Spruch:
Hat der geschädigte italienische Staatsbürger die Klage zuerst in Italien erhoben, so wird dadurch die Verjährung (hier zwei Jahre) unterbrochen. Nach Rechtskraft der Entscheidung durch die italienischen Gerichte beginnt die zweijährige Verjährung neu. Die innerhalb zweier Jahre im Inland erhobene Klage verhindert die Verjährung der Schadenersatzansprüche.
Entscheidung vom 23. Juni 1967, 2 Ob 97, 98/67.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Begründung:
Der Kläger hat in der Klage behauptet, daß er am 26. August 1958 auf der Nationalstraße zwischen B. und M. mit einem Fahrrad gefahren sei und vom Beklagten, der mit einem PKW. in derselben Richtung fuhr, niedergestoßen worden sei, als er nach links in einen Privatweg einbiegen wollte. Er habe bereits bei dem zuständigen Gericht in Bozen einen Schadenersatzprozeß gegen den Beklagten geführt. Es sei eine Minderung seiner Arbeitsfähigkeit mit 45% festgestellt und der Beklagte zur Zahlung von 1.017.750 Lire an ihn verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hätten er und der Beklagte berufen. Der Appellationsgerichtshof habe entschieden, daß beide das gleichteilige Verschulden treffe und der Beklagte verpflichtet sei, ihm die Hälfte der mit 1.374.500 Lire festgestellten Schadenssumme, somit 687.250 Lire, und die Prozeßkosten von 290.617 Lire zu bezahlen. Nach italienischem Recht sei eine Verjährung von zwei Jahren anzunehmen. Innerhalb dieses Zeitraumes habe er die Klage in Italien eingebracht. Diese sei auch dem Beklagten am 8. Oktober 1959 zugestellt worden. Vom Urteil zweiter Instanz beginne die zehnjährige Verjährung. Die vorliegende Klage sei daher ebenfalls vor Ablauf dieser Verjährungsfrist erhoben worden.
Da das italienische Urteil in Österreich nicht vollstreckbar sei, sei er genötigt, die Klage gegen den Beklagten auch in Österreich zu erheben. Er begehre daher die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des ihm durch das italienische Gericht zugesprochenen Schadensbetrages von 687.250 Lire zuzüglich der Prozeßkosten von 290.617 Lire, insgesamt somit von 977.867 Lire.
Der Beklagte hat bestritten, Klagsabweisung begehrt und neben Verjährung eingewendet, daß die Entscheidung der italienischen Gerichte für das inländische Gericht nicht bindend sei. Das Verfahren müsse daher neu durchgeführt werden. Er anerkenne die Entscheidung der italienischen Gerichte nicht. Ihn treffe am Unfall kein Verschulden. Der Kläger sei plötzlich und unvermutet, als er ihn überholen wollte, ohne irgendein Zeichen zu geben, nach links in seine (des Beklagten) Fahrbahn hinein abgebogen. Der Kläger habe dem Verkehr keine Beachtung geschenkt und habe außerdem in der rechten Hand einen Apfel gehalten und davon gegessen.
Auf keinen Fall seien dem Kläger aber die ausländischen Prozeßkosten von ihm zu ersetzen, weil diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen seien. Der Kläger habe gewußt, daß das Urteil der italienischen Gerichte in Österreich nicht vollstreckbar sei.
Demgegenüber hat der Kläger geltend gemacht, daß die Ergebnisse des Verfahrens vor den italienischen Gerichten nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu berücksichtigen seien. Der Beklagte habe sich in Italien auf den Prozeß eingelassen, der nach österreichischen Verfahrensgrundsätzen geführt worden sei. Der Beklagte habe nicht bestritten, entgegen der Vorschrift des Art. 30 des italienischen Verkehrsrechtes kein Signal gegeben zu haben. Dem stehe sein eigenes fehlerhaftes Verhalten entgegen, daß er nicht oder nicht rechtzeitig ein Handzeichen gegeben habe. Schon auf Grund dieser unbestrittenen Tatsachen sei die Verschuldensteilung im Verhältnis 1:1 gerechtfertigt. Auch die Höhe seiner Ansprüche sei durch die italienischen Gerichte in einwandfreier Weise und nach den Erfahrungsgrundsätzen, welche durch das österreichische Gericht nur schwer überprüfbar seien, festgestellt worden.
