Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 9.631,05 (darin keine Barauslagen und S 875,55 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 3. Juli 1986 gegen 6.45 Uhr ereignete sich in Lanzenkirchen auf der Wienerstraße in Höhe des Hauses 138 ein Verkehrsunfall. August K***, der Ehegatte der Klägerin, fuhr mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Motorrad Suzuki, Kennzeichen N 15.435, auf der Wienerstraße in Richtung B 54. Auf dem Soziussitz befand sich die Klägerin, die einen Sturzhelm trug. Auf Grund eines technischen Gebrechens blockierte unvorhersehbar für den Lenker das Hinterrad, wodurch das Motorrad ins Schleudern geriet und umstürzte. Das technische Gebrechen, eine Lockerung der Befestigungsschraube des Antriebsritzels, konnte vom Fahrzeuglenker trotz bester und normaler zumutbarer Wartung und Pflege vorher nicht erkannt werden. Die Klägerin wurde bei dem Unfall schwer verletzt.
Die Klägerin begehrte an Schadenersatz aus diesem Unfall zuletzt S 211.500,-- (S 207.000,-- Schmerzengeld und S 4.500,-- Sachschäden sowie Krankenkassenselbstbehalt). Außerdem begehrte sie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden. Das Klagebegehren gründete sie "insbesondere" auf die Bestimmungen des EKHG.
Die Beklagte bestritt das eingeschränkte Leistungsbegehren nicht und anerkannte auch, daß das Feststellungsbegehren für den Fall ihrer Haftung dem Grunde nach bis zur Höhe der Haftungshöchstbeträge des EKHG berechtigt sei. Sie beantragte jedoch die Klageabweisung, weil sie wegen der "Haftungsbefreiung" nach § 3 Z 2 EKHG für den Schaden der Klägerin nicht hafte. Die Fahrt sei im ausschließlichen bzw. überwiegenden Interesse der Klägerin erfolgt. August K*** habe die Fahrt ausschließlich für seine Gattin durchgeführt. Er habe auch dafür kein Entgelt von der Klägerin erhalten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es außer von den eingangs wiedergegebenen, noch von folgenden weiteren Feststellungen ausging:
Die Klägerin hatte am 3. Juli 1986 keine Mitfahrgelegenheit, um zu ihrer Arbeitsstelle, der Waldschule Wr. Neustadt, außerhalb von Föhrenau zu gelangen. Damit sie nicht mit dem Fahrrad die 3 km bis 4 km dorthin fahren mußte, erklärte sich ihr Gatte spontan bereit, sie mit seinem Motorrad vom Wohnort zur Arbeit zu bringen. August K*** wollte an diesem Tag nach Wr. Neustadt fahren, um sich Material zum Tapezieren zu besorgen. Um seine Frau aber rechtzeitig zur Arbeit zu bringen, fuhr er zu einem früheren Zeitpunkt als vorgesehen von zu Hause weg. August K*** hätte, um von Föhrenau über die Waldschule nach Wr. Neustadt zu gelangen, keinen Umweg machen müssen. Auf der Fahrt zur Arbeitsstelle der Klägerin ereignete sich der Unfall. Die Klägerin leistete ihrem Gatten kein Entgelt für diese Fahrt.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, das EKHG sei nach seinem § 3 Z 2 nicht anzuwenden, weil die Klägerin auf ihr Ersuchen und in ihrem ausschließlichen wirtschaftlichen Interesse von August K*** befördert worden sei. Ein anderes Interesse an der Beförderung der Klägerin sei in keiner Weise erkennbar. August K*** habe die Fahrt auch auf Ersuchen der Klägerin früher angetreten, als beabsichtigt gewesen sei. Eine entgeltliche Beförderung habe nicht festgestellt werden können. Die Mitfinanzierung des Kaufes und regelmäßige Beiträge zu den Betriebskosten würden eine Mithaltereigenschaft der Klägerin begründen und könnten nicht als Entgelt für seltene Mitfahrten angesehen werden.
Infolge Berufung der Klägerin änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- nicht übersteigt und daß die Revision zulässig sei. Ausgehend von den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes gelangte das Gericht zweiter Instanz zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung.
