OGH 3Ob135/03d

OGH3Ob135/03d22.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Schramm und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Karin K*****, vertreten durch Dr. Christoph Haffner, Rechtsanwalt in Amstetten, wider den Gegner der gefährdeten Partei Dr. Alois K*****, wegen einstweiligen Unterhalts, infolge Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 15. Jänner 2003, GZ 21 R 353/02i-16, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts Wels vom 2. Oktober 2002, GZ 4 C 72/02b-5 (richtig AZ 4 P 70/01d), teils bestätigt und teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Beschlüsse werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt wie folgt zu lauten haben:

"Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin ab 1. August 2002 bis zur rechtskräftigen Erledigung des zu AZ 4 P 70/01d des Bezirksgerichts Wels anhängigen Unterhaltsverfahrens einen monatlichen einstweiligen Unterhalt von 584 EUR zu bezahlen, und zwar die bis zur Zustellung dieses Beschlusses fällig gewordenen Beträge - nach Abzug bereits erbrachter Leistungen - binnen 14 Tagen und die künftig fällig werdenden monatlichen Beträge jeweils am 1. eines Monats im Vorhinein.

Das Mehrbegehren der Antragstellerin, dem Antragsgegner zur Zahlung eines weiteren einstweiligen Unterhalts von monatlich 116 EUR ab 1. August 2002 und von 447 EUR für die Zeit vom 1. Juli 2002 bis 31. Juli 2002 zu verpflichten, wird abgewiesen."

Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die am 25. April 1979 geborene Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners. Der Beschluss des Erstgerichts vom 23. April 2001, mit dem der Antragsgegner u. a. zur Zahlung monatlichen Unterhalts ab 1. Jänner 2001 in Höhe von 8.754 S verpflichtet wurde, wurde mit Beschluss des Rekursgerichts vom 7. Juni 2002 aufgehoben. Die Antragstellerin beantragte am 31. Juli 2002 die Bestimmung einstweiligen Unterhalts (§ 382 Z 8 lit a EO) für 1. Juli 2002 bis 31. Juli 2002 in Höhe von 447 EUR und ab 1. August 2002 in Höhe von 700 EUR monatlich.

Das Erstgericht trug dem Antragsgegner auf, der Antragstellerin ab 31. Juli 2002 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Unterhaltsfestsetzungsverfahrens einstweiligen Unterhalt von monatlich 700 EUR zu leisten; es nahm als bescheinigt an, dass der Antragsgegner der Antragstellerin im Juli 2002 nur mehr Unterhalt von monatlich 253 EUR leistete. Die Antragstellerin studiert jedoch seit Herbst 1998 erfolgreich Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien. Der Antragsgegner ist weiters für seine nunmehrige Ehefrau und das gemeinsame Kind, für die teilweise berufstätige, frühere Ehefrau sowie für den mj. Alois K***** sorgepflichtig. Zuletzt bezog er eine monatliche durchschnittliche Nettopension von 63.337,70 S (unter Einschluss der Sonderzahlungen).

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, auch der Unterhaltsanspruch bereits volljähriger, aber noch nicht selbsterhaltungsfähiger Kinder sei nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO sicherungsfähig. Weitere Voraussetzung sei die - hier bescheinigte - Verletzung der Unterhaltspflicht, während eine Bescheinigung der Gefährdung nicht erforderlich sei. Über den Antrag des Kindes sei in sinngemäßer Anwendung des § 382a Abs 4 EO ohne Anhörung des Unterhaltsschuldners zu entscheiden, solle doch ein auf Sicherung des Unterhalts von Kindern abzielendes Sicherungsverfahren besonders rasch vorangetrieben werden. Zur Unterhaltsbemessung nach § 140 ABGB diene ein Richtwert von 22 % des Einkommens bei über 19-jährigen als Orientierungshilfe, wobei nach den weiteren festgestellten Sorgepflichten insgesamt 7 % in Abzug zu bringen seien. Ausgehend von einem Monatsbezug von 63.337,70 S belaufe sich der aktuelle Unterhaltsanspruch auf rund 9.500 S. Da Unterhalt nicht zu berechnen, sondern zu bemessen sei, sei im vorliegenden Fall einer Studentin in Wien und demgemäß erhöhten Lebenshaltungskosten eine vorläufige Unterhaltsleistung von 700 EUR jedenfalls noch gerechtfertigt.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass der Antragsgegner zur Zahlung monatlichen einstweiligen Unterhalts von 658 EUR ab 1. August 2002 verpflichtet, das Mehrbegehren (rechtskräftig) abgewiesen und der Antragstellerin eine Frist von zwei Wochen gesetzt wurde, innerhalb der sie bei sonstigem Teilanspruchsverlust den Differenzbetrag von monatlich 21,82 EUR ab 1. August 2002 im Hauptverfahren geltend zu machen hat (§ 391 Abs 2 EO).

Das Rekursgericht sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil sich für die grundsätzliche Anhebung des Unterhaltssatzes für auswärts studierende Kinder im Ausmaß von 2 % (auch) wegen der Einführung von Studiengebühren keine unmittelbare Deckung in der höchstgerichtlichen Rsp finde und durch die E 3 Ob 2075/96k der Grundsatz, dass auch Erwachsene, aber noch nicht selbsterhaltungsfähige Kinder Anspruch auf Betreuung hätten, in Frage gestellt sein könnte und eine inhaltliche Auseinandersetzung des Höchstgerichts mit den insbesondere von Gitschthaler gegen die stRsp ins Treffen geführten Argumenten bislang fehle.

Die zweite Instanz führte entsprechend der Gliederung des Rekurses des Antragsgegners in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

1.) Zur Beurteilung der Frage, ob über den Kindesunterhalt im Verfahren außer Streitsachen oder im streitigen Verfahren zu entscheiden sei, komme es nur darauf an, ob das Kind im Zeitpunkt der Anspruchserhebung noch minderjährig oder bereits volljährig ist. Wenn das Kind im Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährig gewesen sei, habe das Pflegschaftsgericht auch über einen nach Eintritt der Volljährigkeit gestellten Antrag auf Bestimmung einstweiligen Unterhalts zu entscheiden, wobei nicht die Verfahrensbestimmungen des AußStrG, sondern jene der EO und im Rahmen der Verweisung auch jene der ZPO anzuwenden seien, sofern nicht eine teleologische Reduktion geboten sei. Letztlich sei daher ohne entscheidungswesentliche Bedeutung, dass das Erstgericht über den einstweiligen Unterhalt im C-Verfahren und nicht im P-Akt entschieden habe.

2.) Eine dadurch, dass der Unterhaltserhöhungsantrag vom 21. Jänner 1997 dem Antragsgegner bisher nicht zugestellt wurde, begründete Nichtigkeit verneinte die zweite Instanz. Das Provisorialbegehren iSd § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO könne das Hauptbegehren übersteigen. Um eine Titelübereinstimmung zu erreichen, sei bei einem Zuspruch über das Hauptbegehren hinaus eine Frist zu setzen, innerhalb der bei sonstigem Teilanspruchsverlust der Differenzbetrag im Hauptverfahren geltend zu machen sei.

Das Nichteingehen auf im Hauptverfahren behandelte Sachverhalts- und Rechtsfragen und auf eine Entscheidung des VfGH könne keine Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz begründen; darin könne nur ein Stoffsammlungsmangel gelegen sein. Die Unterlassung der Anhörung des Antragsgegners begründe ebenfalls keine Nichtigkeit, weil Art 6 EMRK auf das Provisorialverfahren nicht anzuwenden sei, das Provisorialverfahren als summarisches Eilverfahren grundsätzlich einseitig sei und die EO hiezu für das Provisorialunterhaltsverfahren keine Sonderbestimmungen enthalte.

3.) Alleine der Umstand, dass die Obsorge für ein Kind mit Erreichung der Volljährigkeit ende, bedeute nicht, dass danach die Pflichtenteilung der Eltern jedenfalls nach § 140 Abs 1 ABGB zu beurteilen sei; es komme vielmehr wesentlich darauf an, ob das noch nicht selbsterhaltungsfähige Kind tatsächlich noch (relevante) Betreuungsleistungen der Mutter iSd § 140 Abs 2 ABGB erhalte. Die Betreuung des unterhaltsberechtigten Kindes werde gemäß § 140 Abs 2 erster Satz ABGB der Leistung von Geldunterhalt gleichgesetzt. Dies gelte auch dann, wenn das Kind unter der Woche zwecks Ausbildung auswärts lebe. Es komme nicht auf einen Anspruch des Kindes auf Betreuung, sondern auf die tatsächliche Erbringung von Betreuungsleistungen an. Solange die Mutter ungeachtet der Volljährigkeit des Kindes weiterhin die nach dessen Alter wesentlichen Betreuungsleistungen, wie Gewährung der Unterkunft, Naturalverpflegung sowie Besorgung von Kleidung und Wäsche, erbringe, erfülle sie ihre Unterhaltspflicht gemäß § 140 Abs 2 zweiter Satz ABGB auch dann zur Gänze, wenn das Kind unter der Woche zwecks Ausbildung (Absolvierung eines Studiums) auswärts lebe.

Hiezu nahm das Rekursgericht als bescheinigt an, dass die Mutter in ihrem Haus in Wilhering ein Zimmer für die Antragstellerin eingerichtet hat, ständig für ihre persönliche Betreuung zur Verfügung steht, ihre Wäsche wascht, für sie kocht, sodass sie Vorräte nach Wien mitnehmen kann, und sie geistig und seelisch in jeder Hinsicht unterstützt.

Dem Unterhaltsberechtigten müsse in jedem Monat der ihm nach dem Gesetz gebührende Unterhalt zur Verfügung stehen; es könne von ihm nicht verlangt werden, dass er seine Bedürfnisse in einem Monat nur deshalb verringere, weil er in einem früheren Zeitraum seinen Unterhaltsanspruch übersteigende Unterhaltsleistungen erhalten habe, außer er ziehe aus früheren Unterhaltsleistungen noch Nutzen oder könne noch Nutzen ziehen. Erst mit dem rechtskräftigen Ausspruch über die Unterhaltsverpflichtung trete eine Schuldtilgung der Unterhaltsforderung im Ausmaß der Vorschüsse (uzw jeweils nur für die betreffende Periode) ein.

4.) Der Studienwechsel nach einem Semester von Volkswirtschaftslehre auf Publizistik und Kommunikationswissenschaft sowie Portugiesisch als zweite Studienrichtung könne keinesfalls den Verlust des Unterhaltsanspruchs zur Folge haben. Die Antragstellerin besitze die zum Studium erforderlichen Fähigkeiten, betreibe dieses ernsthaft und zielstrebig; dem Vater sei nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine Beteiligung an den Kosten des Studiums möglich und zumutbar.

5.) Die Behauptung der Antragstellerin, der Antragsgegner habe die Mieteinnahmen nicht versteuert bzw sei ihm gelungen, die Mieteinnahmen nicht zu versteuern, könne keineswegs als gröbliche Vernachlässigung der sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kinder ergebenden Pflichten qualifiziert werden; eine Beschränkung auf den notdürftigen Unterhalt komme daher nicht in Betracht.

6.) Anrechenbares Eigeneinkommen der Antragstellerin habe der Unterhaltsschuldner nicht konkret behauptet; ein allenfalls bezogenes kurzfristiges Ferialeinkommen sei nicht auf die Unterhaltszahlungen anzurechnen.

7.) Der mit 4.602,92 EUR festgestellte monatliche Pensionsbezug des Antragsgegners bedürfe im Provisorialverfahren keiner weiteren Aufklärung, der vom Antragsgegner geltend gemachte Unterschiedsbetrag von 44,33 EUR sei wegen Geringfügigkeit zu vernachlässigen. Nicht als bescheinigt könne angenommen werden, dass dem Antragsgegner aus seiner Vermietungstätigkeit ein positiver Saldo verbleibe, so dass als Bemessungsgrundlage für den einstweiligen Unterhalt nur das Pensionseinkommen des Antragsgegners heranzuziehen sei. Allfällige Verluste aus der Vermietungstätigkeit könnten hingegen nicht als abzugsfähige Aufwendungen berücksichtigt werden.

8.) Bei der Bemessung des einstweiligen Unterhalts nach der Prozentwertmethode sei das Gericht an den Antrag nur insoweit gebunden, als der im Antrag angeführte Betrag den möglichen Höchstbetrag darstelle, nicht aber an den im Antrag unrichtig berechneten Prozentsatz.

