OGH 2Ob8/18t

OGH2Ob8/18t30.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2014 verstorbenen J***** B*****, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellerinnen 1. Mag. B***** P*****, vertreten durch Mag. Herbert Nigl, Rechtsanwalt in Korneuburg, und 2. mj H***** B*****, geboren am ***** 2013, vertreten durch die Mutter P***** B*****, diese vertreten durch Donnerbauer & Hübner Rechtsanwälte GmbH in Retz, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 20. November 2017, GZ 23 R 62/16d‑74, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00008.18T.0130.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

1. Der Oberste Gerichtshof hat im Verfahren über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Erbantrittserklärung der minderjährigen Zweitantragstellerin in der Entscheidung 2 Ob 78/17k klargestellt, dass im Verlassenschaftsverfahren die Beweislast für die bestrittene Echtheit des Testaments die Erstantragstellerin als Testamentserbin trifft. Die aufgrund des Gutachtens eines Schriftsachverständigen getroffene Negativfeststellung zur Echtheit des Testaments falle daher der Erstantragstellerin zur Last.

Im Verlassenschaftsverfahren hat nun das Rekursgericht im Sinne der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs entschieden, wobei die gegen die Negativfeststellung erhobene Beweisrüge der Erstantragstellerin erfolglos blieb.

Rechtliche Beurteilung

2. Die Erstantragstellerin erblickt in der Vorgangsweise des Rekursgerichts einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot.

Die Grenzen der vom Gericht wahrzunehmenden Anleitungspflicht und die Frage, ob das Überraschungsverbot verletzt wurde, richten sich allerdings nach den Umständen des Einzelfalls und begründen schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage iSd (hier) § 62 Abs 1 AußStrG (vgl 5 Ob 166/16x mwN).

3. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Verkennung der Rechtslage ist dem Rekursgericht auch insoweit nicht unterlaufen:

Nach herrschender Rechtsprechung bedarf es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen (RIS‑Justiz RS0122365).

Hier war die Frage der Beweislastverteilung die einzige Rechtsfrage, die es zu lösen galt. Beide Parteien haben dies in erster Instanz auch erkannt und ihren Rechtsstandpunkt dargelegt. Während die Erstantragstellerin für den Fall eines (sich abzeichnenden) non liquet auf die Beweislast der Zweitantragstellerin verwies (AS 120), nahm diese den gegenteiligen Standpunkt ein, wobei sie sich auf die zivilprozessualen Behauptungs- und Beweislastregeln berief (AS 144). Demnach lag es aber schon in erster Instanz an der Erstantragstellerin, für den Fall, dass der Schriftgutachter zu einem non liquet gelangen und das Gericht nicht ihrem, sondern dem Rechtsstandpunkt ihrer Verfahrensgegnerin folgen sollte, durch ergänzendes Vorbringen und weitere Beweisanbote auf eine positive Feststellung hinzuwirken.

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