Das Erstgericht hat dem Kläger aufgetragen, verschiedene Prozeßunterlagen aus den italienischen Gerichtsakten vorzulegen. Es hat überdies beschlossen, u. a. auch die beim Unfall anwesende Zeugin Herta K. und die beiden Parteien zu vernehmen, ein ärztliches Gutachten einzuholen und auch in die Reparaturrechnungen Einsicht zu nehmen.
Das Erstgericht hat durch das Bundesministerium für Justiz eine Auskunft über die einschlägigen italienischen Gesetzesbestimmungen vom italienischen Ministerium für Gnadensachen und Justiz in Rom einholen lassen. Es hat Zeugen und die den Kläger behandelnden Ärzte im Rechtshilfeweg in Italien vernehmen lassen, hat aber von den Parteien nur den Kläger vernehmen lassen und die beschlossene Vernehmung der Zeugin K. und des Beklagten nicht durchgeführt.
Das Erstgericht hat mit Beschluß entschieden, daß das Vorbringen des Beklagten in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. November 1966 bezüglich der eingewendeten Gegenforderung gemäß § 179 ZPO. unstatthaft sei. Es hat sodann das Urteil gefällt, daß der Beklagte schuldig sei, dem Kläger den eingeklagten Betrag von 977.867 Lire und die Prozeßkosten zu bezahlen.
Das Erstgericht war der Meinung, daß dem Urteil der italienischen Gerichte unter gewissen Voraussetzungen die Wirkung eines Zivilrechtstitels zukomme, der zur Klagsführung vor dem österreichischen Gericht berechtige. Die Voraussetzungen hiefür seien erfüllt. Das italienische zuständige Gericht habe nach den dortigen Prozeßvorschriften rechtskräftig entschieden. Das Urteil verstoße nicht gegen den ordre public, es sei auch kein fundamentaler prozessualer Grundsatz verletzt worden. Außerdem seien die wesentlichen Beweise aufgenommen worden.
Das Verschulden des Beklagten liege darin, daß er zugegebenermaßen den Kläger überholt habe, ohne seine Absicht durch ein akustisches Zeichen anzuzeigen, wie es im Art. 30 der italienischen Verkehrsvorschriften vorgeschrieben sei. Der Kläger habe es unterlassen, seine Absicht, nach links einzubiegen, rechtzeitig durch ein Handzeichen anzuzeigen. Es seien daher beide Parteien in gleicher Weise an dem Unfall schuldtragend. Im übrigen ist das Erstgericht zu denselben Schadensbeträgen gelangt, wie sie von den italienischen Gerichten dem Kläger zugesprochen wurden. Das Erstgericht hat auch den Anspruch des Klägers auf Ersatz der ausländischen Prozeßkosten für gerechtfertigt angesehen, weil das Urteil der italienischen Gerichte einen Zivilrechtstitel begrunde und für das Verfahren von entscheidender Bedeutung gewesen sei. Auch habe sich der Beklagte in den Prozeß im Ausland eingelassen und in zweiter Instanz sogar eine Minderung der Ansprüche des Klägers erreicht.
Das Erstgericht hat eine Verjährung der Ansprüche des Klägers nicht angenommen, weil diese Frage ebenfalls nach italienischem Recht zu beurteilen sei. Durch die rechtzeitige Erhebung der Klage vor dem italienischen Gericht sei die Verjährung unterbrochen worden. Die Klage im Inland sei am 24. Oktober 1964 und innerhalb der zehnjährigen Verjährungszeit des Art. 2953 codice civile erhoben worden. Im übrigen hat sich das Erstgericht auf den Standpunkt gestellt, daß, soweit nicht Beweise aufgenommen wurden, die ausländische Entscheidung nur nachzuprüfen gewesen sei.
Der Beklagte hat gegen das Urteil und den Beschluß Berufung und Rekurs erhoben. Mit seiner Berufung wollte er die Abänderung des erstgerichtlichen Urteiles im Sinne einer Klagsabweisung erreichen. Mit seinem Rekurs hat er den Antrag gestellt, den angefochtenen Beschluß über die Zurückweisung seiner Einwendung einer Gegenforderung aufzuheben, das Vorbringen bezüglich der Gegenforderung zuzulassen und darüber zu entscheiden.
