OGH 3Ob119/08h

OGH3Ob119/08h3.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer, und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** AG, ***** vertreten durch Hasberger_Seitz & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei I***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Helmut Sommer und Mag. Felix Fuchs, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 20.720,75 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 29. Juni 2007, GZ 4 R 215/07w-30, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. April 2008, AZ 4 R 215/07w, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 23. März 2007, GZ 21 C 82/06v-24, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.257,48 EUR (darin 209,58 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Aktiengesellschaft ist ein Telekommunikationsunternehmen und erbringt umfangreiche Telekommunikationsdienstleistungen. Aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist sie wie auch andere Betreiber eines öffentlichen Kommunikationsnetzes zur Zusammenschaltung der verschiedenen Kommunikationsnetze verpflichtet.

Im Jahr 2000 erwarb ein Unternehmen namens P***** (richtig offenbar:

P***** AG [Konkurseröffnung am 20. Juli 2005, in der Folge amtswegig gelöscht gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit], im Folgenden nur vormalige Mehrheitsgesellschafterin der beklagten Partei), das nach eigenen Angaben etwa 17.000 Kunden hatte, 51 % der Anteile der beklagten alternativen Netzbetreiberin in der Rechtsform einer GmbH. Deren Intention war es, eine Zusammenschaltung mit einem eigenen „Switch" (Rechner, im Folgenden nur Rechner) herzustellen und unter anderem diese (neuen) Kunden bzw einen Teil derselben in das System einzubinden. Zwischen 1998 und 2000 war ein Unternehmen namens T***** (richtig offenbar: T***** GmbH, im Folgenden nur Gemeinschuldnerin) Kundin der beklagten Partei gewesen; der Geschäftsführer der beklagten Partei kannte den Rechner der Gemeinschuldnerin sehr genau. Als die Gemeinschuldnerin dem Konkurs verfiel, interessierte sich die beklagte Partei für den Erwerb dieses Rechners. Der Rechner wurde aber nicht von der beklagen Partei, sondern von deren vormaliger Mehrheitsgesellschafterin gekauft; zwischen den beiden war eine Nutzungsvereinbarung zu deren Gunsten „intern angedacht". Über die Lizenz für den Rechner (der Gemeinschuldnerin) gab es Gespräche mit einer Vertreterin der Eigentümerin einer dänischen Herstellergruppe. Vereinbart war, dass für die Zeit der Testreihe jedenfalls die Lizenz für die Software für den Rechner zur Verfügung gestellt würde. Der Rechner der Gemeinschuldnerin war zu der Zeit, als er in Graz installiert war, mit der klagenden Partei auf Basis des Signalisierungsverfahrens ISUP V1 (im Folgenden auch nur ISUP V1) zusammengeschaltet. Nach dem Erwerb des Rechners durch die vormalige Mehrheitsgesellschafterin der beklagten Partei wurde der Rechner nach Wien an den Standort eines Unternehmens namens „n*****" (richtig wohl N***** GmbH, im Folgenden nur Vormieter) gebracht, von dem die beklagte Partei am 1. August 2001 2 x 14 Interconnect-Systeme (PCM 30-Leitungen) übernahm, die mit der klagenden Partei zusammengeschaltet und bis zu diesem Zeitpunkt auch im Betrieb waren. Weil die Interconnect-Systeme (PCM 30-Leitungen) direkt vom Vormieter übernommen wurden, zuvor bei diesem in Betrieb gewesen und somit auch schon zuvor getestet worden waren, kamen die Streitteile überein, dass die beklagte Partei abweichend von der üblichen Vorgangsweise kein Herstellungsentgelt mehr zahlen müsse.

