Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Beklagte ist die Tochter des Klägers, der zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 530,51 EUR an sie verpflichtet ist. Diesen Unterhalt leistete er bis einschließlich November 2004. Zur Hereinbringung des Unterhalts ab Dezember 2004 bewilligte das Bezirksgericht Villach der Beklagten die Forderungsexekution. Nach Problemen in der Ehe des Klägers mit der Mutter der Beklagten ab 1983 erfolgte Anfang 1988 die Trennung der Eltern, zu dieser Zeit hatte der Kläger auch eine neue Beziehung. Bis zum Sommer 1992 verblieb die Beklagte mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in der Ehewohnung in Villach, danach übersiedelte sie mit beiden Töchtern nach Wien.
Im Jahr 1995 traten bei der damals zwölfjährigen Beklagten deutlich neurotische Kontaktschwierigkeiten auf, im Frühjahr 1996 erkrankte sie an Magersucht, am 12. Juni 1996 begann ein stationärer Krankenhausaufenthalt der Beklagten. Die Schwester der Beklagten zog zum Kläger nach Villach zurück. Dem ersten stationären Aufenthalt der Beklagten bis Dezember 1996 folgten zahlreiche weitere bis letztlich November 1999. Die Ursache der Magersuchterkrankung der Beklagten liegt an ihrem pathogenen familiären Umfeld, das durch die negative Erlebnisverarbeitung ihrer Mutter (Trennung vom Kläger) geprägt war. Die Mutter verkraftete die Scheidung nie, sie hat dem Kläger nie verziehen, sie verhinderte die Kontaktaufnahme mit ihm, vereinnahmte die Töchter völlig und schwor sie auf ihre unkorrigierbaren Positionen ein. Sie war bestrebt, den Vater ihren Töchtern gegenüber zu ersetzen. Auch den Kontakt mit der im selben Haus wohnenden Großmutter versuchte die Mutter zu unterbinden.
Bis zum ersten stationären Aufenthalt im Jahr 1996 hatte die Beklagte zwei Klassen Volksschule (noch in Villach) und danach sechs Jahre Waldorfschule in Wien besucht, sodass sie zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung gerade dabei war, die achte Schulstufe abzuschließen und in der Folge die Voraussetzungen für den Besuch der Oberstufe eines Gymnasiums erlangte. Die Beklagte war während ihrer Erkrankung auch bei einem Oberstufenrealgymnasium angemeldet, ohne jedoch bis zum Jahr 1999 eine Schulstufe abzuschließen.
Es steht nicht fest, ob sich die Beklagte nach November 1999 noch Therapien unterzog. Ebensowenig steht fest, dass die Beklagte von Dezember 1999 bis Sommer 2001 Anstrengungen unternommen hätte, ihre schulische Ausbildung fortzusetzen, und ab wann ihr das zumutbar gewesen wäre. Eine stationäre Behandlung der Magersuchterkrankung war jedenfalls seit 1999 nicht mehr erforderlich. Im November 2001 war die Beklagte weder in ambulanter Behandlung noch nahm sie Medikamente. Sie war zu dieser Zeit ausreichend ernährt, früher vorhandene Verhaltensstörungen wie fehlende Gesprächsbereitschaft, Kontaktscheue und Rückzugstendenzen lagen nicht mehr vor. Es steht nicht fest, dass sich ihr Zustand in der Folgezeit verschlechtert hätte.
Im Herbst 2001 hatte die Beklagte die Absicht, die Matura zu machen, und überlegte, Kindergärtnerin zu werden. Sie besuchte auch für einige Wochen eine Maturaschule, hatte jedoch Probleme in Englisch und Mathematik, weshalb sie ab Februar 2002 eine Abendschule (Bundesgymnasium für Berufstätige) besuchte. Über den Zeitraum von zwei Jahren hinweg bis zum Ende des Wintersemesters 2003/04 schloss sie allerdings statt zwei ganzer Schulstufen nur ein Semester ab. Es steht nicht fest, weshalb die Beklagte im Sommersemester 2004 den Besuch des Gymnasiums für Berufstätige abbrach.
