European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00144.21D.1125.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der die Beklagten zur Räumung der aufgekündigten Wohnung verpflichtet wurden.
[2] Der Fünftbeklagten gelingt es nicht, in ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen.
Rechtliche Beurteilung
[3] 1.1 Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG liegt vor, wenn die vermieteten Wohnräume nach dem Tod des bisherigen Mieters nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen (§ 14 Abs 3 MRG) dienen. Nach § 14 Abs 3 MRG sind unter anderem Verwandte in gerader Linie eintrittsberechtigt, sofern diese Personen ein dringendes Wohnbedürfnis haben und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt haben. Wenn es nicht zur Sonderrechtsnachfolge nach § 14 Abs 2 und 3 MRG kommt, liegt bei Mietverträgen über Wohnungen der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 5 MRG vor (vgl RS0103727). Wer sich auf das Eintrittsrecht beruft, muss alle dafür erforderlichen Voraussetzungen beweisen (RS0069504). Maßgeblicher Zeitpunkt des Vorliegens eines gemeinsamen Haushalts ist der Zeitpunkt des Todes des ehemaligen Mieters (RS0069744).
[4] 1.2 Die Fünftbeklagte ist eine Tochter der beiden früheren Mieter und wohnte bereits seit September 2007 in einer von ihr gemieteten Wohnung im selben Ort. Bis zum Tod des Vaters im März 2019 (die Mutter war im November 2018 verstorben) wohnte sie in ihrer Mietwohnung, erst unmittelbar danach übersiedelte die Fünftbeklagte in die aufgekündigte Wohnung. Damit liegen die Voraussetzungen für ein Eintrittsrecht der Fünftbeklagten nicht vor. Auf die in ihren Einwendungen behauptete (mit der Finanzierung von Sanierungsarbeiten zusammenhängende) Vereinbarung eines Weitergabe‑ oder Präsentationsrechts, die die Vorinstanzen nicht feststellen konnten, stützt sich die Revision nicht (mehr).
[5] 2.1 Die Revision argumentiert zusammengefasst, die Klägerin sei als Gebietskörperschaft – wegen „Kontrahierungszwangs“ und „Gleichbehandlungsgebots“ – verpflichtet gewesen, mit der Fünftbeklagten einen neuen Bestandvertrag abzuschließen, und verweist darauf, dass sie nach der Ausschreibung der Wohnung an zweiter Stelle gereiht gewesen sei und die Erstgereihte ihr fehlendes Interesse bekundet habe. Dies sei – wie sich aus 3 Ob 218/20k ergebe – auch im gegenständlichen Aufkündigungsverfahren zu prüfen gewesen, weil auch „andere Ansprüche“ zu berücksichtigen seien, die der „Übergabe des Bestandobjekts entgegen“ stünden.
[6] 2.2 In der Entscheidung 3 Ob 218/20k wurde ausgesprochen, dass nach der Erhebung von Einwendungen gegen eine Aufkündigung oder einen Übergabeauftrag die ursprünglich unzulässige Verbindung eines im allgemeinen Streitverfahren zu erhebenden Anspruchs (zB auf Errichtung eines Zauns) mit einer Aufkündigung (oder einem Übergabeauftrag) nicht mehr wahrgenommen werden kann, sondern dass dann über die erhobenen Ansprüche meritorisch zu entscheiden ist (vgl auch RS0133597). Für den Standpunkt der Revisionswerberin ist daraus jedoch nichts zu gewinnen, weil damit nur klargestellt wurde, dass in einem – infolge der erhobenen Einwendungen – begonnenen (allgemeinen) Streitverfahren über sämtliche wechselseitig erhobenen Ansprüche zu entscheiden ist.
[7] 2.3 Ein Kontrahierungszwang, aus dem die Fünftbeklagte die Pflicht der Klägerin zur weiteren Überlassung der Wohnung ableiten will, wird nach ständiger Rechtsprechung (außerhalb des Kartellrechts und neben den Fällen eines gesetzlich normierten Kontrahierungszwangs) dort bejaht, wo die öffentliche Hand oder ein Unternehmer eine Monopolstellung oder eine marktbeherrschende Stellung durch Verweigerung des Vertragsabschlusses sittenwidrig ausnützt und dem Interessenten zumutbare Ausweichmöglichkeiten fehlen; Kontrahierungszwang besteht demnach überall dort, wo die faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloßer formaler Parität diesem die Möglichkeit der Fremdbestimmung über andere gibt (RS0016744; RS0016745). Derartige Umstände hat die Beklagte jedoch weder vorgebracht, noch haben sich dafür im Verfahren Anhaltspunkte ergeben. Selbst wenn also das Berufungsgericht seinen Beurteilungsrahmen zu eng abgesteckt haben sollte, folgt daraus im Ergebnis weder ein Verfahrensmangel noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung.
[8] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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