Zu unterscheiden ist zwischen den Tests für die Leitungen und den für den Rechner. Der Leitungstest war durch den Vormieter bereits erfüllt worden, es fehlten somit noch die Tests für den Rechner. Bei den Signalisierungsverfahren ISUP V1 und ISUP V2 handelt es sich um die Software für den Rechner, demnach bei Tests mit den genannten Signalisierungsverfahren um solche für den Rechner. Am 26. Juli 2001 schlossen die Streitteile einen Zusammenschaltungsvertrag auf unbestimmte Zeit ab, der sich mit jenem des Vormieters deckte. Diesen Vertrag kündigte die klagende Partei ebenso wie alle anderen Zusammenschaltungsverhältnisse mit alternativen Netzbetreibern im August 2001 per 31. Dezember 2001 auf, weil sie eine Änderung der Verträge herbeiführen wollte. Sie bot der beklagten Partei im Zuge der Kündigung schriftlich die Weitergeltung des Vertrags an. Die beklagte Partei verhielt sich weiter dem Vertrag entsprechend und leistete die sich daraus ergebenden Zahlungen. Bereits im August 2001 übermittelte die klagende Partei jedem alternativen Netzbetreiber, so auch der beklagten Partei, einen Entwurf des von ihr gewünschten Vertrags. Sie verhandelte mit den großen Netzbetreibern, um einen dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung entsprechenden Vertrag zustandezubringen. Mit der beklagten Partei als neuem „nicht großen" Netzbetreiber führte sie keine Vertragsverhandlungen. Hätte die beklagte Partei die klagende Partei dazu aufgefordert, wäre auch mit ihr verhandelt worden.

Der damals zweite Geschäftsführer der beklagten Partei und ein Vertreter der vormaligen Mehrheitsgesellschafterin der beklagten Partei hatten am 12. März 2002 einen Gesprächstermin mit der klagenden Partei über die Minderauslastung. Einer der beiden Genannten sagte, dass sie bis spätestens 31. Mai 2002 ins Netz gehen, das heißt den Verkehr aufnehmen müssten, andernfalls sie die PCM 30-Leitungen zurückgeben müssten. Mit Schreiben vom 12. März 2002 hielt die klagende Partei das Ergebnis der Besprechung dahin fest, dass die beklagte Partei eine Bankgarantie ... vorzulegen habe und bis spätestens 31. Mai 2002 den Verkehr in Ansehung der 28 Systeme aufnehmen werde, andernfalls alle Systeme an die klagende Partei zurückgegeben würden. Bei einer weiteren Besprechung am 12. Juni 2002 einigten sich die Streitteile aufgrund der durch die Minderauslastung bereits hohen Kosten für die beklagte Partei auf die „juristische Fiktion", dass dann, wenn die beklagte Partei frisch zusammengeschaltet worden wäre, von dieser Herstellungskosten zu bezahlen gewesen wären und dann noch der Durchrechnungszeitraum, welcher Minderauslastungsverrechnung notwendig gemacht hätte, verrechnet hätte werden müssen. Die bis zu diesem Zeitpunkt angefallene Minderauslastung hätte die Herstellungskosten um ein Vielfaches überstiegen. Es wurde daher vereinbart, dass die beklagte Partei die Herstellungskosten von 38.691,95 EUR zu bezahlen hätte und die Minderauslastung erstmalig ab September 2002 in Rechnung gestellt würde. Die Testkosten hatte nach der Vereinbarung die beklagte Partei zu tragen. Bei dieser Besprechung ging es nicht um die Mietentgelte für die PCM 30-Leitungen, sondern nur um die weitere Vorgangsweise betreffend die Minderauslastung. Als Beginn des Testtermins wurde der 17. Juni 2002 mit einer Dauer von zwei Wochen fixiert. Am 12. Juni 2002 unterfertigte der Geschäftsführer der beklagten Partei diese Vereinbarung vorbehaltlich einer späteren - am 13. Juni 2002 erfolgten - Faxbestätigung.