Das Berufungsgericht hat der Berufung Folge gegeben. Es hat das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich des dem Kläger zugesprochenen Prozeßkostenersatzes von 290.617 Lire dahin abgeändert, daß es dieses Begehren mit Teilurteil abgewiesen hat. Im übrigen hat es das angefochtene Urteil und den angefochtenen Beschluß aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, wobei es einen Rechtskraftvorbehalt beigefügt hat.
Das Berufungsgericht hat die Ansicht des Erstgerichtes nicht geteilt, daß das ausländische Urteil die Wirkung eines Zivilrechtstitels habe, der zur Klagsführung in Österreich berechtige und vom österreichischen Gericht lediglich die Voraussetzungen hiefür zu prüfen seien. Das Berufungsgericht war vielmehr der Meinung, daß dem ausländischen Urteil die Wirkung eines Zivilrechtstitels nicht zukomme und daher das Erstgericht verpflichtet gewesen wäre, die Rechtssache ohne Bindung an das ausländische Urteil zu entscheiden. Das Berufungsgericht war weiter der Ansicht, daß das vom Erstgericht zur Feststellung des Unfallsherganges durchgeführte Beweisverfahren mangelhaft geblieben sei, weil die schon beschlossene Vernehmung der Zeugin K. und des Beklagten als Partei unterlassen worden sei. Der hiefür vom Erstgericht angeführte Grund, nämlich der Beklagte habe selbst zugegeben, daß er dem Kläger entgegen der Vorschrift des italienischen Verkehrsrechtes seine Überholabsicht durch ein akustisches Zeichen nicht angezeigt habe und deshalb weitere Vernehmungen nicht notwendig gewesen seien, sei nicht stichhältig. Der Beklagte habe zwar zugegeben, kein akustisches Zeichen gegeben zu haben. Daraus ergebe sich zweifelsfrei ein Verschulden des Beklagten. Um aber das Ausmaß des Verschuldens ermitteln zu können, bedürfe es verläßlicher Feststellungen über den Unfallshergang. Insbesondere sei festzustellen, wann der Beklagte den Kläger erstmalig gesehen habe und ob ein Signal zu diesem Zeitpunkt noch ausgereicht hätte, den Kläger von seinem Abbiegen nach links abzuhalten. Schließlich seien aber gemäß § 376 (2) ZPO. grundsätzlich beide Parteien zu vernehmen, wenn die Parteienvernehmung beschlossen werde. Auch dies sei mit ein Grund für die teilweise Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles, das im übrigen der Höhe nach nicht bekämpft worden sei.
Das Berufungsgericht war auch der Ansicht, daß die Klagsforderungen nicht verjährt seien. Die Frage der Verjährung sei nach italienischem Recht zu beurteilen, ebenso die Frage der Hemmung und der Unterbrechung der Verjährung. Der Kläger habe die Klage innerhalb der zweijährigen Verjährungszeit bei dem Gericht in Bozen bereits im Oktober 1959 eingebracht. Das Urteil des Appellationsgerichtshofes sei im April 1963 rechtskräftig geworden. Die vorliegende Klage sei am 24. Oktober 1964, also innerhalb von zwei Jahren, eingebracht worden.
Bezüglich der ausländischen Prozeßkosten, deren Ersatz der Kläger begehrt hat, hat das Berufungsgericht den Standpunkt eingenommen, daß der Kläger einen Rechtsgrund für diesen Anspruch in der Klage nicht angeführt habe. Da das ausländische Urteil keinen Zivilrechtstitel darstelle, könnten diese Kosten als vorprozessuale Kosten nicht als Teil des Hauptbegehrens geltend gemacht werden. Dieser Aufwand sei aber auch zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 41 ZPO. nicht notwendig gewesen, weil das ausländische Urteil in Österreich nicht vollstreckbar sei. Der Beklagte könne nicht zusätzlich zu den Kosten dieses Verfahrens auch noch die Kosten des ausländischen Gerichtsverfahrens zu tragen haben. In dieser Richtung sei der Anspruch des Klägers bereits im Sinne einer Abweisung des Begehrens entscheidungsreif.