Vom 15. November 2004 bis 14. Jänner 2005 besuchte die Beklagte einen Computerkurs, nach dem sie den europäischen Computerführerschein (ECDL) erlangte. Für das nachfolgende Sommersemester 2005 war die Beklagte in einer Handelsschule für Berufstätige eingeschrieben, ging jedoch nicht hin. Seit Herbst 2005 besucht sie die Handelsakademie für Berufstätige, wobei sie beabsichtigt, nach Absolvierung von zwei Schulstufen eine Ausbildung als Kinderkrankenschwester zu beginnen. Die Beklagte war nie auf der Suche nach einem Arbeitsplatz, weil sie davon ausging, ohne weitere abgeschlossene Ausbildung keinen Arbeitsplatz zu erlangen. Womit die Beklagte seit Ende der stationären Behandlung ihre Zeit verbracht hat, insoweit diese nicht durch den Schul- oder Kursbesuch beansprucht war, steht nicht fest. Der Kläger ist Polizeibeamter in gehobener Position, die Mutter Röntgenassistentin.
Der Kläger begehrte, die Unterhaltsexekution einzustellen, weil seine Unterhaltspflicht seit Dezember 2004 erloschen sei. Die Beklagte sei mangels zielgerichteter Ausbildung als selbsterhaltungsfähig zu betrachten.
Die Beklagte wendet ein, aufgrund ihrer Magersucht, die bis Ende 1999 angedauert habe, auch in weiterer Folge nicht in der Lage gewesen zu sein, eine Ausbildung abzuschließen. Nunmehr besuche sie eine Handelsakademie für Berufstätige, wobei sie beabsichtige, nach Absolvierung von zwei Schulstufen eine Ausbildung als Kinderkrankenschwester zu beginnen.
Das Erstgericht erklärte den Unterhaltsanspruch der Beklagten ab Dezember 2004 für erloschen. Trotz guter intellektueller Begabung habe die Beklagte nach Konsolidierung ihrer körperlichen und psychischen Verfassung spätestens Ende 2001 mit Ausnahme eines zweimonatigen Computerkurses keine Ausbildung abgeschlossen und sich auch nicht bemüht, eine Arbeitsstelle zu erhalten. Dass die Beklagte, die jedenfalls Ende 2001 eine Berufsvorstellung (Kindergärtnerin) gehabt habe, krankheits- oder entwicklungsbedingt nicht in der Lage gewesen wäre, zielstrebig diese oder eine andere Ausbildung zu absolvieren oder zu arbeiten, habe von der diesbezüglich behauptungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht bewiesen werden können. Das Berufungsgericht bestätigte die Klagestattgebung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil auch die Auffassung vertreten werden könne, dass der Beklagten bei zielgerichtetem Verfolgen ihrer derzeitigen Ausbildungsvorstellungen eine „letzte Chance" einzuräumen sei, wofür der sich in gehobenen finanziellen Verhältnissen befindliche Vater Unterhalt zu leisten habe. Nach Ansicht des Berufungsgerichts könne aber nicht einmal der derzeitige Schulbesuch als zielgerichtet betrachtet werden, weil die Beklagte gar nicht beabsichtige, die Handelsakademie abzuschließen, sondern ein anderes Ausbildungsziel, nämlich Kinderkrankenschwester, vor Augen habe. Der Beklagten müsse das vom Kläger bewiesene Ausbildungsscheitern als Verschulden angerechnet werden, sie sei daher als selbsterhaltungsfähig anzusehen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Oppositionsklagebegehrens anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
Die Revisionswerberin vermag keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst, ist sein Verfahren mangelhaft (stRsp; RIS-Justiz RS0043371). Vom Berufungsgericht bereits verneinte Verfahrensmängel (unterlassener Sachverständigenbeweis) können in der Revision nicht erfolgreich erneut geltend gemacht werden (stRsp; RIS-Justiz RS0042963). Der - dem Pflichtschulalter entwachsene, aber objektiv nicht selbsterhaltungsfähige - Unterhaltsberechtigte kann seinen Unterhaltsansprüchen wegen (fiktiver) Selbsterhaltungsfähigkeit nur dann verlieren, wenn er arbeits- und ausbildungsunwillig ist, ohne dass ihm krankheits- oder entwicklungsbedingt die Fähigkeit fehlte, für sich selbst aufzukommen (4 Ob 13/01t = EvBl 2001/117 = ÖA 2002, 31 mwN). Ob ein Kind seinen Unterhaltsanspruch verliert, wenn es seine Berufsausbildung nicht zielstrebig betreibt, kann nach der insoweit einhelligen Rsp zweitinstanzlicher Gerichte nur nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden (RIS-Justiz RS0008857). Die Bedeutung dieser Entscheidung geht daher - von einer hier nicht vorliegenden im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmenden Fehlbeurteilung abgesehen - nicht über den Einzelfall hinaus. Die Revision ist zurückzuweisen.
Dem Kläger waren Kosten für seine Revisionsbeantwortung nicht zuzuerkennen, weil er auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision nicht hingewiesen hat.
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