihrer Informationspflicht nach § 5a Abs 1 Z 3 KSchG vorzuwerfen ist, stellt sich entgegen der Zulassungsbeschwerde auch nicht die Frage, was Rechtsfolge einer solchen Pflichtverletzung der Klägerin wäre.
[8] Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)