Das Berufungsgericht hat auch dem Rekurs des Beklagten Folge gegeben und den erstgerichtlichen Beschluß aufgehoben, mit welchem die Einwandung einer Gegenforderung für unstatthaft erklärt worden war. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß mit Rücksicht auf den Verlauf des Verfahrens dieser Einwand des Beklagten nicht verspätet erhoben worden sei.
Der Oberste Gerichtshof gab weder den Rekursen beider Parteien noch der Revision des Klägers Folge.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Revision des Klägers:
Der Kläger weist zwar richtig darauf hin, daß er entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes den Ersatz der ihm im Verfahren vor den italienischen Gerichten entstandenen Prozeßkosten aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt habe. Die Abweisung dieses Anspruches des Klägers war jedoch gerechtfertigt. Aus dem Titel des Schadenersatzes könnte der Kläger den Ersatz dieser Prozeßkosten nur begehren, wenn er eine schuldhafte und ihn schädigende Prozeßführung durch den Beklagten nachweisen könnte. In dieser Richtung hat der Kläger weder Behauptungen aufgestellt noch Beweise angeboten. Ob die ausländischen Prozeßkosten als ein Teil der inländischen Prozeßkosten anzusehen sind, ist derzeit nicht zu entscheiden.
Das Berufungsgericht hat somit diesen Anspruch des Klägers mit Recht abgewiesen.
II. Zu den Rekursen bei der Parteien:
Der Beklagte wendet sich gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes mit dem Hinweis darauf, daß die Ansprüche des Klägers verjährt seien und daher die Sache im Sinne einer Abweisung des gesamten Klagebegehrens spruchreif sei.
Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Die Frage nach der Verjährung eines Anspruches ist eine Frage des materiellen Rechtes und nicht des Zivilprozeßrechtes. Sie ist immer nach dem Gesetz (Recht) zu beurteilen, das für das zu entscheidende Rechtsverhältnis maßgebend ist. Nach denselben gesetzlichen Bestimmungen ist auch die Frage der Hemmung und der Unterbrechung der Verjährung zu entscheiden (Walker, IPR.[5] S. 325, Schnitzer, IPR.[4] II. Band S. 668). Im vorliegenden Fall ist daher die Frage, ob die Klagsansprüche verjährt seien, nach italienischem Recht zu beurteilen, nach welchem Recht auch über die Ansprüche des Klägers selbst zu entscheiden ist. Die Auffassung des Beklagten, daß die vom Kläger vor den italienischen Gerichten erhobene Klage die Verjährung seiner Ansprüche nur dann unterbrochen hätte, wenn innerhalb der Verjährungszeit ein Gerichtsstand in Österreich nicht bestanden hätte, sowie daß Verjährung eingetreten sei, weil der Kläger von Anbeginn die Möglichkeit gehabt hätte, die Klage im Inland zu erheben, kann nicht geteilt werden. Der OGH. vermag sich der diese Auffassung stützenden Ansicht Klangs in seinem Kommentar[2], VI 655 f. und Ehrenzweigs (System I/1 S. 315) nicht anzuschließen. Er ist vielmehr mit Matscher, "Über die Nebenwirkungen der Zivilurteile mit besonderer Berücksichtigung der ausländischen Urteile", veröffentlicht in den JBl. 1954 S. 54 ff., der Meinung, daß diese Einschränkung nicht gerechtfertigt ist. Die Entscheidungen des OGH. Slg. 5156 und SZ. XIII 110 sowie die Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien in Ö.AnwZ. 1931 S. 167, auf die sich die Lehre beziehen zu können glaubt, können nicht ausschlaggebend sein, weil sie die Frage der Verjährung nach österreichischem Recht beurteilt und Verjährung aus anderen Gründen, als sie hier vorliegen, nicht angenommen haben. Es kann dem Kläger als italienischem Staatsbürger nicht verwehrt sein, seine Ansprüche wegen eines Unfalles in Italien vor den italienischen Gerichten mittels Klage geltend zu machen, auch wenn dieser Entscheidung die Vollstreckbarkeit in Österreich mangelt. Ist aber eine solche Klage zulässig, dann ist die nach italienischem Recht zu beurteilende Frage der Verjährung dahin zu beantworten, daß durch die Einbringung der Klage vor dem italienischen Gericht die Verjährung unterbrochen wurde. Da nach der rechtskräftigen Entscheidung durch die italienischen Gerichte die Verjährung neu beginnt, ist die vorliegende Klage noch innerhalb der zweijährigen Verjährungsfrist erhoben worden. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht eine Verjährung der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche des Klägers nicht angenommen. Aus diesem Grund ist auch die Sache im Sinne einer Klagsabweisung noch nicht entscheidungsreif, weshalb dem Rekurs des Beklagten kein Erfolg beschieden sein kann.
