Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 18.387 S (darin 3.064,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin kaufte beim Beklagten, einem Kraftfahrzeughändler, am 9.7.1990 unter Errichtung von zwei gesonderten Vertragsurkunden einen PKW der Type Mazda 626 2L 16V GT um den Preis von 276.038 S und einen PKW der Type Mazda 323 1,8 I um den Preis von 200.925 S, daher zusammen um 476.963 S. Mit einem Versäumungsurteil vom 22.10.1990 wurde sie zur Bezahlung des Betrages von 476.963 S sA verurteilt. Das Erstgericht bewilligte dem Beklagten auf Grund dieses Urteils zur Hereinbringung des angeführten Betrages die Fahrnisexekution.
Die Klägerin begehrte in ihrer nach Bewilligung der Exekution beim Erstgericht eingebrachten Klage den Ausspruch, daß die Exekution unzulässig sei. Der Beklagte habe sich verpflichtet, gegen Bezahlung einer Stornogebühr von 47.696,30 S und der Kosten des Titelverfahrens von 23.653,60 S vom Exekutionstitel keinen Gebrauch zu machen. Er habe außerdem die beiden den Kaufverträgen vom 9.7.1990 zugrundegelegten Fahrzeuge schon an Dritte veräußert und sei daher gar nicht mehr in der Lage, ihr diese Fahrzeuge zu übergeben.
Der Beklagte bestritt den behaupteten Exekutionsverzicht. Die den Kaufverträgen zugrunde gelegten Kraftfahrzeugtypen seien nach wie vor am Markt vorhanden und könnten auch ausgeliefert werden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm nicht als erwiesen an, daß der Beklagte auf die Exekutionsführung verzichtet habe, und stellte fest, daß die Klägerin dem Beklagten am 12.7.1990 telegrafisch mitteilte, die Kaufverträge seien storniert, und daß der Beklagte im Spätherbst 1990 "die" Fahrzeuge verkaufte, als sich abzeichnete, daß die Klägerin sie nicht übernehmen werde, daß er aber bereit und in der Lage ist, der Klägerin "bei Hereinbringung des gesamten Kaufpreises im Exekutionswege....die Modelle der gekauften Fahrzeuge" binnen 10 Tagen zur Verfügung zu stellen. Rechtlich war das Erstgericht der Meinung, daß die Klägerin nach wie vor im Annahmeverzug sei, weil es sich bei der Schuld des Beklagten um eine Gattungsschuld handle, bei der es erst mit der Übergabe der Sachen zur Konzentration auf einen bestimmten Leistungsgegenstand komme. Die Klägerin sei verpflichtet, auch andere Gattungsstücke abzunehmen. Da sie dazu nicht bereit sei, könne der Beklagte Exekution zur Hereinbringung des gesamten Kaufpreises führen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Schuld des Beklagten um eine Gattungsschuld handle, weil die Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung im Exekutionstitel nicht festgelegt worden sei. Nur in einem solchen Fall könne der Verpflichtete den Umstand, daß der betreibende Gläubiger die Gegenleistung weder erbracht noch sichergestellt habe, mit Einwendungen nach § 35 EO, nach einem Teil der Rechtsprechung auch mit einer Klage nach § 36 EO, geltend machen.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Das Erstgericht hat die von der Klägerin in der Klage behauptete Stornovereinbarung nicht als erwiesen angenommen, worauf sie im übrigen in der Revision selbst hinweist. Es ist daher nicht verständlich, warum sie dennoch die Revision auch auf Schlußfolgerungen stützt, die sie aus der behaupteten, jedoch nicht erwiesenen Stornovereinbarung ableitet.
Die Klägerin macht in der Revision allerdings mit Recht geltend, daß das Berufungsgericht eine maßgebende Rechtsfrage unrichtig löste. Die Klägerin hat nämlich nicht bloß eingewendet, daß der Beklagte bei der Erfüllung der ihm obliegenden Gegenleistung säumig und sein Anspruch daher gehemmt sei; in diesem Fall wäre es von Bedeutung, ob die Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung schon im Exekutionstitel festgelegt wurde (vgl EvBl 1970/167). Sie hat vielmehr vorgebracht, daß der Beklagte die Gegenleistung gar nicht mehr erbringen könne, weil er die den Gegenstand der Kaufverträge bildenden Kraftfahrzeuge bereits verkauft habe. Sie machte damit geltend, daß der Beklagte die Erfüllung der Verträge durch sein Verschulden vereitelt habe, was sie gemäß § 920 ABGB zum Rücktritt von den Verträgen berechtigen und gemäß § 921 ABGB von der Verpflichtung zur Bezahlung des Kaufpreises befreien und somit das Erlöschen des betriebenen Anspruchs bewirken würde. Ist die Unmöglichkeit der Leistung erst nach dem Zeitpunkt eingetreten, bis zu dem der Verpflichtete von dieser Tatsache im Titelverfahren wirksam Gebrauch machen konnte, so bildet sie eine den Anspruch aufhebende Tatsache, die gemäß § 35 Abs 1 EO eingewendet werden kann (3 Ob 163/56).
