Spruch:
Die nach § 1238 ABGB. vermutete Bevollmächtigung des Ehegatten durch die Ehegattin ist nicht nur auf das Erfordernis der Verwaltung beschränkt, sondern deckt auch nur jene Geschäfte, die innerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes liegen.
Entscheidung vom 22. Oktober 1952, 2 Ob 799/52.
I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Das Erstgericht hat den zwischen Matthäus St. und Ignaz R. vor dem Pachtamt beim Bezirksgericht Knittelfeld am 13. November 1951 abgeschlossenen Vergleich für ungültig erklärt, im wesentlichen mit der Begründung, daß sich die Klägerin im Laufe der Verhandlung vor dem Pachtamt, nachdem sie vom Vorsitzenden zur Ruhe ermahnt worden war, entfernt und den Vergleich nicht unterfertigt hat und daß auch keine Anzeichen dafür vorliegen, daß die Klägerin durch schlüssige Handlungen ihren Ehegatten zur Unterfertigung des Vergleiches bevollmächtigt hätte, obwohl Matthäus St. den Vergleich nur mit Spezialbevollmächtigung auch für seine Ehegattin hätte abschließen können.
Das Berufungsgericht hat das Urteil der ersten Instanz bestätigt. Es stellte auf Grund der beigeschafften Akten fest, daß der in Frage stehende Vergleich nicht ausschließlich eine Verpachtung der dem Matthäus St. und seiner Gattin gemeinsam gehörigen Realität betroffen hat, sondern implicite auch die Zurücknahme der von beiden Ehegatten vorher eingebrachten Kündigung dieser Pachtung und des weiteren auch eine Änderung des Pachtschillings, also eine vergleichsweise Änderung und Neuerung des Bestandverhältnisses zwischen den Streitteilen. Ferner stellte das Berufungsgericht noch fest, daß die Klägerin und ihr Gatte auf Grund des Übergabsvertrages vom 10. Feber 1933 je zur Hälfte Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft sind und daß es sich nicht um ein durch Ehepakte gebundenes gütergemeinschaftliches Vermögen, sondern um freies Vermögen der Klägerin handelt. In rechtlicher Hinsicht bejaht das Berufungsgericht die Meinung des Erstgerichtes, daß für den Abschluß eines Vergleiches durch den Ehemann für die Ehegattin eine Spezialvollmacht gemäß § 1008 ABGB. erforderlich ist.
Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Beklagten nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei Prüfung der Frage, ob Matthäus St. auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltung und Nutznießung des Vermögens seiner Gattin zum Abschluß des Vergleiches vom 13. November 1951 berechtigt war, kommt es gewiß nicht auf die äußere Form an, in die das Rechtsgeschäft gekleidet wurde, sondern auf seinen Inhalt. Es trifft aber nicht zu, daß der Inhalt der Vereinbarung nichts anderes als eine Verlängerung des bisherigen Pachtverhältnisses war. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß in der Vereinbarung nicht nur eine Änderung des Pachtschillings, sondern auch eine Zurücknahme der vorher von beiden Ehegatten eingebrachten Aufkündigung gelegen ist. Nach der überwiegenden Rechtsprechung und Lehre ist die im § 1238 ABGB. festgelegte Vermutung einer Bevollmächtigung des Ehemannes von vornherein nicht nur auf das Erfordernis der Verwaltung beschränkt, sondern deckt auch nur jene Geschäfte, die innerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes liegen.
Es geht aber über den gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb eines Landgutes hinaus, wenn ein schon eingeleitetes Kündigungsverfahren in der Art beendet wird, daß die Pachtung auf mehrere Jahre verlängert ist.
Die Frage, ob die Ehegattin der vermuteten Verwaltungsbefugnis des Mannes widersprochen hat, hat das Berufungsgericht mit Recht als bedeutungslos bezeichnet, weil die Vereinbarung vom 13. November 1951 über den Rahmen des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes hinausgeht.
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