Bereits mit E-Mail vom 31. Mai 2002 hatte ein Angestellter der klagenden Partei der beklagten Partei unter anderem mitgeteilt, dass das Signalisierungsverfahren ISUP V1 von der klagenden Partei nur noch bis 31. Dezember 2002 unterstützt werde. Die klagende Partei könne zwar jetzt mit ISUP V1 testen und mit dem neuen Rechner in Betrieb gehen, die beklagte Partei müsse aber bis Ende des Jahres das Signalisierungsverfahren ISUP V2 gegen Kostenersatz nachtesten, um noch im selben Jahr auf ISUP V2 umzustellen. Dieser Umstand war der beklagten Partei von einem anderen Angestellten der klagenden Partei bereits mit E-Mail vom 23. Mai 2002 mitgeteilt worden. Die Tests begannen am 17. Juni 2002 und wurden in der Folge wegen technischer Schwierigkeiten mit dem Rechner der beklagten Partei unterbrochen. Anfang des Jahres 2003 wurden dem Geschäftsführer der beklagten Partei erneut drei Testtermine angeboten.

Die klagende Partei hatte der beklagten Partei die PCM 30-Leitungen von Anfang an zur Verfügung gestellt. Dadurch waren für die klagende Partei nicht nur diese Interconnect-Systeme, sondern auch die dazugehörigen Rechner bzw Systeme gebunden und konnten nicht anderweitig verwendet werden. Der Geschäftsführer der beklagten Partei wollte die Systeme aber behalten, weil er davon ausging, die beklagte Partei hätte diese Anzahl von Systemen gebraucht, wenn der Rechner ans Netz gegangen wäre - dies vor dem Hintergrund der 17.000 Kunden der vormaligen Mehrheitsgesellschafterin der beklagten Partei - und befürchtet wurde, dass die beklagte Partei dann in kürzerer Zeit nicht mehr so viele Systeme bekommen hätte. Es ging ihm in diesem Fall um eine gewisse „Vorrats- bzw Vorsichtshaltung". Spätestens ab 1. Jänner 2003 war ein Betrieb nur noch auf Basis des Signalisierungsverfahrens ISUP V2 möglich. Aus diesem Grund schlug die klagende Partei vor, die Testung des Rechners auf Basis ISUP V2 durchzuführen, um eine noch im selben Jahr notwendige Nachtestung zu vermeiden. Das von der beklagten Partei mit der Testung beauftragte Unternehmen teilte ihr mit, dass eine Testung nach ISUP V2 - bezogen auf die technischen Voraussetzungen - problemlos möglich sei. Nachdem die Tests nicht erfolgreich waren, war der beklagten Partei der Grund dafür nicht bekannt, ebenso wenig, ob dies mit der Testung nach ISUP V1 oder ISUP V2 im Zusammenhang stand. Im November 2002 teilte schließlich das mit der Testung beauftragte Unternehmen der beklagten Partei mit, dass eine Zusammenschaltung auf Basis des Signalisierungsverfahrens ISUP V2 mit der Software auf dem Rechner unmöglich wäre. Es werde sich mit der dänischen Herstellerfirma in Verbindung setzen. Im Jänner 2003 wurde ihr mitgeteilt, dass eine Zusammenschaltung mit diesem Rechner auf Basis des Signalisierungsverfahrens ISUP V2 unmöglich sei.

Die beklagte Partei zahlte die Entgelte für die PCM 30-Leitungen von August 2001 bis August 2002 von monatlich 4.144,15 EUR. Die weiteren Entgelte bis Jänner 2003 zahlte sie nicht mehr, obwohl ihr die Leitungen auch in dieser Zeit ausschließlich zur Verfügung standen, sie kündigte diese Leitungen nicht. Die Kündigung erfolgte durch die klagende Partei im Jänner 2003. Diese wies immer wieder darauf hin, dass die Mietentgelte von der beklagten Partei zu zahlen wären. Zunächst gab es den Bescheid der Telekom-Control-Kommission Zl. Z 20/01, der auf der RTR-Homepage veröffentlicht war. Dieser war ein Thema bei den Besprechungen mit der beklagten Partei. Es wurde darüber gesprochen, dass auch die Streitteile so etwas jetzt abschließen müssten. Nachdem es zu keiner Einigung kam, wurde am 26. September 2002 das Verfahren vor der Telekom-Control-Kommission eingeleitet. Diese erließ am 28. Oktober 2002 den Bescheid Zl. Z 23/02-7, womit die konkreten Bedingungen der Zusammenschaltung der Netze der Streitteile festgelegt wurden. Die klagende Partei erbrachte die ihr darin auferlegten (klagsgegenständlichen) Leistungen. Nach deren Erbringung auf der Grundlage dieses Bescheids hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. April 2004 diesen Bescheid auf.