Der Unterhaltssatz für Kinder im Alter von über 15 Jahren betrage im Allgemeinen 22 %; studierenden Kinder im Alter über 19 Jahren, von denen nun ein Studienbeitrag zu leisten sei, sei ein Prozentsatz von 24 % zuzubilligen; dabei sei auch zu bedenken, dass der Regelbedarf für Unterhaltsberechtigte im Alter von 19 bis 28 Jahren derzeit 434 EUR betrage und damit um 90 EUR höher als jener für Kinder in der Altersgruppe von 15 bis 19 Jahren sei.

Für die einkommenslose Ehegattin sei ein Abzug von 3 % gerechtfertigt. Kurkosten einer zu 40 % behinderten Tochter und der Ehegattin bildeten keine Abzugspost, weil während der Dauer des Kuraufenthalts die Kosten der häuslichen Verpflegung erspart würden. Gleiches gelte für die Prämien einer privaten Krankenversicherung für ein ohnehin sozialversichertes Kind und Kindergartenkosten für ein im Haushalt des Unterhaltsschuldners aufwachsendes Kind. Jährliche Krankheitskosten für eine Tochter von 200 EUR, die überdies nicht ausreichend erläutert worden seien, könnten wegen Geringfügigkeit vernachlässigt werden. Für den am 14. Juni 1984 geborenen Sohn, der eine Lehrlingsentschädigung von monatlich 4.607 S beziehe, sei ein Abzug von 1 % gerechtfertigt, für die teilzeitbeschäftigte geschiedene Ehegattin ein solcher von 1 %.

Mehrkosten medizinischer Behandlungen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gedeckt seien, habe der Unterhaltspflichtige selbst zu tragen.

Es ergebe sich somit ein Prozentsatz von 17 % (24 % - 3 % für die einkommenslose Ehegattin - 1 % für die am 12. Februar 1997 geborene Tochter Christine - 2 % für die teilzeitbeschäftigte geschiedene Ehegattin - 1 % für den im Lehrausbildung stehenden Sohn Alois) von 4.602,93 EUR, ds 782,50 EUR.

9.) Nunmehr liege Rsp des OGH zur Frage vor, wie die Bemessung des Kindesunterhalts nach Aufhebung der in § 12a FLAG enthaltene Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig zu erfolgen hat. Unter Anwendung dieser - eingehend dargestellten - Grundsätze seien die ab 1. August 2002 vom Antragsgegner zu zahlenden einstweiligen Unterhaltsbeträge um den gesamten Entlastungsbetrag von 124,65 EUR, demnach von 782,50 EUR auf (gerundet) 658 EUR zu kürzen.

Da im Hauptverfahren das 636,18 EUR ab 1. Jänner 2001 übersteigende Unterhaltsbegehren der Antragstellerin abgewiesen worden sei und wegen der seit dem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (Aufhebung des § 12a FLAG als verfassungswidrig) eingetretenen Änderungen einer neuerlichen Ausdehnung des Begehrens nicht die Rechtskraft entgegenstehe, sei der Antragstellerin gemäß § 391 Abs 2 EO eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb deren sie bei sonstigem Teilanspruchsverlust den Differenzbetrag von 21,82 EUR monatlich ab 1. August 2002 im Hauptverfahren geltend zu machen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zulässig und teilweise berechtigt.

Vorweg ist hervorzuheben, dass das Rekursgericht mit besonders eingehender Begründung auf alle Einwände des Antragsgegners eingegangen ist. Der Oberste Gerichtshof kann daher in seiner Entscheidung das Schwergewicht auf die Behandlung der von der zweiten Instanz mit zutreffender Begründung als erheblich bezeichneten Rechtsfragen legen und im Übrigen gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz, § 528a ZPO auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts verweisen.

Die zweite Instanz bezeichnete die in seiner Entscheidung unter Punkt 8.) behandelte Frage des anzuwendenden Unterhaltsprozentsatzes als erheblich. Während das Erstgericht von einem Unterhaltssatz für die Antragstellerin von 22 % ausging, führte das Rekursgericht aus, dieser Prozentsatz gelte zwar (bei Sorgepflicht für nur ein Kind) im Allgemeinen für Kinder im Alter von über 15 Jahren. Da der Regelbedarf für Unterhaltsberechtigte im Alter von 19 bis 28 Jahren 434 EUR betrage und damit um 90 EUR höher als jener für Kinder im Alter von 15 bis 19 Jahren sei und weiters Studenten seit dem Wintersemester 2001/2002 einen Studienbeitrag zu leisten hätten, sei es gerechtfertigt, studierenden Kindern im Alter von über 19 Jahren einen Geldunterhaltsanspruch zuzubilligen, der 24 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage des geldunterhaltspflichtigen Elternteils betrage.

