Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 11.430,-- S (hierin enthalten 1.905,-- S an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Aufgrund des vollstreckbaren Teilanerkenntnisurteils des Handelsgerichtes Wien vom 22. April 1996 ist der Kläger schuldig, ab sofort die Behauptung zu unterlassen, es sei "im klösterlichen Tier-KZ auch ein klösterlicher Zuchtstier". Aufgrund dieses Titels bewilligte das Bezirksgericht Neulengbach mit Beschluss vom 24. 6. 1997 der beklagten (betreibenden) Partei die Exekution zur Erwirkung der Unterlassung der Behauptung, es sei im klösterlichen Tier-KZ auch ein klösterlicher Zuchtstier", und verhängte über die klagende (verpflichtete) Partei eine Geldstrafe; weiters bewilligte es zur Hereinbringung der Antragskosten die Fahrnisexekution. Dem Exekutionsantrag lag die Behauptung der Beklagten zugrunde, der Kläger habe anlässlich einer Demonstration am 28. 11. 1996 vor dem Handelsgericht Wien Flugblätter, auf die sich das Teilanerkenntnisurteil bezog, verteilt.
Der Kläger begehrte mit seiner Impugnationsklage, die Exekution für unzulässig zu erklären und den Strafbeschluss aufzuheben. Dazu brachte er vor, ein Zuwiderhandeln gegen das Unterlassungsgebot und insbesondere eine Verteilung entsprechender Flugblätter habe nicht stattgefunden. Vielmehr habe ein Vereinsmitarbeiter des Klägers einige Restexemplare des inkriminierten Flugblattes in seiner Mappe mit den Prozessunterlagen (Prozessgegenstand vor dem Handelsgericht Wien sei ja eben dieses Flugblatt gewesen) mitgeführt. Aus dieser Mappe seien, als sie der Mitarbeiter für das Pressefoto kurz weggelegt habe, einige Zettel herausgerutscht und am Boden zu liegen gekommen, wo sie von dem zufällig gerade das Gerichtsgebäude verlassenden Beklagtenvertreter aufgelesen worden wären. Die Blätter seien aus einer Mappe herausgefallen und vom Wind über den Gehsteig verteilt worden. Der Geschäftsführer des Klägers habe diese Blätter nicht eingesammelt, sondern aufgehoben, um zu sehen, worum es sich dabei handle (zumal der Beklagtenvertreter solches Interesse an diesen Blättern gezeigt habe).
Die Beklagte bestritt und wandte ein, dass zur fraglichen Zeit etwa 15 Flugblätter auf dem Gehsteig vor dem Handelsgericht Wien gelegen seien und aufgrund der Lage der Flugblätter (ungefähr auf eine Strecke von 15 m verteilt und verstreut) absolut nicht der Eindruck bestanden habe, dass diese aus der Tasche herausgerutscht sein könnten. Der Beklagtenvertreter habe darüber unverzüglich einen Aktenvermerk angelegt und festgestellt, dass offensichtlich ein Zuwiderhandeln vorgelegen sei, zumal der Geschäftsführer des Klägers dann angesichts der Intervention des Beklagtenvertreters die restlichen Blätter eingesammelt habe. Die Behauptung des Klägers, man habe ca. 15 Stück der Flugzettel zur Vorbereitung der Verhandlung gebraucht, stelle aus mehreren Gründen eine reine Schutzbehauptung dar.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte fest:
Anlässlich der Verhandlung, die im Zuge des zwischen den Parteien anhängigen Prozesses am 28. 11. 1996 vor dem Handelsgericht Wien durchgeführt wurde, fand vor diesem Gericht eine Demonstration von Mitgliedern des Klägers statt. Vor der Verhandlung überreichte der Geschäftsführer des Klägers einem Vereinsmitarbeiter eine Mappe mit Prozessunterlagen. In dieser Mappe befanden sich auch Exemplare des Flugblattes, auf dem sich unter anderem auch die Behauptung, es sei "im klösterlichen Tier-KZ auch ein klösterlicher Zuchtstier", befand. Der Mitarbeiter hielt die Mappe mit den Unterlagen während der Demonstration nicht die ganze Zeit über in der Hand, sondern legte sie auf die Stufen vor dem Handelsgericht Wien. Während dieser Demonstration wurden die Flugzettel nicht verteilt. Als die Prozessparteien und deren Anwälte das Gerichtsgebäude verließen, lagen ca 10 bis 15 Flugzettel vor dem Gebäude auf dem Gehsteig verstreut auf eine Strecke von 10 bis 15 Metern. Der Beklagtenvertreter hob einen dieser Flugzettel auf. Der Geschäftsführer des Klägers sammelte die übrigen Flugzettel von der Straße ein. Wie die Flugzettel auf den Gehsteig gelangten, kann nicht festgestellt werden. Gegenstand der Verhandlung vom 28. 