OGH 2Ob69/08y

OGH2Ob69/08y28.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Klaus O*****, vertreten durch Dr. Klaus Herunter, Rechtsanwalt in Köflach, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Felfernig & Graschitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 15.088,58 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 18. Dezember 2007, GZ 7 R 145/07f-11, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Voitsberg vom 14. November 2007, GZ 2 C 381/07t-8, teilweise bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss, der in seinem bestätigenden Teil als in Rechtskraft erwachsen unberührt bleibt, wird im Übrigen aus Anlass des Revisionsrekurses der klagenden Partei als nichtig aufgehoben. Dem Rekursgericht wird in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten im Zwischenstreit über die Zurückweisung des Widerspruchs.

Text

Begründung

In seiner Mahnklage begehrte der Kläger 9.600 EUR sA aus einer Teilrechnung vom 16. 3. 2007. Gegen den antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl erhob die Beklagte Einspruch mit der Begründung, die Rechnung sei dem Grunde und der Höhe nach nicht richtig. Termin für die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung war der 24. 10. 2007. Vor dieser Tagsatzung langte am 12. 10. 2007 ein vorbereitender Schriftsatz des Klägers ein, in dem er das Klagebegehren aufgrund der Schlussrechnung vom 5. 6. 2007 um 5.488,58 EUR sA auf insgesamt 15.088,58 EUR sA ausdehnte. Dieser Schriftsatz wurde der Beklagten am 18. 10. 2007 zugestellt. Aufgrund der Säumigkeit der Beklagten erging am 24. 10. 2007 ein Versäumungsurteil über 15.088,58 EUR sA. Das Erstgericht wies den gegen dieses Versäumungsurteil eingebrachten Widerspruch der Beklagten zurück. § 442a Abs 1 ZPO schließe den Widerspruch aus, wenn in einem Verfahren bereits Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl erhoben worden sei.

Das von der Beklagten angerufene Rekursgericht bestätigte die Zurückweisung des Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil über den ursprünglichen Klagsbetrag von 9.600 EUR sA, hob den Beschluss des Erstgerichts hinsichtlich des ausgedehnten Betrags von 5.488,58 EUR sA auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die Fortsetzung des Verfahrens auf. Ziel der ZVN 2002 sei gewesen, gerichtliche Verfahren schneller und effizienter zu gestalten. § 442a ZPO sollte daher dem Beklagten verwehren, zunächst gegen einen Zahlungsbefehl Einspruch zu erheben, in weiterer Folge gegen sich ein Versäumungsurteil ergehen zu lassen, um dann gegen dieses Widerspruch zu erheben. Diese Einschränkung könne aber nur in dem Umfang gelten, in dem tatsächlich ein Zahlungsbefehl erlassen worden sei.

Das Rekursgericht ließ nach § 528 Abs 1 ZPO den ordentlichen Revisionsrekurs zu und begründete dies mit fehlender höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu derartigen Verfahrenskonstellationen.

Der Kläger beantragt in seinem Revisionsrekurs die Abänderung des rekursgerichtlichen Beschlusses dahin, dass dem Rekurs der Beklagten nicht Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben bzw ihn im Kostenpunkt als absolut unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Rechtsmittelausschluss des § 397a Abs 3 letzter Satz ZPO, der auch im bezirksgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist (§ 431 Abs 1 ZPO, § 442a Abs 1 ZPO), bezieht sich grundsätzlich nur auf die Bekämpfung des Beschlusses, mit dem das Versäumungsurteil aufgehoben wird (RIS-Justiz RS0040948). Der Revisionsrekurs, mit dem der Kläger die Wiederherstellung der (gänzlichen) erstgerichtlichen Zurückweisung des Widerspruchs begehrt, ist somit nicht jedenfalls unzulässig (3 Ob 628/83 = SZ 56/191 = RIS-Justiz RS0040948 [T1]).

