Spruch:
Ein Vertrag, mit welchem ein Steinbruch zur Gewinnung von Schotter und Steinen und zum Verkauf dieser Erzeugnisse auf bestimmte Dauer gegen ein bestimmtes Entgelt überlassen und eine Betriebspflicht vereinbart wird, enthält die wesentlichsten Elemente eines Pachtvertrages; auf ihn sind die Bestimmungen des § 1118 ABGB. anwendbar.
Entscheidung vom 14. März 1951, 3 Ob 109/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Gastein; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Der Kläger, vertreten durch den öffentlichen Verwalter, und die Beklagte schlossen am 21. Feber 1947 einen als Pachtvertrag bezeichneten, vom Amte der Salzburger Landesregierung, Abteilung Vermögenssicherung, genehmigten Vertrag, mit welchem der Steinbruch K. samt Inventar und Maschinen und allen zur Liegenschaft gehörigen Grundstücken der Beklagten zum Zwecke der Gewinnung und zum Verkauf von Schotter und Steinen gegen einen im Vertrage näher bezeichneten Pachtzins überlassen wurde. Der Vertrag trat am 1. März 1947 in Kraft und wurde auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen. Nach § 2 des Vertrages ist dieser seitens des Verpächters vorzeitig halbjährig kundbar, wenn eine der nachstehend angeführten Vertragsbedingungen durch die Pächterin nicht erfüllt wird. Im § 5 wurde vereinbart, daß die Pächterin den Betrieb ordnungsgemäß zu führen habe, im § 9 verpflichtete sich die Pächterin, den laufenden Bedarf des Straßenbauamtes in St. J. zu befriedigen und dessen Aufträge in erster Linie zu berücksichtigen.
Der Kläger begehrt nun in der am 6. Mai 1950 eingebrachten Klage, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm die Liegenschaft samt allem rechtlichen und tatsächlichen Inventar geräumt zu übergeben, mit der Begründung, die Beklagte habe sich schwere Verletzungen ihrer im Pachtvertrag übernommenen Verpflichtungen zuschulden kommen lassen und habe einen äußerst nachteiligen Gebrauch von der gepachteten Liegenschaft gemacht, weshalb auch das Amt der Salzburger Landesregierung die Genehmigung des Pachtvertrages widerrufen habe.
Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß der im Zeitpunkt der Verpachtung im schlechten Zustande befindliche Betrieb von der Beklagten nicht in Ordnung gebracht und in keiner Weise rationell gestaltet und konkurrenzfähig gemacht worden sei, daß die von der Beklagten angewendeten Arbeitsmethoden mittelalterlich seien, die Abraumarbeiten äußerst mangelhaft durchgeführt würden, weshalb sich an der Abraumschicht öfters kopfgroße Steine lösten, herunterfielen und die Arbeiter gefährdeten, daß der vom Arbeitsinspektorat angeordnete terrassenförmige Abbau nicht durchgeführt, die Sicherheit der Arbeiter gefährdet werde und diese schon mehrmals infolge der ungenügenden Sicherheitsmaßnahmen verletzt wurden, daß zu wenig Arbeiter im Betriebe und besonders zu wenig an der Abraumschicht tätig seien, daß der Beklagten schon durch zwei Jahre vom Arbeitsinspektorate Vorschreibungen gemacht worden seien, die in keiner Weise eingehalten würden, weshalb das Arbeitsinspektorat die Steingewinnung überhaupt untersagt habe. Obwohl seit dem Jahre 1950 seitens des Arbeitsinspektorates nur mehr Sicherheitssprengungen erlaubt, hingegen Sprengungen zur produktiven Steingewinnung verboten seien, sei dieses Verbot übertreten und seien Sprengungen des kompakten Gesteines vorgenommen worden. Die Halde auf der Steinbruchsohle sei trotz Anordnung des Arbeitsinspektorates nicht abgeräumt und das Straßenbauamt St. J., das von der Beklagten nicht beliefert worden sei, genötigt worden, seinen Bedarf an Steinen anderswo zu decken. Die Baulichkeiten, die zum Steinbruch gehörten, seien sehr vernachlässigt worden, das Dach des Magazins sei eingestürzt, weil der Schnee nicht abgeräumt worden sei, wodurch die im Magazin befindlichen Geräte beschädigt worden seien. Die Verwaltung des Betriebes sei eine derartige, daß ein Einschreiten der Verwaltungsbehörden und Gerichte ständig notwendig sei; die Arbeiter würden nicht befriedigt und müssen ihre Forderungen einklagen, weshalb die Beklagte auch für ihren Betrieb nicht die notwendige Zahl von Arbeitern bekomme. Die Beklagte komme auch ihren durch den Betrieb entstandenen Verpflichtungen nicht nach. Im Hinblick auf alle diese Umstände habe auch die Landesregierung die Vertragsgenehmigung entzogen. Nach Ansicht des Prozeßgerichtes seien die festgestellten Tatsachen als erheblich nachteiliger Gebrauch des Bestandgegenstandes zu werten, der den Kläger zur vorzeitigen Auflösung des Bestandvertrages nach § 1118 ABGB. berechtige, da dieser Vertrag als Abbauvertrag Elemente des Bestandvertrages enthalte.