Die Klägerin hat zwar nicht ausdrücklich behauptet, daß der Beklagte die Kraftfahrzeuge erst nach dem Tag veräußerte, an dem das den Exekutionstitel bildende Versäumungsurteil erging; aus ihrem gesamten Vorbringen ergeben sich aber gerade noch ausreichende Anhaltspunkte in dieser Richtung. Das Klagebegehren kann daher nicht schon wegen Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens abgewiesen werden, zumal der vom Erstgericht für den Verkauf festgestellte Zeitraum "Spätherbst 1990" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nach dem Tag der Fällung des Versäumungsurteils (22.10.1990) liegen könnte. Da es aber aus anderen Gründen nicht berechtigt ist, kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin zu einer Präzisierung ihres Vorbringens aufgefordert werden hätte müssen. Ohne Bedeutung ist ferner, daß das Klagebegehren nicht entsprechend der für Klagen nach § 35 EO herrschenden Auffassung (Heller-Berger-Stix I 410; SZ 42/32; EvBl 1973/251; JBl 1977, 63
ua) auf Feststellung des Erlöschens des Anspruchs gerichtet ist, weil die Klage inhaltlich Einwendungen nach der angeführten Gesetzestelle enthält und in einem solchen Fall der Urteilsspruch von Amts wegen entsprechend zu fassen wäre (EFSlg 52.301 ua).
Der Beklagte hätte die Erfüllung des Vertrages allerdings nur dann schon durch die Veräußerung der für die Klägerin bereitgestellten Kraftfahrzeuge vereitelt, wenn er verpflichtet gewesen wäre, ihr gerade diese Kraftfahrzeuge zu übergeben, wenn es sich also um eine Stück- und nicht um eine Gattungsschuld gehandelt hätte. Ob eine Stück- oder eine Gattungsschuld vorliegt, hängt vom Willen der Parteien des Schuldverhältnisses ab (Koziol-Welser I8 205; Gschnitzer, SchR AT2 52). Werden fabriksneue Kraftfahrzeuge serienmäßig hergestellt, so sind sie vertretbare Sachen (Koziol-Welser aaO 78). Bildet eine vertretbare Sache den Gegenstand des Schuldverhältnisses, so ist im allgemeinen eine Gattungsschuld anzunehmen, sofern nicht besondere Umstände auf einen abweichenden Parteiwillen schließen lassen (vgl Gschnitzer aaO; Ehrenzweig, System2 II/1, 14; F.Bydlinski in Klang2 IV/2, 148). Es ist daher auch der Kauf eines fabriksneuen serienmäßig hergestellten Kraftwagens einer bestimmten Marke und Type im allgemeinen eine Gattungsschuld (Gschnitzer aaO 53).
Obwohl das Erstgericht dies nicht ausdrücklich festgestellt hat, ist hier nach den übrigen Verfahrensergebnissen davon auszugehen, daß fabriksneue, serienmäßig hergestellte Personenkraftwagen den Gegenstand der zwischen den Parteien geschlossenen Kaufverträge bildeten. Die Schuld des Beklagten ist daher eine Gattungsschuld, sofern nicht ein abweichender Parteiwille hervorkäme. Nicht einmal dem Vorbringen der Klägerin sind aber eindeutige Behauptungen in dieser Richtung zu entnehmen. Sie hat vor allem nicht behauptet, daß gerade die Personenkraftwagen, die sie allenfalls beim Beklagten besichtigte, den Gegenstand der Kaufverträge bilden sollten. Nur dann läge aber eine Stückschuld vor; es genügt hiefür nicht, daß der Käufer bei einem Händler einen zur allgemeinen Besichtigung bestimmtes, fabriksneues und serienmäßig hergestelltes Kraftfahrzeug besichtigt und dann bloß ein Kraftfahrzeug derselben Marke und Type bestellt, wenn nicht zugleich eindeutig zum Ausdruck kommt, daß es sich um das besichtigte Fahrzeug handelt. In diesem Sinn sind auch die vom Berufungsgericht bezogenen Ausführungen im Schrifttum (Gschnitzer aaO 52, 53; Mayrhofer, SchR AT 29 Anm 8) zu verstehen.
Hat der Beklagte aber eine Gattungsschuld zu erfüllen, so ist er nur verpflichtet, Sachen der gleichen Gattung und nicht eine bestimmte Sache zu liefern. Es ist dann unerheblich, ob er die Sachen, die er für den Gläubiger bereitgestellt hat, vor der Übergabe an diesen an einen Dritten verkaufte, solange er bereit und imstande ist, eine andere Sache derselben Gattung zu liefern. Die Bereitstellung allein bewirkt noch nicht die Konzentration der Gattungsschuld auf eine bestimmte Sache (Gschnitzer SchR AT2 54).