2. Aus Anlass des nach Punkt 1 zulässigen Rechtsmittels war von Amts wegen eine dem Rekursgericht unterlaufene Nichtigkeit wahrzunehmen:

Nach § 521a Abs 1 Z 3 ZPO ist das Verfahren über einen Rekurs gegen einen Beschluss, mit dem eine Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen oder ein Antrag auf Zurückweisung der Klage verworfen worden ist, zweiseitig. Diese Bestimmung gilt nach § 521a Abs 2 ZPO auch für das Revisionsrekursverfahren. Die höchstgerichtliche Judikatur befürwortet eine analoge Anwendung des § 521a Abs 1 Z 3 ZPO in Fällen, in denen ein Gericht über die Zulässigkeit des Verfahrens entscheidet (5 Ob 526/91, RIS-Justiz RS0042831). Dazu gehören insbesondere die Zurückweisung des Einspruchs im Mahnverfahren (vgl RIS-Justiz RS0042831 für die Zurückweisung durch das Berufungsgericht; allgemein G. Kodek in Fasching/Konecny² III § 249 ZPO Rz 14) und die Zurückweisung eines Widerspruchs gegen ein Versäumungsurteil (1 Ob 2327/96d). In solchen Fällen wird dem Beklagten die Sachentscheidung über seinen Rechtsschutzantrag verweigert, was zur Zweiseitigkeit des gesamten Rechtsmittelverfahrens - also auch für den Revisionsrekurs gegen die vom Rekursgericht angeordnete Verfahrensfortsetzung - führt (1 Ob 2327/96d).

In 6 Ob 80/06t sprach der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf G. Kodek (aaO § 261 ZPO Rz 90) aus, dass § 521a Abs 1 Z 3 ZPO zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch auf amtswegig gefasste Entscheidungen über die Beendigung des Prozessverhältnisses anzuwenden sei. Das Rekursgericht hatte einen Beschluss des Erstgerichts bestätigt, mit dem dieses von Amts wegen nach § 460 Z 10 ZPO die Fortsetzung eines unterbrochenen Scheidungsprozesses angeordnet hatte. Da der Revisionsrekurs die Beendigung des Prozessrechtsverhältnisses begehre, sei § 521a Abs 1 Z 3 ZPO analog anzuwenden.

Anders als im Fall einer nur mit Art 6 EMRK begründeten Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens (6 Ob 24/06g mwN; 8 Ob 129/06p) beträgt bei einem derartigen auf § 521a Abs 1 Z 3 ZPO gestützten Analogieschluss die Rekursfrist nicht 14 Tage, sondern vier Wochen (vgl 3 Ob 96/03v = RIS-Justiz RS0037404 [T8]; vgl Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 521 ZPO Rz 10). Der Revisionsrekurs des Klägers ist - ebenso wie die Revisionsrekursbeantwortung der Beklagten - rechtzeitig innerhalb der hier anzuwendenden vierwöchigen Frist (§ 521a Abs 1 ZPO und § 521 Abs 1 ZPO) erhoben worden. Dem Kläger wurde hier keine Gleichschrift des Rekurses zur Beantwortung zugestellt. Diese Verletzung der Zweiseitigkeit führt zur von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit des Rekursverfahrens (RIS-Justiz RS0044028; RS0005673; 10 Ob 107/07v; Zechner aaO § 521a ZPO Rz 6).

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO. Durch den Revisionsrekurs des Klägers ist ein Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Widerspruchs entstanden, dessen Kosten nicht das Schicksal der Hauptsache teilen. Der Fall ist auch in diesem Punkt gleich dem Streit über die Zurückweisung einer Klage zu behandeln (vgl RIS-Justiz RS0035955).

§ 397a Abs 4 ZPO steht der Annahme eines Zwischenstreits nicht entgegen. Danach ist derjenigen Partei, die den Widerspruch erhoben hat, der Ersatz aller Kosten aufzuerlegen, die durch ihre Versäumung und die Verhandlung über den Widerspruch verursacht worden sind. Diese Kostentragungsregel ist ähnlich § 154 ZPO eine Spezialnorm des § 48 ZPO und erfasst nur jene Kosten, die zusätzlich wegen der verspäteten Bestreitung des Klagebegehrens entstanden sind (Obermaier, Kostenhandbuch [2005] Rz 199). Der Zweck dieser Kostentragungsregel fordert nicht, dem Beklagten auch die Kosten eines - vom Gesetzgeber offenkundig nicht bedachten - Streits über die Zulässigkeit des Widerspruchs selbst im Fall des Obsiegens aufzuerlegen (vgl 4 Ob 63/08f).

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