Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 3.397,35 (darin keine Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger, der zunächst die Scheidung der Ehe gemäß § 49 EheG aus dem Verschulden der Beklagten angestrebt hatte, stützte sodann sein Scheidungsbegehren hilfsweise auch auf die Bestimmung des § 55 EheG und begehrte schließlich im vierten Rechtsgang nur mehr die Scheidung gemäß § 55 EheG, da die eheliche Gemeinschaft seit länger als drei Jahren aufgehoben und die Ehe unheilbar zerrüttet sei.
Die Beklagte widersprach diesem Scheidungsbegehren. Die eheliche Gemeinschaft sei ausschließlich aus dem Verschulden des Klägers aufgehoben, er habe die Beklagte grundlos verlassen und wohne in Gemeinschaft mit einer anderen Frau. Außerdem würde sie die Scheidung überaus hart treffen, weil ihre sozialrechtliche Absicherung gefährdet wäre und sie insbesondere die Krankenversicherungsansprüche verlieren würde. Auch bestehe durchaus Grund zur Annahme, daß der Kläger zu ihr zurückkehren werde. Zuletzt stellte sie vorsichtshalber den Antrag, im Urteil auszusprechen, daß den Kläger das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe.
Das Erstgericht sprach aus, daß die Ehe der Streitteile gemäß § 55 Abs 1 EheG geschieden werde und den Kläger gemäß § 61 Abs 3 EheG das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe.
Es stellte fest, daß die eheliche Gemeinschaft der Streitteile seit 19.8.1980 aufgehoben sei, damals habe der Kläger die eheliche Wohnung verlassen und sei zu Theresia S*** gezogen. Am 23.11.1983 sei auch sie aus dieser Wohnung ausgezogen. Seit 19.8.1980 bestehe zwischen den Streitteilen keine eheliche Gemeinschaft mehr, die Ehe sei unheilbar zerrüttet und der Kläger unter keinen Umständen bereit, in die eheliche Gemeinschaft zurückzukehren. Hinsichtlich des Verhaltens der Streitteile bis zur Auflösung der ehelichen Gemeinschaft, der Gründe für die Zerrüttung der Ehe und des Verhaltens nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft verwies das Erstgericht auf seine früher getroffenen Feststellungen. (Soweit diese Feststellungen für die Behandlung der Revision bedeutsam sind, wird auf sie bei deren Erledigung - siehe unten - Bezug genommen.)
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß der überbundenen Rechtsansicht des Berufungsgerichtes folgend dem Widerspruch der Beklagten gegen die Scheidung keine Berechtigung zukomme, sodaß die Scheidung auszusprechen gewesen sei. Das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe den Kläger.
Die nur gegen den Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG gerichtete Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, verneinte das Vorliegen von Feststellungsmängeln und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne des Entfallens des Ausspruches nach § 61 Abs 3 EheG im Spruch des Urteiles; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Im Revisionsverfahren ist nur mehr der Ausspruch des Verschuldens nach § 61 Abs 3 EheG strittig.
Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 3 ZPO liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).
In der Rechtsrüge führt der Kläger aus, daß sich das Erstgericht in seiner Entscheidung ausschließlich auf Feststellungen gestützt habe, die es in den ersten beiden Rechtsgängen zur "Verschuldensscheidung" traf, wobei es zum Verhalten der Beklagten lediglich feststellte, daß dem Kläger der Nachweis einer Eheverfehlung seiner Frau nicht gelungen sei. Da einerseits für das "Zerrüttungsverschulden" im Sinne des § 61 Abs 3 EheG die Verwirklichung eines Scheidungstatbestandes nicht von Relevanz sei und andererseits das Erstgericht seine Sachverhaltsfeststellungen auf das Verwirklichen von Scheidungstatbeständen abgestellt habe, sei die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß das vom Erstgericht festgestellte Verhalten der Streitteile eine Beurteilung des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe zulasse, rechtlich verfehlt. Da das festgestellte Verhalten des Klägers nach dem Sachverständigengutachten durch krankhafte Störungen bedingt sei, könne es ihm nicht als Verschulden angelastet werden, sodaß ihn auch aus diesem Grunde kein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe träfe. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Gemäß § 61 Abs 3 EheG ist im Fall der Scheidung nach § 55 EheG auf Antrag des Beklagten im Urteil auszusprechen, ob der Kläger die Zerrüttung der Ehe allein oder überwiegend verschuldet hat. Bei der Beurteilung, ob der die Scheidung nach § 55 EheG begehrende Kläger die Zerrüttung der Ehe allein oder überwiegend verschuldet hat, ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten während der ganzen Dauer der Ehe einschließlich verziehener oder verfristeter Eheverfehlungen zu berücksichtigen (EFSlg 41.288, 41.291, 43.690; 8 Ob 570/86 ua.). Maßgebend ist, welcher der Ehegatten den entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, daß die Ehe unheilbar zerrüttet wurde (EFSlg 41.294, 41.288 ua.). Für den Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG genügt unter Umständen auch ein geringgradiges Verschulden an der Zerrüttung der Ehe (EFSlg 43.698 ua.).
Werden diese Grundsätze auf den im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt angewendet und wird berücksichtigt, daß die Ehe der Streitteile bis zu dem Zeitpunkt, als der Kläger Theresia S*** kennenlernte und schließlich am 19.8.1980 zu ihr zog, unauffällig war, seit diesem Zeitpunkt der Kläger aus der Ehe drängte, seine Ehefrau mißhandelte und ihr kein Wirtschaftsgeld mehr zahlte, hingegen festgestellt wurde, daß die Beklagte keine der vom Kläger behaupteten Eheverfehlungen begangen hat, kann in der Auffassung, daß den Kläger an der durch sein Verhalten gegenüber der Beklagten beginnend mit der Aufnahme ehewidriger Beziehungen zu einer anderen Frau hervorgerufenen Zerrüttung der Ehe das Alleinverschulden trifft, keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden. Einer genauen Ermittlung des Zeitpunktes des Eintrittes der Zerrüttung der Ehe bedurfte es unter diesen Umständen entgegen der Auffassung der Revision nicht, ganz abgesehen davon, daß es sich hiebei nach dem festgestellten Verhalten der Streitteile um einen länger dauernden Vorgang handelte, der jedenfalls im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz beendet war.
Auch soweit die Revision geltend macht, das Verhalten des Klägers gegenüber der Beklagten sei durch krankhafte psychische Störungen bedingt gewesen und könne ihm daher nicht als Verschulden angelastet werden, kann seinen Ausführungen nicht beigepflichtet werden. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes, die dieses auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens getroffen hat, ergaben sich bei der klinischen Untersuchung des Klägers Anhaltspunkte für eine Eifersuchtsparanoia, die mit einem früheren Alkoholmißbrauch des Klägers in Zusammenhang stehen dürfte, sowie erhöhte ambivalente Aggressionstendenzen, die unter Enthemmung durch Alkohol zum Tragen kommen. Eine eindeutige schizoide Psychose besteht beim Kläger aber nicht. Die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe wahllose Männerbekanntschaften, entspringen seinen krankhaften Vorstellungen. Aus diesen Feststellungen folgt aber lediglich, daß die vom Kläger gegen die Beklagte erhobenen Vorwürfe unbegründet waren, keinesfalls sind die Feststellungen aber geeignet, seine unter Enthemmung durch Alkohol gegen die Beklagte gerichteten Aggressionshandlungen ihm nicht als Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzulasten. Ohne Rechtsirrtum ist daher das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß den Kläger das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft und daher der Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG gerechtfertigt ist.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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