In ihrer auf Zahlung von 20.720,75 EUR samt Stufenzinsen gerichteten Mahnklage brachte die klagende Partei vor, sie habe von Juni 2002 bis Ende Jänner 2003 vereinbarungs- und ordnungsgemäß im Rahmen der Zusammenschaltung der Netze umfangreiche Telekommunikationsdienstleistungen erbracht. Sie habe diese, insbesondere für Zurverfügungstellung von Telekommunikationsleitungen und Notrufpauschalen, für die vereinbarungsgemäße Verrechnung der Minderauslastung für PCM 30-Strecken sowie technisch notwendige Test- und Überprüfungsverfahren, ordnungsgemäß abgerechnet. Dazu habe es eine Vereinbarung der Streitteile gegeben. Da sich die Parteien nicht über die Bedingungen der gewünschten Zusammenschaltung hätten einigen können, sei auf Antrag der beklagten Partei bei der Telekom-Control-Kommission ein Zusammenschaltungsverfahren eingeleitet worden. Der dazu ergangene Bescheid enthalte die Zusammenschaltungsordnung, wirke als Vertrag und substituiere die vertragliche Einigung. Die konkrete Vereinbarung der Streitteile sei daher dem „vertragsersetzenden Bescheid" inhaltlich gleichzusetzen. Der Bescheid gelte ab 1. Jänner 2002 auf unbestimmte Zeit. Die beklagte Partei habe gegen ihre Pflichten verstoßen. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen auf Seite der beklagten Partei hätten die Kompatibilitätstests nicht abgeschlossen werden können. Die beklagte Partei habe auch die fälligen Entgelte für fünf Monate nicht gezahlt. Daher sei die Vereinbarung von der klagenden Partei wegen Zahlungsverzugs wirksam gekündigt worden. Erst nach Erbringung der klagsgegenständlichen Leistungen sei mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. April 2004 der Bescheid der Telekom-Control-Kommission aufgehoben worden. Diese Aufhebung wirke zivilrechtlich nur ex nunc. Bei Annahme einer ex tunc-Wirkung wäre für die beklagte Partei nichts gewonnen, weil dann das Begehren auf Bereicherung gestützt werden könne.

Durch Übernahme von 28 näher bezeichneten Systemen seien Kosten wegen Nichterreichung der „Minderauslastung" angefallen. In einem funktionierenden Zusammenschaltungsverhältnis hätte die beklagte Partei für die Verkehrsflüsse Entgelte zahlen müssen. Am 12. Juni 2002 sei eine einvernehmliche Lösung zwischen den Parteien gefunden worden, wonach erstmals ab September 2002 Ansprüche verrechnet werden sollten. Die klagende Partei habe auf die Geltendmachung der bisher angefallenen Kosten wegen Nichterreichung der „Minderauslastung" verzichtet. Völlig überraschend habe die beklagte Partei im September 2002 erklärt, an den Vergleich nicht mehr gebunden zu sein. Dies habe die klagende Partei nicht akzeptiert. Nach Punkt 11.3. des Zusammenschaltungsvertrags vom 26. Juli 2001 sollten die darin geregelten Rechtsverhältnisse bis zum Treffen einer neuen Vertragsregelung gelten.

Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, es gebe zwischen den Parteien keine gültige Vereinbarung, die Aufhebung des Bescheids der Telekom-Control-Kommission wirke ex tunc, als ob der aufgehobene Bescheid nie erlassen worden wäre. Eine neue Zusammenschaltungsanordnung sei nie mehr ergangen. Die klagende Partei müsse sich an die Regulierungsbehörde wenden, die ordentlichen Gerichte seien hiefür unzuständig. Es werde somit auch ausdrücklich der Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs erhoben. Es sei auch nie zu einer Zusammenschaltung gekommen. Daher habe die klagende Partei auch keine Dienstleistungen erbracht. Vorsichtshalber werde auch Verjährung eingewendet. Unrichtig sei, dass die Tests aus Verschulden der beklagten Partei nicht erfolgreich gewesen wären. Das mit den Tests beauftragte Unternehmen sei mangels Verwirklichung des bedungenen Erfolgs durch Gerichtsentscheidung auch seines Entgeltsanspruchs verlustig gegangen. Es sei unrichtig, dass eine Testung nach dem Signalisierungsverfahren ISUP V1 im April/Mai 2002 unmöglich gewesen sei. Eine Verrechnung von Entgelt könne mangels einer Mitteilung im Sinn des Punkts 4.2.6 des Bescheids der Telekom-Control-Kommission Zl. Z 23/02-7 nicht erfolgen. Zu den ohne Rechtsgrundlage erfolgten Zahlungen im Jahr 2002 sei die beklagte Partei geradezu gezwungen gewesen, weil die klagende Partei ohne diese Zahlungen nicht einmal einen Testtermin für die Kompatibilitätsprüfung angeboten hätte.

Die beklagte Partei fordere die Rückzahlung von 54.829,63 EUR und wende diesen Betrag bis zur Höhe einer allenfalls zu Recht bestehenden Klageforderung compensando ein. In der Folge dehnte die beklagte Partei ihre compensando eingewendete Gegenforderung auf insgesamt 92.535,90 EUR aus.

Zuletzt brachte die beklagte Partei noch vor, dass die klagende Partei ihre Informations- und Aufklärungspflicht, insbesondere als marktbeherrschendes Unternehmen, ihr gegenüber verletzt habe, weil sie anlässlich der Testung nicht darauf aufmerksam gemacht habe, dass es bei der ISUP V2-Testung Schwierigkeiten geben könnte, die zu einem negativen Ergebnis führen könnten. Wäre die beklagte Partei darauf aufmerksam gemacht worden, hätte sie darauf bestanden, die Testung ausschließlich nach ISUP V1 vorzunehmen. Dann hätte „alles" bereits im Frühjahr 2002 in Betrieb gehen können.

