Spruch:
Nur die durch gerichtliches Erkenntnis begrundete Dienstbarkeit des Notweges kann im außerstreitigen Verfahren nach § 24 NotwegeG. aufgehoben werden.
Entscheidung vom 14. April 1961, 3 Ob 111/61.
I. Instanz: Bezirksgericht Mauerkirchen; II. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis.
Text
Der Antragsteller ist Eigentümer der Liegenschaft EZ. 40 KG. S. mit den Grundstücken 12/3 Wald, 12/4 Wald, 32 Bauarea und 12/5 Wiese. Im Lastenblatt des Grundbuches dieser Liegenschaft ist auf Grund des Vergleiches des Bezirksgerichtes Mauerkirchen vom 1. April 1920, Nc I 57/20.2, des Urteiles vom 28. September 1920, C 94/20 -5, und der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 13. April 1921, Ob I 214/21-1, samt Plan die Dienstbarkeit des Notweges über die Parzelle 12/4 Wald zugunsten der jeweiligen Besitzer der Häuser Nr. 5, 6, 7 und 8 zu S. hier als dem dienenden Gut einverleibt. Diese Dienstbarkeit ist in den Gutsbestandsblättern der EZ. 47, 48, 49 und 50 KG. W. als herrschender Güter ersichtlich gemacht.
Der Antragsteller beantragt die Aufhebung der auf Grund des Vergleiches vom 1. April 1920, Nc I 57/20-2, in EZ. 40 KG. S. zugunsten der jeweiligen Besitzer der genannten Liegenschaften über die Parzelle 12/4 Wald einverleibten Dienstbarkeit des Notweges.
Das Erstgericht gab diesem Antrag nach Durchführung eines außerstreitigen Verfahrens gemäß § 24 NotwegeG. statt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner statt, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies den Antragsteller mit seinem Antrag auf Aufhebung des Notweges über die Parzelle 12/4 Wald der EZ. 40 KG. S. auf den Rechtsweg.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragstellers nicht Folge und bestätigte den angefochtenen Beschluß mit der Maßgabe, daß der Antrag zurückgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Notwegegesetz sieht unter den im Gesetz angeführten Voraussetzungen und nach einem genau geregelten Verfahren die gerichtliche Einräumung eines Notweges, des nach § 3 des Gesetzes in der Servitut des Fußsteiges, des Viehtriebes oder des Fahrweges oder in der Erweiterung solcher bereits bestehender Wegerechte besteht, und allenfalls auch eine angemessene Entschädigung des Eigentümers der belasteten Liegenschaft in einem Kapitalsbetrag durch gerichtliches Erkenntnis im Verfahren außer Streitsachen vor. Das Betreten des ordentlichen Rechtsweges zur Geltendmachung von Ansprüchen, über welche in dem durch das Notwegegesetz geregelten Verfahren zu entscheiden ist, ist unzulässig. Nach § 24 des Gesetzes hat das Gericht auf Ansuchen der einen oder anderen Partei, wenn eine auf Grund dieses Gesetzes eingeräumte Notwegeservitut in der Folge entbehrlich wird, nach vorgenommener Prüfung der Sachlage hierüber ein Erkenntnis zu fällen und mit sorgfältiger Bedachtnahme auf alle maßgebenden Verhältnisse nach Billigkeit zu bestimmen, ob dem Eigentümer des herrschenden Gutes ein Teil des seinerzeit entrichteten Entschädigungskapitals und in welcher Höhe von dem Eigentümer der diesbezüglichen Liegenschaft zurückzuerstatten sei. In solchen Fällen finden die für das Verfahren wegen Einräumung eines Notweges getroffenen Bestimmungen sinngemäße Anwendung.
