OGH 2Ob76/05y

OGH2Ob76/05y22.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei I*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Christian Harisch und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Hermann G*****, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wegen EUR 7.209,18 sA (13 C 1497/97s), EUR 6.502,70 sA (13 C 369/97h) und EUR 31.855,27 sA und Räumung (13 C 1585/98h), über die außerordentlichen Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 1. Dezember 2004, GZ 14 R 183/04m-70, womit infolge Berufungen beider Streitteile das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 26. April 2004, GZ 13 C 1497/97s-63, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die außerordentlichen Revisionen werden, soweit sie die Forderung von EUR 31.855,27 sA und das Räumungsbegehren (13 C 1585/98h) betreffen, mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Soweit die „außerordentlichen Revisionen" die Forderungen von EUR 7.209,18 (13 C 1497/97s) und EUR 6.502,70 (13 C 369/97h) betreffen, werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten in drei aufeinanderfolgenden Klagen die Zahlung rückständiger Mietzinse von zuletzt EUR 6.502,70 (13 C 369/97h), EUR 7.209,18 (13 C 1497/97s) und EUR 31.855,27 (13 C 1585/98h) jeweils samt gestaffelter Zinsen, wobei sie mit dem letzten Zahlungsbegehren ein Räumungsbegehren verband.

Das Erstgericht, das mit Beschluss vom 29. 2. 2000 die Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, erachtete die Klageforderungen mit (insgesamt) EUR 22.274,31 und die vom Beklagten eingewendeten Gegenforderungen bis zu dieser Höhe als zu Recht bestehend und wies sämtliche Klagebegehren ab.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil in teilweiser Stattgebung der Berufung des Beklagten dahin ab, dass es die Klageforderungen nur noch mit (insgesamt) EUR 11.137,16 und die Gegenforderungen bis zu dieser Höhe als zu Recht bestehend erachtete, sodass es bei der Abweisung sämtlicher Klagebegehren verblieb. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richten sich die jeweils undifferenziert als „außerordentliche Revision" bezeichneten Rechtsmittel beider Parteien, die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof vorlegte. Während die klagende Partei die Feststellung des Bestandes ihrer gesamten Forderung in Punkt 1. des mehrgliedrigen Spruches und die Zuerkennung eines die Gegenforderung übersteigenden (nicht bezifferten) Differenzbetrages sowie die Stattgebung ihres Räumungsbegehrens anstrebt, begehrt der Beklagte die Abweisung sämtlicher Klagebegehren, ohne die eingewendeten Gegenforderungen zur Aufrechnung heranzuziehen. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittel erweisen sich teilweise mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig, teilweise fehlt es (derzeit) an einer Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofes.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Rechtsmittelzulässigkeit bei Verbindung mehrerer Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung jeweils gesondert zu prüfen und zu beurteilen; die Streitgegenstände der verbundenen Verfahren sind und bleiben voneinander unabhängig. Das gilt auch für die Zulässigkeit der Revision gegen die gemeinsame Entscheidung des Berufungsgerichtes (RIS-Justiz RS0037173, RS0037252, RS0036717 ua; Kodek in Rechberger ZPO² § 502 Rz 1; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 167). Dabei ist es unerheblich, ob die in den verbundenen Streitsachen geltend gemachten Ansprüche an sich in tatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhang stehen (7 Ob 169/02g; 3 Ob 139/04v; Zechner aaO).

Daraus folgt für den vorliegenden Fall:

Soweit sich die außerordentlichen Revisionen auf die berufungsgerichtliche Entscheidung über das zu 13 C 1585/98h des Erstgerichtes gestellte Zahlungs- und Räumungsbegehren und damit auf eine Streitigkeit nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO beziehen, sind beide Rechtsmittel mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.

Soweit jedoch die berufungsgerichtliche Entscheidung über die Mietzinsklagen zu 13 C 369/97h und 13 C 1497/97s betroffen ist, richtet sich die Beurteilung der Revisionszulässigkeit jeweils nach § 502 Abs 3 ZPO, weil der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichtes in Geld in beiden Rechtssachen zwar EUR 4.000, nicht aber EUR 20.000 überstieg und das Berufungsgericht - wie ausgeführt - die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat.

Unter diesen Voraussetzungen ist auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Eine Partei kann in einem solchen Fall nur gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln. Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches" Rechtsmittel bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; auch dieser darf hierüber nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt ferner auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht im Sinne des § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruches des Gerichtes zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS-Justiz RS0109623). Letzteres trifft nach § 474 Abs 2 Satz 2 ZPO auch auf das Fehlen eines bestimmten Rechtsmittelantrages zu (3 Ob 102/01y, 10 Ob 30/05t).

Das Erstgericht wird somit die Rechtsmittel beider Parteien bezüglich jener Teile, die sich auf die zu 13 C 369/97h und 13 C 1497/97s des Erstgerichtes geltend gemachten Forderungen beziehen, dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob die Schriftsätze einer Verbesserung bedürfen, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte