Spruch:
Bei einer exekutiven Zuweisung steht es nicht im Belieben des Gläubigers eine Schuld abweichend von den Regeln des § 216 EO auf eine im übrigen weniger gesicherte Forderung zu verrechnen
OGH 12. Oktober 1976, 3 Ob 140/76 (LG Salzburg 32 R 407/76; BG Salzburg 6 C 1/76)
Text
Mit seiner am 6. Oktober 1970 beim Kreisgericht Leoben eingebrachten Klage begehrte Johann S die Verurteilung von Rainer und Jutta P zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Betrages von 55 828 DM samt Anhang. Gegen Jutta P erging am 23. November 1970 ein klagsstattgebendes Versäumungsurteil. Rainer P wurde durch Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 11. Mai 1973, zur Zahlung eines Betrages von 25 828 DM samt Anhang zur ungeteilten Hand mit Jutta P verurteilt; das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 30 000 DM samt Anhang wurde gegen ihn abgewiesen, im wesentlichen mit der Begründung, daß die diesbezügliche Forderung noch nicht fällig sei.
Auf Grund des nach Schluß der Verhandlung erster Instanz im vorbezeichneten Prozeß zu E 22/71 des Bezirksgerichtes B erlassenen Meistbotverteilungsbeschlusses vom 18. Dezember 1972 wurde dem Johann S nach den Feststellungen der Untergerichte auf Grund des gegen Jutta P ergangenen Versäumungsurteiles vom 23. November 1970 "für seine Forderung von 409 861.26 S, Zinsen von 58 677.60 S, Kosten von 6808 S, zusammen 475 346.91 S, der Betrag von 211 368.08 S zur teilweisen Berichtigung durch Barzahlung zugewiesen, so daß noch ein Kapitalsrest von 263 978.83 S unberichtigt aushaftet, während Zinsen und Kosten zur Gänze berichtigt sind".
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 3. Dezember 1975, 6 E 9581/75, erwirkte Johann S zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Forderung aus dem Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 11. Mai 1973 von 25 828 DM (= 180 408.58 S) "samt Anhang" die Exekution durch Pfändung und Überweisung der Dienstbezüge des Rainer P.
Mit der Behauptung, daß der Anspruch des Beklagten aus dem Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 11. Mai 1973 infolge der Zuweisung laut Meistbotverteilungsbeschluß vom 18. Dezember 1972 erloschen sei, erhob der Kläger die gegenständliche Oppositionsklage. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil der Kläger "die Zahlungen von Jutta P nicht für seine Forderung anrechnen" könne, womit der Beklagte wohl zum Ausdruck bringen wollte, daß nach seiner Meinung die Zuweisung laut Meistbotverteilungsbeschluß zunächst auf die Schuld der Jutta P und daher nicht auf die Solidarschuld des Klägers anzurechnen sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte im wesentlichen aus, das gegen Jutta P ergangene, formell richtige Versäumungsurteil könne den "Umstand", daß der Betrag von 30 000 DM noch nicht fällig sei, nicht beseitigen; Johann S stehe deshalb hier kein Wahlrecht zu, er müsse vielmehr "die 211 368.08 S" zuerst auf die bereits fällige Solidarschuld der Jutta P und des Klägers verrechnen. Demzufolge sei durch die Zahlung des angeführten Betrages auf Grund der Zuweisung laut Meistbotverteilungsbeschluß vom 18. Dezember 1972 die Schuld des Klägers zur Gänze getilgt und der Anspruch des Beklagten aus dem Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 11. Mai 1973 erloschen.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es billigte zwar grundsätzlich die Auffassung des Erstgerichtes aus der Erwägung, daß zufolge § 894 ABGB ein Mitschuldner (hier Jutta P) dadurch, daß er mit dem Gläubiger lästigere Bedingungen eingehe, den übrigen Mitschuldnern (also hier dem Kläger) keinen Nachteil zuziehen könne; das Erstgericht hätte jedoch feststellen müssen, daß der Beklagte im Exekutionsverfahren E 22/71 des Bezirksgerichtes B an Kapital einen geringeren Betrag zugewiesen erhalten habe, als der Kläger laut Exekutionstitel schulde, und deshalb nicht der gesamte Anspruch des Beklagten gegen den Kläger erloschen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Parteien erhobenen Rekursen nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zunächst war festzuhalten, daß Jutta P für ihre Person auf Grund des rechtskräftigen Versäumungsurteils vom 23. November 1970 verpflichtet war, dem Kläger (neben dem Betrag von 25 828 DM weitere) 30 000 DM samt Anhang zu bezahlen. Sofern sie dieser Verpflichtung entsprach, hatte deren Erfüllung keinen Einfluß auf die außerdem bestehende Solidarschuld von 25 828 DM samt Anhang; die Berufung des angefochtenen Beschlusses auf die Bestimmung des § 894 ABGB ist daher hier nicht stichhältig (in Ansehung des klagsgegenständlichen Anspruches von 25 828 DM samt Anhang ist Jutta P ja keine lästigere Bedingung eingegangen).