11. 1996 war auch das gegenständliche Flugblatt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, für die Bewilligung einer Exekution nach § 355 EO genüge die Behauptung, der Verpflichtete habe dem im Exekutionstitel erteilten Auftrag oder Verbot zuwidergehandelt. Dem Verpflichteten bleibe es vorbehalten, das Nichtvorhandensein der Voraussetzungen für den Bewilligungsbeschluss mit Klage nach § 36 EO geltend zu machen. Grund für eine Exekution nach § 355 EO könne nur ein Verhalten bilden, das schuldhaft, also zumindest fahrlässig, gesetzt worden sei. Im Impugnationsstreit treffe den Beklagen die Beweislast für die behauptete Zuwiderhandlung des Klägers gegen ein Unterlassungsgebot. Fest stehe lediglich, dass das Flugblatt, dessen Verbreitung der klagenden Partei aufgrund des Teilanerkenntnisurteiles untersagt war, auf dem Gehsteig vor dem Handelsgericht Wien zu liegen gekommen sei. Fest stehe weiters, dass die klagende Partei dieses nicht verteilt habe. Da das Flugblatt noch Gegenstand der Verhandlung des Verfahrens vor dem Handelsgericht Wien gewesen sei, stelle es auch kein fahrlässiges Verhalten seitens der klagenden Partei dar, dieses bei den Unterlagen mitzuführen. Der beklagten Partei sei es somit nicht gelungen, ein fahrlässiges Zuwiderhandeln der klagenden Partei im Sinne des § 355 EO nachzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung von der Beklagten erhobenen Berufung Folge, wies das Klagebegehren ab und führte aus, dass der Annahme von der objektiven Seite her beizupflichten sei, dass ein (fahrlässiges) Ausstreuen der inkriminierten Flugblättern auf öffentlichem Straßengrund (Gehsteig vor dem Gebäude des Handelsgerichtes Wien) an sich dem urteilsmäßigen Unterlassungsgebot widerstreite. Wenn nämlich der Exekutionstitel das Aufstellen einer bestimmten Behauptung verbiete, so umfasse dies auch entsprechende Aussagen in Katalogen und Flugblättern. Da nun grundsätzlich derjenige eine Tatsache verbreite, der ursächlich (mitursächlich) dafür sei, dass diese einem größeren Kreis von Menschen bekannt werde, bedürfe es auch keiner gezielten, organisierten Verteilung von Flugblättern, sonder genüge zB ein wahl- oder zielloses Ausstreuen in der Öffentlichkeit dergestalt, dass das Publikum auf einfache Weise (nämlich durch Aufheben) von den Texten und ihrem Inhalt Kenntnis nehmen könne. Wenn also ca 10 bis 15 der beanstandeten Flugzettel verstreut auf einer Strecke von 10 bis 15 Meter vor dem Gebäude des Handelsgerichtes Wien auf dem Gehsteig gelegen seien und zB der Beklagtenvertreter auf diese Flugzettel aufmerksam geworden sei, so erreiche das "Ausstreuen" eben eine solche Intensität, dass bereits von einer Behauptung bzw einem Verbreiten gesprochen werden müsse. Demnach habe die Berufungswerberin die objektive Tatbestandsseite eines Zuwiderhandelns des Klägers nachgewiesen. Dass dem Kläger eine Einflussnahme auf seine Repräsentanten bzw Mitarbeiter, die diese Flugblätter in einer Mappe mit Prozessunterlagen mit sich geführt hätten, im konkreten Fall nicht möglich gewesen sei, habe der Verpflichtete als Kläger im Verfahren nach § 36 EO zu beweisen.