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsmeinung, daß die festgestellten Mängel lediglich eine Verletzung der im Vertrage übernommenen Pflicht zur ordnungsgemäßen Führung des Betriebes darstellten, die den Verpächter gemäß § 2 des Vertrages nur zur vorzeitigen halbjährigen Aufkündigung berechtigten. Durch die Bestimmungen des § 2 des Vertrages hätten die Parteien die Möglichkeit einer sofortigen Vertragsauflösung nach § 1118 ABGB. ausgeschlossen, soweit es sich nicht um Tatbestände handle, die über die im Vertrage festgelegten Verpflichtungen der Parteien hinausgehen. Der Kläger sei daher nur zur Kündigung, nicht aber zur Vertragsauflösung nach § 1118 ABGB. berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es ist den Vorinstanzen beizupflichten, daß der vorliegende Vertrag die wesentlichsten Bestandteile eines Pachtvertrages aufweist, da mit ihm eine - wenn auch nicht unverbrauchbare - Sache gegen ein bestimmtes Entgelt auf eine bestimmte Zeit zum Gebrauch, zur Benützung und Bearbeitung überlassen und eine Betriebspflicht festgelegt wird. Mag auch der Vertrag Elemente anderer Vertragstypen aufweisen, da durch den Abbau des Materials die Substanz angegriffen und dem Verbrauch zugeführt wird, so überwiegen jedenfalls die Merkmale des Bestandvertrages, weshalb auf den Vertrag die Bestimmungen des § 1118 ABGB. anwendbar sind. Es trifft auch die Ansicht des Berufungsgerichtes zu, daß die Bestimmungen des § 1118 ABGB. keine zwingende Rechtsvorschrift darstellen und daß auf die Geltendmachung des Rechtes auf Vertragsauflösung nach dieser Gesetzesnovelle verzichtet werden kann oder die Folgen der in dieser Gesetzesstelle angeführten Auflösungstatbestände anders geregelt werden können (GlUNF. Nr. 4593 und andere mehr). Es kann aber die Vereinbarung einer ordnungsgemäßen Führung des Betriebes nur als die Vereinbarung der Betriebspflicht angesehen werden und es läßt sich aus dem vorgelegten Vertrage und aus dem beiderseitigen Vorbringen der Parteien keineswegs entnehmen, daß auch ein erheblich nachteiliger Gebrauch der Bestandsache nur als Kündigungsgrund geltend gemacht werden könne und den Verpächter nicht zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages nach § 1118 ABGB. berechtige. Selbst wenn daher die vom Erstgericht festgestellte unrationelle Führung des Betriebes, die Beschäftigung einer zu geringen Zahl von Arbeitern und der Mangel von Vorrichtungen, die unzeitgemäße Arbeitsmethode, die Unterlassung der Bezahlung der Arbeitslöhne und die Nichterfüllung der aus dem Betrieb entstandenen Obliegenheiten sich noch dem Begriffe der nichtordnungsgemäßen Betriebsführung unterstellen lassen, so gilt dies nicht für die übrigen vom Erstgericht festgestellten Unzukömmlichkeiten, wie Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Menschen durch äußerst mangelhafte Durchführung der Abraumarbeiten, beharrliche Nichterfüllung der vom Arbeitsinspektorat erteilten Sicherungsaufträge, für die verbotswidrige Vornahme von Sprengungen und vor allem für die arge Vernachlässigung der zum Betriebe gehörigen Baulichkeiten und für die Unterlassung von Schneeabräumung, durch die das Magazin und die in diesem verwahrten Geräte beschädigt wurden. Insbesondere die letztgenannten Tatsachen, die eine Beschädigung des Zubehörs des Bestandgegenstandes zur Folge hatten, stellen einen erheblich nachteiligen Gebrauch der Bestandsache dar, der entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht bloß als Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Führung des Betriebes anzusehen ist, die im Vertrag als Kündigungsgrund festgelegt wurde, sondern den Verpächter zur Auflösung des Vertrages nach § 1118 ABGB. berechtigt.
Da das Berufungsgericht, von seiner unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, zu den in der Berufung der Beklagten geltendgemachten Berufungsgrunden der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Beweiswürdigung nicht Stellung genommen hat, ist dem Obersten Gerichtshof eine Entscheidung in der Sache selbst nicht möglich.
Es war daher, da sich die Revision als begrundet erweist, dieser Folge zu geben, das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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