Nach den hier vorliegenden Verfahrensergebnissen trat eine Konzentration der Gattungsschuld noch nicht ein, was nicht zuletzt auch die Überlegung zeigt, daß die Gefahr des zufälligen Untergangs der an die Dritten verkauften Personenkraftwagen zweifellos der Beklagte als Verkäufer und nicht schon die Klägerin hätte tragen müssen. Umso weniger kann der in der Revision vertretenen Meinung gefolgt werden, der Beklagte habe dadurch auf die Bezahlung des Kaufpreises verzichtet, daß er die für die Klägerin bereitgestellten Personenkraftwagen an Dritte verkaufte.
Der Beklagte ist somit leistungsfähig, wenn er der Klägerin Personenkraftwagen derselben Art (Gattung) wie die von ihr gekauften liefern könnte. Das Erstgericht hat dies festgestellt; die Klägerin hat diese Feststellung in ihrer Berufung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger Beweiswürdigung bekämpft, und das Berufungsgericht hat diesen Teil der Berufung infolge seiner Rechtsansicht nicht erledigt. Im Ergebnis ist dem Berufungsgericht aus folgenden Gründen aber beizupflichten:
Für den Fall, daß der Käufer mit der Annahme des Kaufgegenstandes in Gläubigerverzug und mit der Zahlung des Kaufpreises in Schuldnerverzug gerät, hat der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen (SZ 54/3), daß die für die Einforderung des Kaufpreises notwendige Leistungsfähigkeit des Verkäufers auch dann gegeben bleibt, wenn er sich jederzeit auf dem Markt gleichartige Ware beschaffen kann und der Käufer kein Interesse daran hat, gerade die ursprünglich angebotene Ware zu erhalten. Hier konnte der Beklagte auf Grund der ihm zugegangenen telegrapischen, unberechtigten Rücktrittserklärung davon ausgehen, daß die Klägerin zur Annahme nicht bereit sei. Damit ist der hier zu entscheidende Sachverhalt mit jenem im wesentlichen vergleichbar, der der angeführten Entscheidung zugrundelag.
Der erkennende Senat ist in Fortführung des in dieser Entscheidung entwickelten Gedankens der Meinung, daß die Lieferfähigkeit des Verkäufers auch dann gegeben ist, wenn er zwar nicht mehr einen Personenkraftwagen derselben Gattung des gekauften liefern kann, der ihm für die Lieferung zur Verfügung stehende Personenkraftwagen aber von der Gattung des gekauften nicht wesentlich und vor allem nicht zum Nachteil des Käufers abweicht. Besonders dann, wenn wie hier ungewiß ist, ob der Käufer seiner Zahlungspflicht nachkommen wird, und dies jedenfalls erst nach längerer Zeit der Fall sein wird, kann dem Verkäufer nicht zugemutet werden, dafür Sorge zu tragen, daß er auch nach längerer Zeit noch einen Personenkraftwagen derselben Gattung liefern kann, die in der usrpünglichen Form nicht mehr erzeugt, sondern durch ein Nachfolgemodell ersetzt wird. Es würde ihm dann ungerechtfertigt das Risiko des "Sitzenbleibens" auf einem ausgelaufenen Modell aufgebürdet, das im Fehlverhalten des Käufers seine Ursache hat. Zum dargestellten Ergebnis kommt man vielmehr auch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung (vgl SZ 57/71; JBl 1986, 197 uva), weil anzunehmen ist, daß redliche und vernünftige Parteien für den von ihnen ursprünglich nicht bedachten Fall eines längerdauernden Zahlungsverzuges des Käufers eine entsprechende Vereinbarung getroffen hätten.
Es ist gerichtsbekannt, daß das Unternehmen, von dem die von der Klägerin gekauften Fahrzeuge stammen, imstande ist, fabriksneue Fahrzeuge zu liefern, die entweder zur selben Gattung wie die von der Klägerin gekauften gehören oder von dieser Gattung nicht erheblich und kaum zum Nachteil der Klägerin abweichen. Das Gegenteil hat die Klägerin auch nicht einmal behauptet, obwohl sie hiefür die Beweislast getroffen hätte. Sie hat sich darauf beschränkt, das Vorbringen des Beklagten, er sei zur Lieferung gleichartiger Personenkraftwagen imstande, zu bestreiten. Unter diesen Umständen hat sich das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht mit der in der Berufung enthaltenen Mängel- und Beweisrüge nicht auseinandergesetzt.
Die Klägerin hat somit den betriebenen Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsachen nicht dargetan, weshalb die Vorinstanzen ihr Klagebegehren zutreffend abgewiesen haben.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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