OGH 2Ob70/92

OGH2Ob70/9221.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Manfred M*****, vertreten durch Dr.Peter Banwinkler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Andreas L*****, 2. ***** Versicherungs-AG, ***** Deutschland, und 3.) Verband *****, alle vertreten durch Dr.Robert Eichmann, Dr.Helmut Valenta, Dr.Gerhard Gfrerer, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 348.000,-- und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 31.März 1992, GZ 4 R 238/91-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 14.März 1991, GZ 2 Cg 271/89-18, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 8.592,56 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 1.432,09 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 14.11.1988 gegen 17 Uhr stieß der Erstbeklagte als Lenker des bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW VW Golf mit dem deutschen Kennzeichen ***** den Kläger nieder, als dieser versuchte, die E*****straße in L***** auf der Kreuzung mit der A*****-Straße und der W*****straße im Bereiche des dort befindlichen Schutzweges mit seinem Fahrrad in der Weise zu überqueren, daß er den rechten Fuß auf das linke Pedal stellte und mit dem linken Fuß anschob.

Der Kläger begehrte zuletzt die Verurteilung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zum Ersatz seiner mit S 348.000,-- bezifferten Schäden; weiters erhob er ein Feststellungsbegehren.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren sind nur mehr das Mitverschulden des Klägers, die Gegenforderung, die Höhe des Schmerzengeldes und der Anspruch auf Verunstaltungsentschädigung strittig.

Das Berufungsgericht beurteilte die festgestellte Fahrweise des Klägers wie folgt:

Nach § 9 Abs 2 StVO habe der Lenker eines Fahrzeuges einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet, das ungehinderte und ungefährliche Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck dürfe sich der Lenker eines Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, daß er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann; er habe, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten (§ 9 Abs 2 StVO). Nach dieser Bestimmung gäben Schutzwege "dem Fußgänger" gegenüber herannahenden Fahrzeugen den Vorrang; rechtlich unerheblich sei es daher, ob es sich um Kinder oder Erwachsene, um eine oder mehrere Personen handelt. Fußgänger seien aber auch Personen, die einen Rollstuhl, einen Kinderwagen oder ein Kinderfahrrad (§ 2 Abs 1 Z 19 StVO) schieben; ferner auch Kinder, die auf einem Kinderfahrrad fahrend einen Schutzweg überqueren. Im Hinblick auf den Normenzweck und die ähnlichen Verhaltensweisen von Fußgängern und radschiebenden Personen werde § 9 Abs 2 StVO auch auf Personen anzuwenden sein, die mit ihrem Rad zu Fuß einen Schutzweg überqueren (vgl auch § 68 Abs 1 StVO, wonach das Schieben eines Fahrrades auf Gehsteigen erlaubt sei). Dies gelte aber nicht für einen Radfahrer, der einen Schutzweg fahrend überquere; diesfalls kämen die allgemeinen Vorrangregeln des § 19 StVO zur Anwendung (Dittrich-Stolzlechner, StVO3, Rz 23, 24 zu § 9 StVO mwH). Nach der unstrittigen Fahrweise des Klägers, der den rechten Fuß auf das linke Pedal stellte und mit dem linken Fuß, wie mit einem Trittroller fahrend,anschob, könne er nach Ansicht des Berufungsgerichtes nicht einer radschiebenden Person und damit einem Fußgänger gleichgehalten werden. Er habe daher einen Vorrang im Sinne des § 9 Abs 2 StVO nicht für sich in Anspruch nehmen dürfen, sondern wäre verpflichtet gewesen, den bevorrangten Fahrzeugverkehr zu beachten. Diesfalls hätte er den Unfall ohne weiteres vermeiden können.

Unter Berücksichtigung des jugendlichen Alters des Klägers werde dessen Mitverschulden derart beurteilt, daß es mit 1/4 - wie vom Kläger ursprünglich zugestanden - zu veranschlagen sei.

Die gegenteiligen Rechtsmittelausführungen des Klägers sind nicht stichhältig, hingegen treffen die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zu (§ 510 Abs 3 ZPO). Zu ergänzen ist bloß, daß der Oberste Gerichtshof bereits in 8 Ob 76/74 darauf hingewiesen hat, daß eine das Fahrrad schiebende Person ab dem Augenblick des Besteigens des Fahrrades als Radfahrer zu beurteilen sei; nicht anders kann der vorliegende Fall entschieden werden, in welchem der Antrieb des vom Kläger jedenfalls bereits bestiegenen Fahrrades zwar nicht über die Pedale, jedoch mit diesfalls gleicher Wirkung durch ein "Antauchen" mit dem Fuß erfolgte.

Soweit die Revision auch die Ausmittlung des Schmerzengeldes und weiters die Ansicht des Berufungsgerichtes bekämpft, daß die festgestellte Narbe des Klägers keine Beeinträchtigung des privaten oder beruflichen Fortkommens nach sich zog, kann auf die zutreffende Beurteilung des Berufungsgerichtes verwiesen werden; eine Wiedergabe dieses Begründungsteiles konnte mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unterbleiben (vgl § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Da festgestellt wurde (AS 115), daß die A***** GmbH den Fahrzeugschaden den Beklagten zedierte, ist die Behauptung des Klägers, die Beklagten seien zur Aufrechnung nicht berechtigt, widerlegt.

Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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