Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung als Teilurteil wie folgt zu lauten hat:
Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, den Betrag von S 266.073 samt 4 % Zinsen aus S 93.293 ab 6. 10. 1997, aus S 129.860 ab 17. 4. 1998, aus S 35.720 ab 17. 6. 1998 und aus S 7.200 ab 5. 7. 1998 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Im Übrigen - sohin hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens und hinsichtlich der Kostenentscheidung - wird die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufgehoben. In diesem Umfang wird auch die Entscheidung des Erstgerichtes aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 21. 7. 1997 kam der Ehegatte der Klägerin im Erdgeschoß des Hotels der beklagten Partei, dessen Gast er war, zu Sturz, er wurde dadurch schwer verletzt. Zum Zeitpunkt des Unfalls war er 79 Jahre alt. Die Klägerin und ihr in der Folge verstorbener Ehegatte sind bzw waren israelische Staatsbürger und hatten zum Zeitpunkt des Unfalles ihren Hauptwohnsitz in Israel. Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehegatten.
Sie begehrt die Zahlung von S 532.146 sA an Schadenersatz mit der Begründung, ihr Ehegatte sei im Bereich des Hotelfoyers vor dem Ausgang zu einer Einkaufsgalerie über zwei Marmorstufen gestürzt. In dem sonst völlig ebenen Foyer seien Stufen nicht zu erwarten gewesen, diese hätten besonders abgesichert werden müssen. Die beklagte Partei sei auch auf Grund ihrer Klassifizierung als behindertengerechter Betrieb zur Einhaltung der ÖNORM B1600 verpflichtet gewesen, diese sehe eine besondere Markierung an der Vorderkante der Trittstufen vor. Diese Pflicht ergebe sich auch aus arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften, insbesondere aus § 25 AAV.
"Aus Gründen der prozessualen Vorsicht" und für den Fall, dass das Gericht dem Verunglückten ein Mitverschulden an dem Unfall zurechnen sollte, würden vorläufig nur 80 % des erlittenen Schadens geltend gemacht.
Die beklagte Partei bestritt und wendete ein, die Unfallsstelle sei nicht gefährlich, besondere Gefahrenhinweise und optische Markierungen seien nicht erforderlich. Bislang hätten seit Jahren täglich hunderte Menschen dieses Portal betreten, ohne dass je jemand zu Sturz gekommen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen wurden:
Die ebenerdige Halle des Hotels der beklagten Partei verfügt über zumindest zwei Ein- bzw Ausgänge. Der Hauptausgang führt auf die Straße. Der zweite Ausgang befindet sich neben den Liften, die zu den Stockwerken führen. Durch diesen Ausgang gelangt man unter Verwendung von zwei hinunter führenden Stufen in eine Einkaufspassage. Das Licht im Bereich der Lifte ist eher gedämpft, während die Einkaufspassage hell erleuchtet ist. Dennoch sind die zwei Stufen, und damit die Tatsache, dass die Einkaufspassage niedriger ist als das Niveau der Halle des Hotels, bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit für einen Menschen ohne Fehlsichtigkeit leicht erkennbar. Die Oberfläche der Stufen und des Bereiches davor ist nicht rutschig. Bei oder neben den zwei Stufen befindet sich kein Handlauf. Die Stufen weisen keine farblich kontrastierenden Markierungen auf. Der Verunglückte sah zum Unfallszeitpunkt auf einem Auge fast nichts, auf dem anderen Auge sah er seinem Alter entsprechend nicht mehr gut.
Zu dem Unfall kam es dadurch, dass der verstorbene Ehegatte der Klägerin nach dem Aussteigen aus dem Lift näher an den Ausgang Richtung Einkaufsgalerie gehen wollte, um einen Blick auf diese zu werfen. Dabei bemerkte er die davor befindlichen Stufen nicht.
Bei dem Hotel der beklagten Partei handelt es sich um Fünf-Stern-Hotel, nach eigenen Angaben in verschiedenen Werbeträgern ist es behindertengerecht. Für die Klägerin und ihren verunglückten Ehegatten war es ausschlaggebend, dass das Hotel der beklagten Partei als behindertengerecht beschrieben wurde. Der Verunglückte war zwar vor dem Unfall nicht körperlich behindert, es wurde deshalb auch kein behindertengerechtes, für Rollstuhlfahrer geeignetes, Zimmer bestellt. Die Klägerin und ihr Ehegatte wollten aber im Hinblick auf das hohe Alter des Verunglückten ein Hotel mit allen Annehmlichkeiten.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass zwar zwischen dem Rechtsvorgänger der Klägerin und der beklagten Partei vereinbart worden sei, das Hotel müsse eine behindertengerechte Ausstattung aufweisen, Anhaltspunkte dafür, dass hiedurch die Bestimmungen der ÖNORM B1600 über barrierefreies Bauen vereinbart worden seien, habe das Beweisverfahren allerdings nicht ergeben. Das Hotel der beklagten Partei entspreche auch den Vorschriften der Wiener Bauordnung. Überlegungen, ob der Nebeneingang auch als Betriebsraum in Entsprechung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen auszustatten wäre, seien nicht erforderlich, weil es nicht Schutzzweck dieser Normen sei, Gäste des Hotels vor Schädigungen zu schützen, sondern typische Gefahren, die den die Räume ständig benützenden Arbeitnehmern drohten, vorzubeugen.