§ 3 Z 2 EKHG schließe die Anwendung des EKHG schlechthin aus, wenn der Verletzte zur Zeit des Unfalles durch das Kraftfahrzeug nur auf sein, des Verletzten Ersuchen, in seinem ausschließlichen oder überwiegenden wirtschaftlichen Interessen und ohne ein dem Halter zufließendes Entgelt befördert wurde. "Nur dann also, wenn sich der Fahrgast in den Gefahrenkreis des Halters eindrängt, soll dieser nicht mit der strengeren Haftung (des EKHG) belastet werden" (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage des EKHG). Ein wirtschaftliches Interesse am Mitnehmen durch den Halter einerseits und am Mitgenommenwerden des Beförderten andererseits sei nicht nur dann gegeben, wenn es sich in einer rein finanziellen Begünstigung auswirke. Nicht nur ein in Geld ausdrückbares Interesse stelle ein wirtschaftliches Interesse dar. Die bloße schnellere und bequemere Beförderung - wie hier mit dem Motorrad - könnte daher ein wirtschaftliches Interesse ergeben. Soweit sei dem Erstgericht auch zu folgen. Es übersehe aber, daß das Gesetz ein Abwägen gleichartiger Interessen vorsehe und bei überwiegendem oder nur gleichem Interesse des Beförderers an der Beförderung die Anwendung des EKHG nicht ausgeschlossen sei. Darauf, daß August K*** ohnehin eine Motorradfahrt vorhatte, die am Dienstort seiner Frau vorbeiführte, komme es allerdings ebensowenig an wie darauf, daß die Klägerin es war, die ihren Mann um die Vorverlegung des von ihm geplanten Fahrtantrittes ersucht habe. § 3 Z 2 EKHG stelle auf das Interesse an der Beförderung und nicht an der Fahrt selbst ab; anderenfalls könnte der Musterfall des "Autostoppers" durch
§ 3 Z 2 EKHG nicht erfaßt werden weil der ersuchte Lenker (oder auch Halter) die Strecke, die der Autostopper mitgenommen werden will, im Regelfall ohnehin auch zurückzulegen beabsichtige. Das Interesse an der Beförderung aber scheine zunächst in der Tat ausschließlich bei der Klägerin gelegen gewesen zu sein. Das sei aber nicht der Fall. § 90 ABGB verpflichte die Ehegatten zur anständigen Begegnung und zum Beistand. Die Bereitschaft August K***, seine Frau zum Dienstort zu bringen, sei Teil jenes Beistandes gewesen, zu dem er seiner Frau gegenüber verpflichtet war. Sei es daher im Interesse der Klägerin gewesen, rascher und bequemer zum Arbeitsplatz zu kommen, als ihr dies bei Benützung des Fahrrades möglich gewesen wäre, so sei es auch im Interesse ihres Ehegatten gewesen, dem entsprechenden Ersuchen seines Partners Rechnung zu tragen, wozu immerhin noch komme, daß es durch seine Beistandsleistung keinerlei zusätzlicher finanzieller Mittel bedurfte, weil er ohnehin - in eigenwirtschaftlichem Interesse - weiterzufahren gedachte. Das Interesse der Klägerin an der rascheren und bequemeren Fahrt und das Interesse ihres Mannes, seiner Frau entsprechend beizustehen, hielten sich in ihrer Gewichtigkeit die Waage; kein konkreter Umstand (etwa eine eigene Interessen gefährdende Zeitnot des Befördernden) spreche dafür, das Interesse der Klägerin höher zu bewerten oder gar ihr ausschließliches Interesse anzunehmen. Leiste somit der Ehegatte in einer im Interesse seines Ehepartners gelegenen Beförderung diesem Beistand im Sinne des § 90 ABGB, so sei die Anwendbarkeit des EKHG nicht ausgeschlossen, wenn nicht gravierende konkrete Umstände zumindest ein Überwiegen des Interesses am Befördertwerden augenscheinlich machten. Was im übrigen in einer Ehegemeinschaft als "Ersuchen" aufzufassen sei, ergebe sich nicht aus der bloßen Wortbedeutung. Es werde in einer funktionierenden Partnerschaft oft der Fall sein, daß der Partner im Moment nicht zu erkennen vermöge, was der Gemeinschaft Dienliches zu tun gerade anstehe. Das "Ersuchen" des anderen Partners sei daher ein bloßes Bewußtmachen von ohnehin Selbstverständlichem. Hätte der Partner die erforderliche Annahme selbst erkannt, so hätte er sie wohl auch dem anderen angetragen. Es könne also nicht die Rede davon sein, daß ein Ehegatte, der den anderen darum bitte, ihn mit dem Motorrad zum Arbeitsplatz zu bringen, sich in den Gefahrenkreis des Halters "eindränge", was wohl nach den Erläuternden Bemerkungen das Wort "Ersuchen" im § 3 Z 2 EKHG bedeute. Das Klagebegehren bestehe daher zu Recht.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), aber nicht berechtigt.
