Spruch:
Verbücherung eines auf Lebenszeit des Mieters geschlossenen Bestandvertrages möglich.
Entscheidung vom 2. Februar 1952, 2 Ob 75/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Taxenbach; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Das Grundbuchsgericht hat das Ansuchen des Fritz Sch. um Einverleibung des Bestandrechtes zu seinen Gunsten auf Grund des zwischen ihm und dem Vermieter Josef M. am 27. November 1950 abgeschlossenen Bestandvertrages abgewiesen.
Das Rekursgericht hat dem Ansuchen stattgegeben.
Der Oberste Gerichtshof hat den Beschluß des Rekursgerichtes bestätigt.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach dem vorgelegten Mietvertrag vom 27. November 1950, abgeschlossen zwischen Josef M. als Vermieter einerseits und Fritz Sch. als Mieter andererseits, ist im Punkt II die Mietdauer einverständlich auf unbestimmte Zeit, wenigstens aber auf Lebensdauer des Mieters, beginnend mit 1. Jänner 1951 vereinbart worden. Dem Mieter steht es frei, den Mietvertrag jederzeit gegen vorausgehende einvierteljährige Kündigung zur Auflösung zu bringen, wogegen der Vermieter vor dem Ableben des Mieters keine Berechtigung hat, eine Änderung zu begehren, folglich auch keine Auflösung des Mietvertrages. Mit diesen Vertragsbestimmungen sollte der Mieter vor einer Auflösung des Mietvertrages gegen seinen Willen bis zum Eintritt seines Ablebens geschützt werden. Im Punkt V des Vertrages erteilt der Vermieter zur Sicherung der dem Mieter zustehenden Berechtigungen seine Einwilligung zur Einverleibung des Bestandrechtes zugunsten des Mieters auf der Liegenschaft. Inhaltlich des bezogenen Vertrages steht somit dem Mieter das Mietrecht mindestens auf Lebenszeit zu. Der Bestandvertrag muß gemäß § 1090 ABGB. auf gewisse Zeit geschlossen sein, womit gesagt sein will, daß der Bestandgeber irgendwie zeitlich gebunden sein muß. Sodann will aber das Gesetz immerwährende Nutzungsverhältnisse, wie sie den Gegenstand eines Erbpachtvertrages bilden, ausschließen. Die Dauer des Bestandverhältnisses muß aber nicht schon im voraus bestimmt sein, was sich aus § 1116 ABGB. ergibt, der Bestandverhältnisse von unbestimmter Dauer vorsieht. Der Verzicht des Vermieters auf das Kündigungsrecht für die Dauer seines eigenen Mietvertrages ist daher wirksam, ebenso Unkundbarkeit auf Lebensdauer der Vertragsteile. Die Bestanddauer kann auch durch ein dem Zeitpunkt nach ungewisses anderes Ereignis oder durch Umstände, etwa den Zweck des Vertrages, bestimmt werden (E. v. 20. September 1892, GlU. 14383; 7. Oktober 1886, GlU. 11198; Klang 2. Aufl. zu § 1090 ABGB., S. 11; Swoboda, Schuldverhältnisse, S. 279). § 1095 ABGB. gestattet bei der Vermietung oder Verpachtung unbeweglicher Sachen (E. v. 24. Juli 1900, GlUNF. 1094) die Einverleibung des Bestandrechtes in das öffentliche Buch (§ 9 GBG.). Diese Einverleibung hat dann größere Bedeutung, wenn ein Bestandvertrag auf längere Zeit unkundbar abgeschlossen wird oder von den allgemeinen Kündigungsfristen abweichende längere Kündigungsfristen vereinbart werden. Sie soll Bestandnehmer für den Fall des Verkaufes der Bestandsache gegenüber dem Käufer schützen. Das Bestandrecht nimmt so durch die Verbücherung die Natur einer persönlichen Dienstbarkeit an, die allerdings wesentlich von der Dienstbarkeit des Gebrauches der Fruchtnießung oder der Wohnung verschieden ist. Deshalb ist es auch nach §§ 211 und 227 EO. bei einer zwangsweisen gerichtlichen Versteigerung der Liegenschaft wie eine Dienstbarkeit zu behandeln. Die Meinung des Revisionsrekurses und auch des Erstgerichtes, daß die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 14. Juli 1937, 1 Ob 573/37, ausspreche, ein Bestandvertrag auf unbestimmte Zeit könne nicht verbüchert werden, ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig, vielmehr liegt hier offenbar ein Mißverständnis vor. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Falle handelte es sich um das Begehren des Hauseigentümers auf Einwilligung zur Löschung der Einverleibung des Bestandrechtes nach Ablauf der vereinbarten zehnjährigen unkundbaren Vertragsdauer. Gemäß dem Willen der Parteien sollte der Vertrag nach Ablauf der zehn Jahre nur mehr als auf unbestimmte Zeit verlängert gelten. Der Oberste Gerichtshof hat dem Löschungsbegehren Folge gegeben und in seiner Entscheidung ausgesprochen, daß lediglich der auf bestimmte Zeit abgeschlossene Bestandvertrag der Verbücherung und damit der Verdinglichung fähig sei, weil von einer noch übrigen Zeit im Sinne des § 1095 ABGB. begrifflich nur bei einem auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrage die Rede sein könne. Ein Bestandvertrag auf unbestimmte Zeit könne demnach nicht verbüchert werden; eine solche Verbücherung sei auch zwecklos, weil ein Bestandvertrag auf unbestimmte Zeit nach Maßgabe der jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen durch Kündigung gelöst werden könne. Dieser letzte Satz der bezogenen oberstgerichtlichen Entscheidung läßt ebenso wie der damals zur Entscheidung gestandene Fall eindeutig erkennen, daß dabei nicht an Bestandverträge von unbestimmter Dauer wie im vorliegenden Falle gedacht war, sondern an die normalen Typen des Bestandvertrages auf unbestimmte Zeit mit der Möglichkeit der jederzeitigen Auflösung durch Einhaltung üblicher Kündigungsfristen. Ist jedoch, wie im vorliegenden Fall, die Unbestimmtheit der Dauer des Bestandvertrages nur dadurch gegeben, daß auf die Lebenszeit des Mieters abgestellt wird, so fehlt jeder einleuchtende Grund, einen solchen Bestandvertrag nicht zu Verbüchern. Weder die Vorschrift des § 1095 ABGB., noch jene der §§ 9 und 12 GBG. stehen einer solchen Einverleibung des Bestandrechtes hinderlich im Wege. Im Gegenteil:
Der im § 1095 ABGB. verankerte Schutzgedanke fordert gerade im gegenständlichen Falle die Zulässigkeit der Einverleibung des Bestandrechtes. Ein auf Lebensdauer des Bestandnehmers abgeschlossener Vertrag kann nach dessen Tode nach den Bestimmungen der 2. Grundbuchsnovelle (1942) gelöscht werden (Klang, 2. Aufl. zu § 1095 ABGB., S. 39).
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