OGH 3Ob135/60

OGH3Ob135/6011.4.1960

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Liedermann, Dr. Berger, Dr. Überreiter und Dr. Graus als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** & Co., *****, vertreten durch Dr. Erich Urbantschitsch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag. pharm. Egon M*****, Apotheker, *****, vertreten durch Dr. Kurt Strele, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 5.992,92 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. Jänner 1960, GZ 2 R 626/59-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Schwaz vom 1. Oktober 1959, GZ C 194/58 -13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 624,56 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bringt vor, die Firma "A*****", Mr. Aloisia L***** & Kurt L***** habe dem Beklagten laut Faktura vom 12. 9. 1957 Waren um den Betrag von 5.992,92 S verkauft und geliefert und sodann die Kaufpreisforderung der Klägerin abgetreten, wovon der Beklagte ordnungsgemäß verständigt worden sei. Der Beklagte wendet ein, er habe den geschuldeten Betrag der Verkäuferin und Zedenten bezahlt, weil er von der Abtretung nicht verständigt worden sei. Auf der Faktura befinde sich ein fast unleserlicher Stampiglienaufdruck, so dass dessen Inhalt dem Beklagten nicht zu Kenntnis gekommen sei. Die übrigen Einwendungen des Beklagten werden im Revisionsverfahren nicht mehr aufrecht erhalten.

Auf der Rechnung der Verkäuferin befindet sich folgender Stampiglienaufdruck: "Vorstehender Rechnungsbetrag ist unwiderruflich an das Bankhaus S***** & Co. W*****, abgetreten. Zahlungen sind an dasselbe (Postsparkassenkonto 90047) zu leisten".

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte aus, der Aufdruck lasse sich mit unbewaffnetem Auge, insbesondere für den ersten Blick und ohne Kenntnis des Inhaltes nicht erforschen, weil der Abdruck, abgesehen von der Kleinschrift im mittleren Bereich, teilweise überhaupt kaum sichtbar sei, im Übrigen durch Verschieben der Stampiglie beim Aufdrücken zur Verzerrung der Schrift geführt habe. Überdies lag der Rechnung ein Erlagschein auf ein Konto der "A*****" bei. Der Beklagte zahlte darauf den Fakturenbetrag ein, so dass die Schuld getilgt sei.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren bis auf einen Teil der Zinsen, hinsichtlich derem es das Ersturteil aufhob, statt. Es erachte den Stampiglienaufdruck für hinlänglich lesbar, so dass er von einer Person mit gewöhnlichem Sehvermögen ohne Zuhilfenahme einer Lupe verstanden werden könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, es dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, oder es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Beklagte macht Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Sowohl unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens als auch unter dem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bringt der Beklagte vor, das Berufungsgericht habe nicht darauf Bedacht genommen, dass der Stampiglienvermerk unleserlich sei und die Verkäuferin durch Übersendung eines Erlagscheines, der auf ihr Konto lautet, zum Ausdruck gebracht habe, dass sie selbst zur Empfangnahme des geschuldeten Betrages berechtigt sei.

Es braucht nicht darauf eingegangen zu werden, inwieweit es sich bei den Ausführungen des Berufungsgerichtes, der Vermerk sei lesbar, um eine nicht überprüfbare Tatsachenfeststellung oder um eine rechtliche Beurteilung handelt. Es ist richtig, dass die Schrift nicht deutlich ist, doch kann sie bei gewöhnlichem Sehvermögen bis auf die Worte "unwiderruflich" und "S***** & Co" ohne weiters gelesen werden. Zum Verstehen dieser letztgenannten Worte bedarf es einiger Anstrengung. Bei Beurteilung der Frage, ob ein solcher Vermerk eine Benachrichtigung im Sinne des § 1396 ABGB darstellt, kommt es auf die Person des Empfängers an. Vom Beklagten kann gemäß § 347 HGB die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes erwartet werden. Hiezu gehört es, einlangende Schriftstücke zu lesen. Der Hinweis des Beklagten auf verschiedene Entscheidungen, in denen die Wirksamkeit der Verständigung des Schuldners wegen Undeutlichkeit der Erklärung abgelehnt wurde, ist nicht ausschlaggebend. Denn ihnen liegen Fälle zugrunde, in welchen der Inhalt der Verständigung mehrdeutig und unklar war, so dass der Schuldner auch bei genauem Lesen nicht erkennen konnte, dass die Forderung abgetreten sei. Der vorliegende Vermerk kann nicht nur nicht übersehen, sondern er muss auch bei geringem Bemühen ohne weitere Erkundigung verstanden werden. Auch die Feststellung, dass der Rechnung ein Erlagschein beilag, der auf ein Konto der Volksbank Haus- und Grundbesitz r.G.m.b.H. mit dem Aufdruck "A*****" lautete, ist nicht entscheidend. Es kann dem Beklagten zugegeben werden, dass dieser Umstand irreführend ist, doch wird dadurch die Verständigung von der Abtretung nicht aufgehoben, sie stellt keinen Widerruf der Abtretung dar.

Der Beklagte hat bei seiner Vernehmung als Partei selbst angegeben, er habe erst als sich der Anstand wegen der Rechnung ergab, also erst nach Zahlung an die Zedentin, versucht den Vermerk zu lesen. Dies sei ihm auch nach Zuhilfenahme einer Lupe gelungen, dies ist aber nach der Feststellung des Berufungsgerichtes bei gewöhnlichem Sehvermögen nicht erforderlich. Es ist daher gar nicht möglich festzustellen, welche Vorstellung der Abtretungsvermerk zusammen mit dem Umstand, dass dem Beklagten ein Erlagschein auf das Konto des Zedenten übersendet wurde, hervorgerufen hat.

Der Beklagte beruft sich in der Revision auf die Ausführungen Wolffs bei Klang VI, S 313, dass dem Schuldner der Gegenbeweis zur Verfügung stehe, dass die ihm zugekommene Bekanntgabe von der Abtretung nicht zu seiner Kenntnis gelangt sei. Der Oberste Gerichtshof pflichtet Wolff insoferne bei, als es nach dem Wortlaut der §§ 1395, 1396 ABGB nicht schon genügt, der Schuldner hätte wissen müssen, dass die Forderung abgetreten sei. Das Gesetz verlangt, dass ihm die Abtretung bekanntgemacht wird. Dies ist geschehen, sobald er die Verständigung erhalten hat. Es gilt hier sinngemäß dasselbe, was § 862a ABGB hinsichtlich des Zustandekommens von Rechtsgeschäfte ausspricht. Dort genügt es, dass die Willenserklärung dem anderen Teil zugekommen ist, auch wenn er etwa den Brief nicht gelesen hat. Denn schon mit dem Erhalt des Abtretungsvermerkes ist die Zession dem Schuldner im Sinne des § 1396 ABGB bekannt gemacht. Eine andere Ansicht würde die Wirksamkeit der Abtretung vom Belieben des Schuldners abhängig machen, indem dieser ein Schreiben oder einen Vermerk, aus welchem eine solche entnommen werden konnte, einfach nicht liest. Damit würde aber diesem Rechtsgeschäft jede praktische Bedeutung, insbesondere für das Kreditwesen genommen sein, was gewiss nicht dem Zweck des Gesetzes (§ 7 ABGB) entsprechen würde. Gemäß dieser Gesetzesstelle muss das, was im § 862a ABGB ausgesprochen wird, sinngemäß auch für Wissenserklärungen, wie die im § 1396 ABGB vorgesehene Mitteilung gelten (siehe auch Entscheidung GlUNF Nr 6396, Swoboda2 III, S 148). Der Beklagte kann sich also nicht darauf berufen, dass er den Abtretungsvermerk nicht beachtet habe.

Der unbegründeten Revision war daher ein Erfolg zu versagen. Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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