Ob daher im vorliegenden Fall über die vom Antragsteller beantragte Aufhebung der Dienstbarkeit des Notweges im außerstreitigen Verfahren oder wegen eines allfälligen Erlöschens der Dienstbarkeit im streitigen Verfahren zu entscheiden ist, hängt ausschließlich davon ab, ob die im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit des Notweges im Jahre 1920 auf Grund eines gerichtlichen Erkenntnisses, das rechtsbegrundend ist, oder eines anderen Titels (s. § 480 ABGB.) erfolgt ist. Den Titel für die Eintragung bildet die Vereinbarung vom 1. April 1920 vor dem Bezirksgericht Mauerkirchen, Nc I 57/20-2. Danach räumten alle Beteiligten den jeweiligen Eigentümern der EZ. 47, 48, 49 und 50 GB. W. die Dienstbarkeit des Fahrtrechtes von und zu ihren Häusern über die Parzellen 748/4, 748/5, 735/1, 735/2, 726 KG. W., sohin über das abzutretende Eck der Parzelle 18 KG. S., dann 17/4 und 17/5 quer über die öffentliche Wegparzelle 146 KG. S. über die (damals noch ungeteilte) Parzelle 12/3 KG. S. zur öffentlichen Wegparzelle 15/4 KG. S. ein und bewilligten die grundbücherliche Einverleibung dieses Fahrtrechtes bei den einzelnen Liegenschaften EZ. 47, 48, 49, 50 KG. W. und der EZ. 8 KG. S. als dienendem Gut bzw. die Ersichtlichmachung bei den genannten Einlagen als herrschendem Gut. Den Titel für die Eintragung der Dienstbarkeit des Notweges, richtig des Fahrweges, in der EZ. 40 KG. S. über die durch Teilung entstandene Parzelle 12/4 Wald bildet nach der Urkunde daher ein Vertrag, der vor dem Bezirksgericht Mauerkirchen zwischen den Erschienenen zustande gekommen und vom Gericht protokolliert worden war, nicht aber ein gerichtliches Erkenntnis, durch das die Dienstbarkeit des Notweges begrundet wurde. Es ist dabei ohne rechtliche Bedeutung, ob die Erschienenen damals darüber einig waren, daß das Ansuchen um Einräumung eines Notweges im Sinne des Notwegegesetzes gerechtfertigt war oder nicht. Eine gerichtliche Entscheidung hierüber liegt jedenfalls nicht vor. Daß die Eltern des Antragstellers seinerzeit wegen Nichteinhaltung des Vergleiches (Vertrages) geklagt wurden, ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Erkenntnis des Außerstreitrichters im Sinne des Notwegegesetzes als Titel für die grundbücherliche Eintragung vorliegt oder nicht, ohne rechtliche Bedeutung.
Da demnach die im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit des Notweges nicht auf einem gerichtlichen Erkenntnis beruht, sondern auf der vertraglichen Einräumung der Dienstbarkeit des Fahrtrechtes (Notweges), ist eine Entscheidung über die Aufhebung nach § 24 NotwegeG. nicht möglich und nicht zulässig. Über diesen Antrag kann nicht im Außerstreitverfahren, sondern nur im Streitverfahren entschieden werden. Voraussetzung für einen Erfolg im Streitverfahren würde allerdings der Nachweis des Erlöschens der Dienstbarkeit des Fahrweges über die Parzelle 12/4 Wald sein (vgl. Klang 2. Aufl. II 608; Stubenrauch, Kommentar zum ABGB., 8. Aufl. I S. 736; Unger, System des österreichischen allgemeinen Privatrechtes, 5. Aufl. I S. 491 Anm. 8; Ehrenzweig 2. Aufl. I/2 S. 347, 310 und 350; JBl. 1934 S. 368, EvBl. 1950 Nr. 501).
Dem Revisionsrekurs konnte aus den angeführten Gründen nicht Folge gegeben werden. Der Spruch der Rekursentscheidung mußte jedoch wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens von der Verweisung des Antrages auf den Rechtsweg in eine Zurückweisung des Antrages richtiggestellt werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)