Die Rekursinstanz folgt hiebei Gitschthaler (Unterhaltsrecht Rz 248.3), der dies damit begründet, dass der allergrößte Teil der unterhaltsberechtigten Kinder im Alter über 19 Jahren Studenten seien und es sich daher bei den Studiengebühren nicht um einen deckungspflichtigen Sonderbedarf handle, weil ja das Moment der Außergewöhnlichkeit nicht gegeben sei.

Der Oberste Gerichtshof hat bisher zu der Berücksichtigung von Studiengebühren nur insofern Stellung genommen, als diese einen außergewöhnlichen Sonderbedarf, etwa bei Studium an einer (ausländischen) Privatschule mit hohen Studiengebühren, darstellten (RIS-Justiz RS0109906). Wie Gitschthaler (aaO Rz 280.3) zutreffend anmerkt, kann aus diesen Entscheidungen nichts dahingehend gewonnen werden, die nunmehr in Österreich generell zu entrichtenden Studiengebühren als deckungspflichtigen Sonderbedarf anzusehen, weil bei diesen das Moment der Außergewöhnlichkeit keine Rolle spielt. Hier ist hingegen zur Richtigkeit der Ansicht des Rekursgerichts, es komme in derartigen nicht nur Einzelfälle, sondern sogar die Regel darstellenden Situationen grundsätzlich zu einer Erhöhung des bei der Unterhaltsbemessung anzuwendenden Prozentsatzes folgendermaßen Stellung zu nehmen:

Eine derartige generelle Erhöhung bei unterhaltsberechtigten Kindern, die für ihr Studium die allgemein zu entrichtenden Studiengebühren zu bezahlen haben, kann schon aus der grundsätzlichen Überlegung heraus nicht gebilligt werden, dass die Höhe der Studiengebühren unabhängig vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist. Eine Koppelung mit dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen, indem eine prozentmäßige Erhöhung vorgesehen wird, würde dazu führen, dass der Unterhaltspflichtige dem studierenden Unterhaltsberechtigten höhere Unterhaltsleistungen zu erbringen hat, bei denen der Erhöhungsbetrag gerade in der Regel der Höhe der Studiengebühr nicht entspricht. Diese Unausgewogenheit wäre durch nichts gerechtfertigt. Vielmehr wird im Einzelfall abhängig von dem sich nach den bisher angewendeten Berechnungsmethoden konkret ergebenden Unterhaltsbetrag zu beurteilen sein, ob bzw in welcher Höhe dem Unterhaltspflichtigen eine Mehrleistung oder dem Unterhaltsverpflichteten die Tragung dieser zusätzlichen Kosten aus den bisherigen Unterhaltsleistungen zugemutet werden kann. Der - schon bisher gegebene - Umstand, dass der Regelbedarf ab dem 19. Lebensjahr eine Steigerung erfährt, ist schon deshalb irrelevant, weil die Prozentkomponente vom Regelbedarf unabhängig zu beurteilen ist.

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin die Festsetzung eines vom Antragsgegner "jedenfalls" geschuldeten monatlichen Unterhalts von 700 EUR begehrt, wobei sie darauf hinwies, der von ihr im Antrag auf Festsetzung endgültigen Unterhalts begehrte Betrag von monatlich 10.750 S (= 781,23 EUR) sei gerechtfertigt; sie hat zwar im Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung vorgebracht, ihr besonderer Unterhaltsbedarf ergebe sich auch aus der Tatsache, dass sie pro Semester 5.000 S (= 363,36 EUR) an Studiengebühren zu bezahlen habe; nicht jedoch hat sie begehrt, den Antragsgegner aus diesem Grund zu einer höheren Unterhaltsleistung zu verpflichten. Bei dieser Sachlage besteht auch zu einer Erhöhung des einstweilen zu leistenden Unterhalts durch Festsetzung eines fixen Betrags keine Veranlassung. Der Antragsgegner weist zutreffend auch auf den Umstand hin, dass die Erhöhung des Prozentsatzes für den der Antragstellerin zustehenden Unterhalt um zwei Prozentpunkte wegen der Vielzahl seiner Unterhaltspflichten zu einem unbilligen Ergebnis führen würde.