Die Abweisung des Begehrens auf Zahlung von S 33.260 samt 4 % Zinsen aus S 11.662 seit 6. 10. 1997, aus S 16.233 seit 17. 4. 1998, aus S 4.465 seit 17. 6. 1998 und aus S 900 seit 5. 7. 1998 erwuchs mangels Anfechtung in Rechtskraft.
Im Übrigen bestätigte das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache, es sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.
In rechtlicher Hinsicht schloss sich das Berufungsgericht der Rechtsansicht des Erstgerichtes, es sei die ÖNORM B1600 nicht Inhalt des mit der beklagten Partei abgeschlossenen Beherbergungsvertrages geworden, an. Das verkehrsübliche Verständnis der Ankündigung "behindertengerecht" stehe dem Umstand nicht entgegen, dass bei einem Nebenausgang eines Hotels Niveauunterschiede bestünden, deren Überbrückung durch Stufen erfolge. Der Verunglückte hätte sich daher nicht darauf verlassen dürfen, dass im Bereich des Nebenausganges keine Stufen vorhanden seien. Vielmehr entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass im Bereich von Ausgängen aus Gebäuden grundsätzlich Niveauunterschiede auszugleichen seien. Da die Stufen leicht erkennbar gewesen seien, hätte es keiner besonderen Hervorhebung bedurft; die Ausgestaltung des Ausgangsbereiches sei nicht als gefährlich einzustufen. Der Schutzzweck von Arbeitnehmerschutzvorschriften erstrecke sich aber nur auf Arbeitnehmer des für die Einhaltung dieser Vorschriften verantwortlichen Unternehmens. Eine unmittelbare Wirkung arbeitnehmerschutzrechtlicher Normen über bauliche Ausgestaltung schlechthin zu Gunsten dritter Personen, die die Betriebsräumlichkeiten bloß frequentierten, ohne dort als Arbeitnehmer einer Beschäftigung nachzugehen, anzunehmen, würde die Normen der Bauordnung sowie die darauf beruhenden Verfahren und baurechtlichen Bewilligungen obsolet machen.
Vielmehr könne im Hinblick auf die leichte Erkennbarkeit der Stufen davon ausgegangen werden, dass trotz Fehlens einer besonderen Hervorhebung auch der Mindeststandard, zu dessen Interpretation die Arbeitnehmerschutzvorschriften allenfalls herangezogen werden könnten, nicht unterschritten worden sei.
Jedenfalls übersteige es den Schutzzweck von Arbeitnehmervorschriften über die Markierung von Treppen, allfälligen Schäden infolge körperlicher Behinderungen nicht Beschäftigter Rechnung zu tragen.
Es sei daher der Klägerin nicht gelungen, den Nachweis zu bringen, dass der von ihrem Ehegatten erlittene Unfall durch eine mangelhafte Ausstattung des Ausgangsbereiches verursacht worden sei.
Der von ihr geltend gemachte Anspruch sei gemäß § 36 IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilen, weil er auf die Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten durch die beklagte Partei gestützt werde. Danach sei das durch das Schuldstatut nach § 36 IPRG berufene österreichische Sachrecht maßgeblich.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil sowohl die Frage, ob durch die Ankündigung eines Hotels als "behindertengerecht" die Einhaltung der ÖNORM B1600 Vertragsbestandteil werde als auch jene, ob Verkehrssicherungspflichten des Gastwirtes gegenüber einem Hotelgast im Ausstattungsbereich generell an Arbeitnehmerschutzvorschriften als Mindeststandard zu messen seien, von erheblicher Bedeutung sei.
Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass als Zwischenurteil festgestellt werde, dass die beklagte Partei dem Grunde nach für 75 % aller Schäden hafte, welche der Verunglückte auf Grund des Unfalles vom 21. 7. 1997 erlitt und die Rechtssache an das Erstgericht zur Entscheidung über die Höhe des Schadens zurückzuverweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig und teilweise auch berechtigt.
Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht die Klägerin unter anderem geltend, es sei der beklagten Partei die Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften anzulasten. Das von ihr betriebene Luxushotel sei ein Betrieb, welcher den Vorschriften des Arbeitnehmerschutzgesetzes und somit auch den Vorschriften der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) unterliege. Gemäß § 25 Abs 3 AAV seien auf Haupt- und Nebenverkehrswegen in Betriebsräumen Stufen nach Möglichkeit zu vermeiden, sie müssten jedenfalls besonders kenntlich gemacht sein, wie etwa durch Anstrich der Stufenkanten mit Leuchtfarbe. Die beklagte Partei habe gegen diese Vorschrift verstoßen und unterliege es keinem Zweifel, dass sie für Unfallsfolgen zu haften habe, wenn ein Arbeitnehmer die Stufen übersehe und zu Sturz komme. Der Zustand am Unfallsort sei somit jedenfalls rechtswidrig. Daraus ergebe sich aber, dass die Schutznorm des § 25 Abs 3 AAV nicht nur zu Gunsten der Arbeitnehmer der beklagten Partei, sondern auch zu Gunsten ihrer Hotelgäste zu gelten habe und zwar deshalb, weil eine ordnungsgemäße Markierung der Stufen logischerweise nicht nur den Arbeitnehmern, sondern auch den Hotelgästen und auch allen sonstigen Passanten zugute komme. Der Oberste Gerichtshof habe auch bereits ausgesprochen, dass Arbeitnehmerschutzvorschriften auch als Schutznormen zu Gunsten Dritter zu gelten hätten.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu wurde erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 50 Abs 2 IPRG § 36 IPRG noch anzuwenden ist. Demgemäß sind gegenseitige Verträge, nach denen eine Partei der anderen zumindest überwiegend Geld schuldet, nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die andere Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da im vorliegenden Fall die charakteristische Leistung in Österreich zu erbringen ist, ist - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - österreichisches Sachrecht anzuwenden (Schwimann in Schwimann2, ABGB, Rz 1a zu § 36 IPRG mwN). Dem für das Schuldverhältnis maßgebenden Sachrecht untersteht auch der hier geltend gemachte Schadenersatzanspruch wegen Verletzung dieses Schuldverhältnisses (Schwimann, Internationales Privatrecht2, 61).
Gemäß § 25 Abs 3 AAV müssen Stufen auf Haupt- und Nebenverkehrswegen, nicht aber auch Stiegen, für die § 26 AAV maßgebend ist, besonders kenntlich gemacht sein, wie durch Anstrich der Stufenkanten mit Leuchtfarbe; erforderlichenfalls muss eine zusätzliche Beleuchtung angebracht sein. Die Stufen, über die der Verunglückte im Hotel der beklagten Partei stürzte, entsprachen jedenfalls zum Unfallszeitpunkt diesen Voraussetzungen nicht. Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 66/179; SZ 69/8; DRdA 1997, 374 [Müller] = ecolex 1997, 794 = SSV-NF 10/106) sind auch bei der Abgrenzung der beherbergungsvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften bedeutsam. Allerdings wird dadurch lediglich der Mindesstandard der dem Verantwortlichen obliegenden Sicherheitsvorkehrungen umrissen. Auch wenn sich der Schutzzweck von Arbeitnehmerschutzvorschriften nur auf die Arbeitnehmer des für die Einhaltung dieser Bestimmungen verantwortlichen Unternehmers erstreckt, sind doch solche Vorschriften umso mehr dann Ausdruck der Mindestanforderungen an die Sicherheit, wenn der dafür Verantwortliche diese Räume zur gewerblichen Beherbergung von Gästen benützt. Auch wenn diesen Entscheidungen ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen ist, besteht von dieser grundsätzlichen Rechtsprechung abzugehen auch beim vorliegenden Sachverhalt kein Anlass.
Auf die baubehördliche Genehmigung oder das Fehlen einer behördlichen Auflage kann sich die beklagte Partei zu ihrer Entlastung nicht berufen (7 Ob 555/87; 1 Ob 579/88 = ZfRV 1991, 42 [Ofner]).
Da der Zustand der Stufen jedenfalls eine der Ursachen für den Schaden des Rechtsvorgängers der Klägerin war, ist die Ersatzpflicht der beklagten Partei grundsätzlich zu bejahen.
Allerdings ist auch dem Verunglückten selbst eine erhebliche Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten anzulasten, weshalb nach Ansicht des erkennenden Senates der Schaden zwischen ihm und der beklagten Partei gleichteilig zu tragen ist.
Dies hat aber im vorliegenden Fall nicht zur Folge, dass der Klägerin die Hälfte des Schadens ihres Rechtsvorgängers geltend machen kann, weil sie zwar nur einen Teil dieses Schadens (80 %) eingeklagt hat, dies jedoch ohne Einräumung eines Mitverschuldens sondern nur "aus Gründen der prozessualen Vorsicht und für den Fall, dass das Gericht mir ein Mitverschulden an dem Unfall zurechnen sollte". Im Fall der Teileinklagung eines Schadens ohne Einräumung eines Mitverschuldens darf aber dann, wenn der Schadensanteil unter Berücksichtigung eines festgestellten Mitverschuldens zu ermitteln ist, über das Begehren des Klägers nicht hinausgegangen werden. In diesem Fall ist der eingeklagte Teilschaden vielmehr um die Mitverschuldensquote zu kürzen (RIS-Justiz RS0027184; ZVR 1983/42).
Dies hat zur Folge, dass die Hälfte des von der Klägerin geltend gemachten Schadens bereits abgewiesen werden kann. Im Übrigen bedarf es aber noch ergänzender Feststellungen über die Höhe des vom Rechtsvorgänger der Klägerin erlittenen Schadens weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit aufzuheben waren.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 ZPO.
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