Der Kläger bekämpft den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes, mit welchem das erstgerichtliche Urteil zum Teil aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurde. Er verweist darauf, daß die vom Berufungsgericht angenommene Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht gegeben sei. Das Berufungsgericht sei der Ansicht gewesen, daß der Beklagte den Unfall mitverschuldet habe. Beweisanträge in der Richtung, welcher Anteil eines Mitverschuldens den Kläger und welcher den Beklagten treffe, seien im Verfahren nicht gestellt worden. Es sei vielmehr vom Erstgericht auf Grund des Art. 2055 codice civile ein gleichteiliges Verschulden angenommen worden. Die Unterlassung der Durchführung von Beweisen, mit welchen der Beweisführer gar nichts rechtlich Relevantes beweisen wollte, könne aber nicht als Verfahrensmangel angesehen werden.
Das Berufungsgericht hat verläßliche Feststellungen über den Unfallshergang in tatsächlicher Hinsicht vermißt. Es hat darauf hingewiesen, daß nicht feststehe, wann der Beklagte den Kläger erstmalig gesehen habe und ob ein Signal seitens des Beklagten zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch ausgereicht hätte, diesen vom Abbiegen nach links abzuhalten. Es war nicht erforderlich, daß die Parteien besondere Beweisanträge zur Frage der Verschuldensteilung stellten, vielmehr hatte das Gericht von sich aus diese Frage zu prüfen. Wenn daher das Berufungsgericht das erstgerichtliche Verfahren in tatsächlicher Hinsicht für mangelhaft hielt und Feststellungen vermißte, die ihm zur Beurteilung des Verschuldensanteiles des Beklagten für notwendig erschienen, so ist diese Auffassung einer Überprüfung durch den OGH. entzogen. Außerdem hat das Berufungsgericht richtig darauf hingewiesen, daß dann, wenn die Parteienvernehmung beschlossen wird, in der Regel beide Parteien zu vernehmen sind. Gegen diesen im § 376 (2) ZPO. enthaltenen Grundsatz hat das Erstgericht verstoßen, indem es zwar den Kläger im Rechtshilfeweg vernehmen ließ, den Beklagten aber nicht vernommen hat. Ebenso hat es die Vernehmung der Zeugin K. für notwendig erachtet, weil diese im Kraftwagen des Beklagten mitgefahren ist, den Unfall mitgemacht hat und daher von ihrer Aussage eine weitere Aufklärung des Unfalles erwartet werden konnte. Bei der Beurteilung des Ausmaßes des Verschuldens des Beklagten kommt es nicht nur darauf an, daß er gemäß den italienischen Verkehrsvorschriften verpflichtet gewesen wäre, seine Überholabsicht durch ein Signal anzuzeigen, sondern auch darauf, wie sich der Unfall zeitlich und räumlich abgespielt hat. Die Unterlassung eines Signales durch den Beklagten wiegt jedenfalls dann nicht so schwer, wenn ein solches Signal, auch wenn es rechtzeitig gegeben worden wäre, nicht geeignet gewesen wäre, den Kläger vom Abbiegen nach links abzuhalten und so den Unfall zu verhindern. Das Erstgericht wird daher die vom Berufungsgericht für notwendig erachteten Ergänzungen bezüglich des Unfallsherganges vorzunehmen und sodann neuerlich über die Verschuldensfrage zu entscheiden haben. Bleibt es aber bei dem Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes, dann kann auch nicht gesagt werden, daß die Einwendung einer Gegenforderung durch den Beklagten verspätet wäre, wie der Kläger in seinem Rekurs selbst richtig erkennt.
Aus den angeführten Gründen ist daher auch den Rekursen der Parteien der Erfolg zu versagen.
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