Das Rekursgericht hat weiters die von ihm unter Punkt 3.) behandelte Frage des Wegfalls der Betreuungspflicht der Mutter mit Volljährigkeit der Antragstellerin als erheblich bezeichnet. Hiezu ist zu erwägen:

Nach stRsp (RIS-Justiz RS0048380) haben auch bereits erwachsene, aber noch nicht selbsterhaltungsfähige Kinder Anspruch auf Betreuung, uzw auch dann, wenn das Kind unter der Woche zwecks Ausbildung außerhalb lebt. Die E 3 Ob 2075/96k = SZ 70/134 weicht von diesem Grundsatz nicht generell ab; sie bejaht nur, dass der Unterhaltspflichtige seiner Naturalunterhaltspflicht gegenüber seinem volljährigen, nicht pflegebedürftigen Kind auch dadurch nachkommen kann, dass er dem Kind unentgeltlich eine andere angemessene Wohnmöglichkeit überlässt.

Die Bedenken Gitschthalers (aaO Rz 24.3), dass in solchen Fällen die tatsächlich erbrachten Betreuungsleistungen wohl nur als äußerst ..udimentär bezeichnet werden könnten und die Mutter darüber hinaus auch noch die Familienbeihilfe beziehe, sind insofern überholt, als nach Aufhebung des § 12a FLAG als verfassungswidrig eine entsprechende Anrechnung auf den Unterhaltsanspruch - wie vom Rekursgericht unter Punkt 9.) eingehend begründet - vorzunehmen ist. Für die Annahme "äußerst rudimentärer" Betreuungsleistungen durch die Mutter besteht hier kein Anhaltspunkt.

Darüber hinaus bezeichnet der Antragsgegner im Revisionsrekurs mehrere Rechtsfragen als erheblich.

Soweit der Antragsgegner in diesem Zusammenhang neuerlich vom Rekursgericht bereits verneinte angebliche Nichtigkeiten des Verfahrens erster Instanz geltend macht, nämlich Unterlassen der Zustellung eines Unterhaltserhöhungsantrags und Entscheidung ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners, stellt dies keinen Revisionsrekursgrund dar (RIS-Justiz RS0007232).

Als Rechtsfrage von erhebliche Bedeutung bezeichnet der Antragsgegner weiters, dass mit dem Einkommenssteuerbescheid anerkannte außergewöhnliche Belastungen iSd § 34 Abs 1 EStG die Bemessungsgrundlage zwingend mindern. Dieser Standpunkt entspricht nicht der stRsp, wonach die Werte, die der Einkommenssteuer zugrundegelegt werden, für sich allein für die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht maßgebend sind und Einkommenssteuerbescheide für sich allein daher nicht als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0047423).

Im Übrigen ist der Revisionswerber mit seinen weiteren Ausführungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss des Rekursgerichtes zu verweisen.

Für die Bemessung des einstweiligen Unterhalts im konkreten Fall ergibt sich somit unter Berücksichtigung der bei Anrechnung der Transferzahlungen einzuhaltenden Schritte (s hiezu 3 Ob 141/02k uva), welche das Rekursgericht richtig und eingehend dargestellt hat, folgendes:

Ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 4.602,93 EUR beträgt der zu leistende Unterhalt (15 %) gerundet 690 EUR. Hievon sind hier 20 % des Unterhalts, ds 138 EUR steuerlich zu entlasten, und zwar im Ausmaß von 106,15 EUR, was einen Betrag von 584 EUR ergibt.

Da der vom Antragsgegner einstweilen zu leistende Unterhalt somit unter dem als endgültig begehrten Unterhalt liegt, war auf die Frage der Zulässigkeit einer Fristsetzung gemäß § 291 Abs 2 EO nicht einzugehen und hatte der entsprechende Teil der Entscheidung des Rekursgerichts zu entfallen.

Die Kostenentscheidung gründet sich darauf, dass im außerstreitigen Unterhaltsfestsetzungsverfahren auch bei der Entscheidung über einstweiligen Unterhalt kein Kostenersatz stattfindet.

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