Das Erstgericht erkannte ausgehend von den eingangs großteils wiedergegebenen Feststellungen die Klageforderung in voller Höhe als zu Recht, die Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend und verhielt demgemäß die beklagte Partei zur Zahlung von 20.720,75 EUR sA. Die Parteien hätten am 26. Juli 2001 einen Zusammenschaltungsvertrag schriftlich fixiert. Die beklagte Partei habe ab Beginn der Übernahme der PCM 30-Leitungen mit 1. August 2001 vereinbarungs- und ordnungsgemäß auch die Entgelte an die klagende Partei entrichtet. Trotz Kündigung des Vertrags mit 31. Dezember 2001 durch die klagende Partei sei die Weitergeltung des Vertrags vereinbart worden. Die beklagte Partei habe das schriftliche Anbot durch Einhaltung der getroffenen Vereinbarung schlüssig angenommen. Es habe für die klagende Partei keinen Grund daran zu zweifeln gegeben, dass die beklagte Partei nicht mit der Weitergeltung einverstanden wäre. Diese habe nämlich auch die Zahlungen geleistet. Die Leitungen seien der beklagten Partei die ganze Zeit über zur Verfügung gestanden, auch wenn sie diese wegen Probleme in ihrer eigenen Sphäre nicht habe nutzen können. Die klagende Partei hätte die Leistungen anderweitig vermieten können. Selbst bei Anrufung der Telekom-Control-Kommission habe die beklagte Partei die Leitungen nicht aufgekündigt, aber mit September 2002 die Zahlung der Entgelte eingestellt. Die Aufhebung des Bescheids durch den Verwaltungsgerichtshof bedeute die Aufhebung des den Vertrag ersetzenden Bescheids ex tunc. Eine Rückabwicklung sei aber ausgeschlossen. Dass die Testreihe nicht erfolgreich gewesen sei, sei auf ein Verschulden des damit beauftragten Unternehmens zurückzuführen. Dieses könne aber nur der beklagten Partei zugerechnet werden. Die beklagte Partei habe nie auf einer Testung nach ISUP V1 bestanden. Es sei ihr auch gar nicht bekannt gewesen, ob das Misslingen der Tests überhaupt auf die Unterschiedlichkeit der Signalisierungsverfahren zurückzuführen gewesen sei. Wegen des Vorliegens einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Streitteilen sei der Rechtsweg zulässig. Der Klagsanspruch sei auch nicht verjährt. Die Zahlung des Herstellungsentgelts entspreche der Vereinbarung vom 12. Juni 2002, die die beklagte Partei nicht ohne Zustimmung der klagenden Partei rückgängig machen könne. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil unter Übernahme aller vom Erstgericht getroffenen Feststellungen. In rechtlicher Hinsicht biete der festgestellte Sachverhalt für den Vorwurf, die klagende Partei habe ihre marktbeherrschende Stellung diskriminierend ausgenützt und Warn- und Aufklärungspflichten verletzt, keine Grundlage. Tatsächlich habe ein Mitarbeiter der klagenden Partei die beklagte Partei am 31. Mai 2002 darüber informiert, dass das Signalisierungsverfahren ISUP V1 von ihr nur noch bis Ende 2002 unterstützt werde. Die fehlgeschlagene Testung liege in der Sphäre der beklagten Partei. Der behauptete sekundäre Feststellungsmangel liege schon deshalb nicht vor, weil dafür überzeugende eindeutige Beweisergebnisse fehlten, überdies reiche der festgestellte Sachverhalt zur abschließenden rechtlichen Beurteilung der Sache aus. Der Rechtsweg sei zulässig. Auf Verjährung berufe sich die beklagte Partei im Berufungsverfahren nicht mehr. Bei objektiver Betrachtung des festgestellten Sachverhalts sei letztlich die Zusammenschaltung daran gescheitert, dass der Rechner der beklagten Partei nicht „ISUP V2 tauglich" und dies von ihr und den von ihr beigezogenen Fachleuten nicht in den Griff zu bekommen gewesen sei.

Das Berufungsgericht ließ im Verfahren nach § 508 ZPO die ordentliche Revision aus folgenden Erwägungen doch zu: Wenngleich Fragen der Vertragsauslegung grundsätzlich zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage begründen könnten, könnte hier dennoch eine auffallende Fehlbeurteilung der konkreten Vertragsbeziehung der Streitparteien durch das Berufungsgericht vorliegen, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsse. Darüber hinaus habe es die Rechtsfrage, ob nach Aufhebung einer Zusammenschaltungsanordnung der Regulierungsbehörde gemäß § 41 TKG das konkludente Entstehen eines neuen Zusammenschaltungsvertrags überhaupt noch möglich sei oder die Regulierungsbehörde darüber entscheiden müsse (Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs), zwar bejaht, aber keiner eingehenden inhaltlichen Prüfung unterzogen. Letztlich komme auch der Frage, ob nicht die klagende Partei als marktbeherrschendes Unternehmen im rechtsgeschäftlichen Verkehr strengere Warn- und Aufklärungspflichten gegenüber den Vertragspartnern treffen und sie der beklagten Partei nach Kündigung des Vertrags für die Zeit ab dem 1. Jänner 2002 eine neue, auf objektiven Maßstäben beruhende, nachvollziehbare, nicht diskriminierende Zugangsmöglichkeit zu ihren Telekommunikationsnetzen anbieten hätte müssen, die in § 502 Abs 1 ZPO geforderte Qualität zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

1.) Soweit die beklagte Partei auch in dritter Instanz vermeint, es wäre für die Klage der ordentliche Rechtsweg nicht zulässig, übersieht sie nicht nur, dass das Klagebegehren auf Zahlung eines Zusammenschaltungsentgelts gerichtet ist und keineswegs auf die Erlassung einer erneuten Anordnung der Regulierungsbehörde, wie sie in der Revision geltend macht, sondern auch noch, dass schon das Erstgericht in den Gründen seines Urteils ausführte, der Rechtsweg sei zulässig. Diese Rechtsansicht wird (wiederum nicht im Spruch) in der zweitinstanzlichen Entscheidung bestätigt. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Entscheidung zweiter Instanz, mit der eine wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen wurde, unanfechtbar (RIS-Justiz RS0043405). Das gilt auch schon immer dann, wenn das Berufungsgericht auf die Frage einer allenfalls in erster Instanz unterlaufenen Nichtigkeit eingegangen ist und diese verneint hat (RIS-Justiz RS0042981), aber auch dann, wenn sich ein Gericht - wie hier - nur in den Entscheidungsgründen mit dem Vorliegen der Prozessvoraussetzungen auseinandersetzte (RIS-Justiz RS0035572 [T30]). Dass die Rechtswegunzulässigkeit ein Nichtigkeitsgrund ist, ergibt sich aus § 477 Abs 1 Z 6 ZPO.

2.) Die Beurteilung, ob zwischen den Parteien durch beiderseitige Erfüllung nach Aufkündigung des ursprünglichen Vertrags ein weiterer durch konkludentes Verhalten zustandekam, richtet sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Eine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vermag die beklagte Partei nicht darzulegen.

3.) Bei ihren Ausführungen in der Revision geht die beklagte Partei zum Teil nicht von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen aus. So wurde zB gerade nicht festgestellt, dass sie den Bescheid der Telekom-Control-Kommission Zl. Z 23/02 wegen einer Ausnützung ihrer marktbeherrschenden Stellung durch die klagende Partei beantragt habe. Es steht auch keineswegs fest, dass die klagende Partei von der Beklagten die Einhaltung der Norm ISUP V2 verlangt hätte. Vielmehr wurde ausdrücklich festgestellt, es sei eindeutig eine Mitteilung in der Richtung erfolgt, dass man durchaus noch mit ISUP V1 testen und mit dem neuen Rechner im Betrieb gehen könne. Es wurde lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass mit Jahresende eine Umstellung auf ISUP V2 und eine Nachtestung erforderlich wäre. Es gibt auch weder eine Behauptung noch eine Feststellung dahin, dass die klagende Partei - anders als das mit der Testung beauftragte Fachunternehmen, das der beklagten Partei mitgeteilt hatte, dass eine Testung nach ISUP V2 bezogen auf die technischen Voraussetzungen problemlos möglich wäre - wissen hätte müssen, dass dies nicht der Fall sei. Dies kann schon insofern umso weniger gesagt werden, als nach den festgestellten Angaben jenes Unternehmens die auf dem Rechner der beklagten Partei installierte Software die Ursache für das Nichtfunktionieren sei.

4.) Ausgehend von den tatsächlichen Sachverhaltsfeststellungen wirft daher die Verneinung einer Warn- und Aufklärungspflicht der klagenden Partei durch das Berufungsgericht keine erhebliche Rechtsfrage auf.

5.) Unerfindlich bleibt, inwiefern nach der Rechtsansicht der beklagten Partei, wonach die Aufhebung des Bescheids der Telekom-Control-Kommission durch den Verwaltungsgerichtshof ex tunc wirke, also so, als ob der aufgehobene Bescheid nie erlassen worden wäre, dennoch der ursprüngliche Zusammenschaltungsvertrag nicht mehr weiter anzuwenden wäre.

Auch sonst vermag die beklagte Partei nicht, Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Ihr Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Die klagende Partei wies auch auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision ausdrücklich hin.

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