Hingegen haben sowohl die Parteien als auch die Vorinstanzen nicht darauf Bedacht genommen, daß es sich bei der "Zahlung" des Betrages von 211 368.08 S um keine freiwillige Zahlung der Jutta P handelte, für deren Verwendung die Bestimmungen der §§ 1415, 1416 ABGB maßgebend wären, sondern um die Zuweisung durch Meistbotverteilungsbeschluß in einem Exekutionsverfahren. Für die Beurteilung der Frage, welche Schulden durch eine derartige exekutive Zuweisung (ein Einverständnis der Parteien im Sinne des § 214 Abs. 2 EO wurde von keiner Seite behauptet) damit getilgt sind, gelten die Bestimmungen der §§ 216 f. EO.
Bei einer derartigen Zuweisung steht es nicht etwa im Belieben des Gläubigers, sie abweichend von den Regeln des § 216 EO auf eine im übrigen weniger gesicherte Forderung zu verrechnen (vgl. SZ 19/317 u. a.). Da hier Johann S seine Forderung gegen Jutta P aus dem Versäumungsurteil vom 23. November 1970 im Zwangsversteigerungsverfahren E 22/71 des Bezirksgerichtes B ohne Unterschied betrieben hat und daher die in diesem Exekutionstitel enthaltenen Kapitalbeträge von 30 000 DM einerseits (alleinige Schuld der Jutta P) und 25 828 DM andererseits (Solidarschuld der Jutta P und des Klägers) bei der Verteilung als gleichrangig anzusehen waren, ist die im Verteilungsbeschluß vom 18. Dezember 1972 angeordnete Zuweisung zur teilweisen Berichtigung "des Kapitals" zufolge § 218 Abs. 1 EO verhältnismäßig auf beide im Versäumungsurteil vom 23. November 1970 enthaltenen Kapitalforderungen des Beklagten zu verrechnen (ebenso Heller - Berger - Stix, 1466 u. a., ähnlich übrigens selbst bei privatrechtlich vereinbarter Zusammenfassung zweier Schuldposten SZ 40/119).
Demzufolge ist weder die Auffassung des Klägers (und im wesentlichen der Vorinstanzen), noch jene des Beklagten stichhältig. Da jedoch nach den Ausführungen des Berufungsgerichtes bisher nicht festgestellt wurde, welche Summe der Zuweisung laut Meistbotverteilungsbeschluß vom 18. Dezember 1972 auf das Kapital entfiel, daher noch weniger berechnet werden kann, mit welchem Teilbetrag entsprechend den vorstehenden Ausführungen die Verpflichtung des nunmehrigen Klägers getilgt wurde, vor allem aber hinsichtlich der Zinsen eine diesbezügliche Beurteilung ohne weitere Feststellungen unmöglich ist - es wurde bisher nicht einmal festgestellt, auf welchen "Anhang" sich die Exekutionsbewilligung vom 3. Dezember 1975 bezog -, war die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils durch das Berufungsgericht gerechtfertigt.
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