European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00110.15W.0715.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Das Erstgericht übertrug die bis dahin gemeinsame Obsorge für den Minderjährigen auf Antrag des Vaters diesem allein und wies den gegenläufigen Antrag der Mutter, ihr die alleinige Obsorge zuzuweisen, ab. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Mutter keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
1. Ein im Rekurs gerügter und vom Rekursgericht verneinter Verfahrensmangel (hier: Nichtanhörung des 2002 geborenen Minderjährigen) kann im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden, es sei denn, eine Durchbrechung dieses Grundsatzes wäre aus Gründen des Kindeswohls erforderlich (RIS‑Justiz RS0050037 [T4, T11]; RS0030748 [T2, T5]).
Letzteres ist aus folgenden Gründen zu verneinen:
Die Mutter hat das in dem von den Eltern am 18. 4. 2013 vor dem Erstgericht geschlossenen Vergleich detailliert geregelte Kontaktrecht des Vaters praktisch von Anfang an vereitelt; sie ließ sich davon auch durch die Verhängung von Beugestrafen durch das Erstgericht nicht abhalten; letztlich hat sie sogar ‑ statt durch Befolgung der (wiederholten) Ladung durch die Sachverständige zur Befundaufnahme an der Erstattung des von ihr selbst beantragten ergänzenden Sachverständigengutachtens mitzuwirken ‑ das Kind zweimal ohne Rücksicht auf das laufende Schuljahr jeweils für mehrere Monate ins Ausland (ihr Heimatland) verbracht, ohne dem Erstgericht ihre aktuelle Anschrift bekannt zu geben; dabei konnte sie jeweils erst durch Entscheidungen nach dem HKÜ (beim ersten Mal allerdings trotz Abnahme des Reisepasses des Kindes durch das Erstgericht nur für wenige Wochen) zur Rückkehr nach Österreich bewogen werden. Davon ausgehend ist die Obsorgeentscheidung der Vorinstanzen unter Zugrundelegung des auf der Aktenlage basierenden (während des Auslandsaufenthalts des Kindes erstatteten) Ergänzungsgutachtens nicht zu beanstanden.
2. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil bei Gegenüberstellung der Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände die Obsorge für das Kind übertragen werden soll, ist immer eine solche des Einzelfalls, der keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt, sofern dabei auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde (RIS‑Justiz RS0007101 [T1 bis T3, T8]). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, das Kindeswohl wäre durch eine weitere (Mit‑)Obsorge der Mutter gefährdet, stellt unter Berücksichtigung der gesamten Umstände keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
Der von der Revisionsrekurswerberin ins Treffen geführte Umstand, dass der Vater „seine Obsorgerechte aufgegeben“ habe (gemeint: indem er der vom Kinder- und Jugendhilfeträger aufgrund des Verhaltens der Mutter und der massiven psychischen Belastung des Kindes angeordneten vorläufigen Unterbringung des Minderjährigen in einem Krisenzentrum zustimmte), zeugt ‑ ganz im Gegenteil ‑ vom Verantwortungsbewusstsein des Vaters, dem offensichtlich am Kindeswohl gelegen ist. Demgegenüber hat die Mutter durch ihr gesamtes Verhalten während des Pflegschaftsverfahrens eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie ihre eigenen Interessen über jene des Kindes stellt, nicht gewillt ist, gerichtliche Anordnungen zu befolgen oder auch sich an von ihr gemachte Zusagen zu halten, und nicht einmal davor zurückschreckt, das Kind massiv zu manipulieren, sodass es derzeit jeglichen Kontakt zum Vater, zu dem es bis zur Unterbindung der Kontakte durch die Mutter eine enge und vertrauensvolle Beziehung hatte, vehement ablehnt.
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