Die Beklagte führt in ihrem Rechtsmittel aus, daß sich aus § 90 ABGB sicherlich nicht eine rechtliche Verpflichtung eines Ehegatten, der sich auf Urlaub befinde, dahingehend ableiten lasse, daß er in diesem Fall verpflichtet sei, den anderen Ehegatten mit dem Motorrad zur Arbeit zu befördern, damit dieser nicht das Fahrrad benutzen müsse. Bei einer solchen Beförderung handle es sich um eine bloße Gefälligkeit, nicht aber um eine Beistandspflicht. Darüber hinaus verkenne das Berufungsgericht bei dem von ihm angestellten Interessenvergleich, daß § 3 Z 2 EKHG auf ein ausschließliches oder überwiegendes wirtschaftliches Interesse abstelle. Ein wirtschaftliches Interesse habe der Ehegatte der Klägerin an der Beförderung seiner Ehegattin aber sicherlich nicht gehabt. Aus dem gesamten festgestellten Sachverhalt, der der rechtlichen Beurteilung zu Grunde liege, lasse sich kein wirtschaftlicher Vorteil des Ehegatten der Klägerin an der Beförderung der Klägerin ableiten. Das Interesse an der Beförderung im Sinn des § 3 Z 2 EKHG könne aber nur ein solches sein, welches für die befördernde oder beförderte Person einen wirtschaftlichen Vorteil bringe. Ein allfälliges Interesse des Ehegatten der Klägerin dahingehend, daß er seiner Ehegattin beistehen wollte, sei für die Beurteilung des gegenständlichen Falles schon deshalb irrelevant, da es sich hiebei nicht um ein Interesse im Sinne des § 3 Z 2 EKHG handle. Auch der Argumentation des Berufungsgerichtes, daß nicht die Rede davon sein könne, daß ein Ehegatte, der den anderen darum bitte, ihn mit dem Motorrad zum Arbeitsplatz zu bringen, sich in den Gefahrenkreis des Halters "eindränge", könne nicht gefolgt werden. § 3 Z 2 EKHG verlange bloß ein "Ersuchen" zur Beförderung durch den Verletzten. Dies könne nur so gemeint sein, daß die Initiative zur Beförderung vom Verletzten selbst ausgehe. Auf welche Weise dies geschehe, sei jedoch unerheblich.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Gemäß § 3 Z 2 EKHG ist dieses Gesetz insofern nicht anzuwenden, als der Verletzte durch das Kraftfahrzeug entweder ohne den Willen des Halters oder durch nur auf sein, des Verletzten, Ersuchen, in seinen ausschließlichen oder überwiegenden wirtschaftlichen Interesse und ohne ein dem Halter zufließendes, wenn auch unangemessenes Entgelt befördert wurde. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (abgedruckt in MGA EKHG3 § 3 Anm. 5) bezweckt diese Gesetzesbestimmung im wesentlichen, dann (und nur dann), wenn sich der Fahrgast in den Gefahrenkreis des Halters eindrängt, diesen nicht der strengeren Haftung nach dem EKHG zu belasten. Voraussetzung für den Haftungsausschluß nach § 3 Z 2 EKHG ist somit ua., daß der Verletzte in seinem ausschließlichen oder überwiegenden Interesse befördert wurde. Die verletzte Klägerin ist die Ehegattin des Kraftfahrzeughalters. Gemäß § 44 ABGB erklären im Ehevertrag zwei Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ua. ihren Willen sich gegenseitig Beistand zu leisten. Gemäß § 90 ABGB sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand. Im Erwerb des anderen hat ein Ehegatte mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar und es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich ist. Die Beistandspflicht nur als eine immaterielle aufzufassen, wäre zu eng, sie umfaßt vielmehr auch unentgeltliche Arbeits-, Sach- und Geldaushilfen (vgl. Pichler in Rummel ABGB, Rz 9 zu § 90). Die Pflicht zur Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten ist eine Form der materiellen Beistandspflicht (vgl. Pichler a.a.O., Rz 10 zu § 90). Daraus ergibt sich, daß die in den §§ 40 und 90 ABGB festgelegte Verpflichtung der Ehegatten zum gegenseitigen Beistand auch wirtschaftliche Belange einschließt. Befördert daher, wie im vorliegenden Fall, ein Ehegatte den anderen, der durch seine Berufstätigkeit zur Deckung der den Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse beiträgt (§ 94 Abs 1 ABGB), mit seinem Kraftfahrzeug an den Arbeitsplatz, weil dieser sonst keine andere Beförderungsmöglichkeit hat, liegt dies, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, im gemeinsamen wirtschaftlichen Interesse beider Ehegatten, wobei nach den festgestellten Umständen des vorliegenden Falles nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Beförderung im überwiegenden, geschweige denn im ausschließlichen Interesse der Klägerin erfolgt wäre. Schon mangels des Vorliegens dieser Voraussetzung hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum den Haftungsausschluß nach § 3 Z 2 EKHG nicht als gegeben erachtet, sodaß auf die Frage, ob die Beförderung der Klägerin auch auf ihr Ersuchen erfolgte, nicht mehr einzugehen war.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)