(Die gleiche Beweislastregel gelte für den Einwand der mangelnden Erklärungsfahrlässigkeit. Da die österreichische Lehre unter Berufung auf die "objektive Fassung" der §§ 863, 871 ABGB überwiegend der Auffassung sei, dass der Mangel des Erklärungsbewusstseins die Wirksamkeit der Willenserklärung nicht hindere, obliege dem Äußernden die Behauptung und der Beweis dahin, dass er den Erklärungstatbestand nicht adäquat verursacht habe und dass er nicht vermeiden oder verhindern hätte können, dass die Erklärung von gutgläubigen Dritten als Willenserklärung angesehen werde. Diesen - sinngemäß auch für die gegenständliche Erklärung geltenden - Beweis hätte der Kläger jedoch nicht erbringen können, weil sich die Flugblattexemplare zunächst in "seiner" Gewahrsame in einer Mappe befunden hätten und dann aus ungeklärter Ursache verstreut auf den Gehsteig gelangt seien. Im Übrigen sei dem Standpunkt der Berufungswerberin noch darin beizupflichten, dass gerade hinsichtlich einer Mappe, die neben anderen Prozessunterlagen auch etliche Exemplare des bereits gerichtlich abgeurteilten Flugblattes enthalten hätte, von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen ein besonders sorgfältiger Umgang gefordert hätte werden können (§ 1297 ABGB).
Das Berufungsgericht sah die ordentliche Revision als zulässig an, weil nach seiner Ansicht zur Problematik der Erklärungsfahrlässigkeit beim Umgang mit Flugblättern - soweit überblickbar - noch keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege und dieser Frage angesichts des ständig zunehmenden wirtschaftlichen Wettbewerbs doch eine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Bedeutung zukomme.
Die gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass die vom Rechtsvertreter der Beklagten beim Verlassen des Gerichtsgebäudes des Handelsgerichtes Wien vorgefundenen, vom Erstgericht festgestellten Umstände die objektive Verwirklichung eines Titelverstoßes bedeuteten, lagen doch im Angesicht einer dort stattfindenden Demonstration von Tierschützern 10 bis 15 mit dem titelwidrigen Inhalt versehene Flugblätter auf einer Strecke von 10 bis 15 m "verstreut" auf dem Gehsteig, womit für jedermann Gelegenheit zur Kenntnisnahme vom Inhalt des Flugblattes bestand. Mit diesem Beweis endete aber die dem Impugnationsbeklagten (Betreibenden) auferlegte Beweislast; ihm oblag nicht mehr der strikte Nachweis eines Verschuldens (der Leute) des Klägers. Vielmehr war dieser (die verpflichtete Partei) schon wegen des objektiven Verstoßes gegen den Unterlassungstitel - ein "Schutzgesetz" iS des § 1311 ABGB (s hiezu Reischauer in Rummel2 Rz 4 zu § 1311; Harrer in Schwimann2 Rz 7 zu § 1311 je mwN) - mit dem Beweis seiner Schuldlosigkeit (am Titelverstoß) belastet (Klicka in Angst, EO Rz 22 zu § 355; Höllwarth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO Rz 61 zu § 355 mwN; Harrer in Schwimann2 Rz 20 zu § 1298 mwN). Diesen Nachweis hat der Kläger nicht erbracht. Dabei geht es zu seinen Lasten, dass nicht festgestellt werden konnte, wie die Flugzettel auf den Gehsteig gelangten.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des zweitinstanzlichen Urteils.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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