Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat den Beklagten die mit 2.958,23 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 240 S Barauslagen und 247,11 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 11. 12. 1982 ereignete sich auf dem zwischen dem Wiener Südbahnhof und dem Wiedner Gürtel befindlichen Platz (der der Zufahrt zum Bahnhof, zu Post und Zoll sowie zum Parken dient) ein Verkehrsunfall, an welchem die Klägerin mit ihrem PKW und der Zweitbeklagte mit einem von der Erstbeklagten gehaltenen, bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten PKW beteiligt waren. Die Klägerin kam vom Wiedner Gürtel und beabsichtigte (in Verlängerung der Argentinierstraße) in das Postzentrum Wien-Süd zu fahren. Der Zweitbeklagte näherte sich von rechts aus einer Zufahrtsstraße zu einer Tankstelle. Die Fahrbahn des Gürtels ist von dieser parallel verlaufenden Zufahrtsstraße 30 m entfernt. Unter Berücksichtigung der Gehsteige befindet sich zwischen den beiden Straßen eine etwa 24 m breite Grünfläche. Die Zufahrtsstraße ist 10 m breit, an beiden Rändern sind je 2 m breite Parkstreifen markiert. Für die Zufahrtsstraße ist ein allgemeines Fahrverbot mit dem Zusatz „Zufahrt gestattet“ angeordnet.
Die Klägerin begehrte einen Schadenersatzbetrag von 18.763,30 S samt Zinsen und führte aus, der Zweitbeklagte sei aus einer Nebenfahrbahn, zumindest aber aus einer iSd § 19 Abs 6 StVO untergeordneten Verkehrsfläche gekommen.
Die Beklagten begründeten ihren Antrag, das Klagebegehren abzuweisen, damit, der Zweitbeklagte habe sich im Rechtsvorrang befunden.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es führte zur Rechtsfrage aus, bei der Zufahrtsstraße handle es sich um eine Nebenfahrbahn, die dem Fließverkehr aus Richtung Argentinierstraße untergeordnet sei. Dies sei daraus zu schließen, dass es sich um eine Zufahrtsstraße zur Tankstelle und zu Parkplätzen handle, die überdies noch mit einer Verkehrstafel gemäß § 52 lit a Z 1 StVO „Fahrverbot“ (mit Zusatz: Zufahrt gestattet) gekennzeichnet sei. Der Klägerin sei daher der Vorrang gemäß § 19 Abs 6 StVO zugestanden.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass das Klagebegehren abgewiesen wurde. Die Revision wurde für zulässig erklärt. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Ansicht, zwischen Haupt- und Nebenfahrbahn müsse ein räumlicher Zusammenhang von der Art gegeben sein, dass er dem, der diese benütze, ebenso wie dem, der sie kreuze, erkennbar sein müsse. Davon aber könne hier nicht die Rede sein. Vielmehr könne zufolge der räumlichen Ausgestaltung nicht mehr angenommen werden, dass Fahrzeuglenker, die einerseits den Gürtel, andererseits aber die Zufahrtsstraße benützten, ihre Fahrzeuge auf bloß verschiedenen Fahrbahnen ein und derselben Straße bewegen. Sei aber die Zufahrtsstraße keine Nebenfahrbahn des Gürtels, dann sei der, der sie befahre, gegenüber dem Querverkehr (der den Platz vor dem Südbahnhof benütze), nicht gemäß § 19 Abs 6 StVO im Nachrang. Dann gelte Abs 1 der zitierten Gesetzesstelle, auch wenn für die Zufahrtsstraße ein allgemeines Fahrverbot angeordnet worden sei. Ungeprüft könne daher bleiben, ob der Platz vor dem Südbahnhof gegenüber dem Gürtel als eine schon gemäß § 19 Abs 6 StVO nachrangige Fläche anzusehen sei (wäre das der Fall, so könnte sich die Klägerin auch nicht durch den Hinweis, die Zufahrtsstraße sei Nebenfahrbahn des Gürtels, auf § 19 Abs 6 StVO berufen).
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung iSd § 503 Abs 2 ZPO geltend und beantragt die Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin führt aus, das Postzentrum trage die Bezeichnung „Wiedner Gürtel 1 c“. Die vor dem Postzentrum gelegene Fahrbahn sei daher zweifellos, wenn sie neben der Hauptfahrbahn verlaufe, als Nebenfahrbahn anzusehen. Unrichtig sei, dass aufgrund der räumlichen Ausgestaltung nicht mehr angenommen werden könne, dass Fahrzeuglenker, die den Gürtel einerseits und das vom Zweitbeklagten benützte Straßenstück andererseits benützen, ihre Fahrzeuge auf verschiedenen Fahrbahnen ein und derselben Straße bewegen. Wenn auch die Grünfläche relativ groß sei, müsse auf die Breitenverhältnisse der Hauptfahrbahn, der Unterteilungsfläche und der Nebenfahrbahn abgestellt werden. Setze man die Breite der Hauptfahrbahn des Gürtels (bei Berücksichtigung beider Fahrtrichtungen) in Relation zur Grünfläche, so sei ein klarer räumlicher Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebenfahrbahn erkennbar. Die Grünfläche trete in ihrer Bedeutung vollkommen hinter der Haupt- des Gürtels zurück und sei klar als diejenige Anlage zu erkennen, durch die eine Trennung zwischen Hauptfahrbahn und Nebenfahrbahn iSd § 2 Abs 1 Z 4 StVO hergestellt werden solle. Darin, dass die Vorinstanzen die Breite der gesamten Anlage nicht festgestellt hätten, werde ein Feststellungsmangel gesehen. Darüberhinaus sei auch dann, wenn das Straßenstück, das der Zweitbeklagte benützt habe, nicht als „Nebenfahrbahn“ im wörtlichen Sinne des § 2 Abs 1 StVO aufgefasst werden sollte, doch klar, dass der Zweitbeklagte auf einer untergeordneten Verkehrsfläche iSd § 19 Abs 6 StVO im Vergleich zu der von der Klägerin benützten Gefahren sei, sodass sich die Klägerin jedenfalls im Vorrang befunden habe.
Diesen Ausführungen ist Folgendes zu erwidern:
Die Bezeichnung des Postzentrums mit „Wiedner Gürtel 1 c“ ist für die Beurteilung der Frage, ob die davor befindliche Verkehrsfläche eine Nebenfahrbahn des Wiedner Gürtels ist, ohne Bedeutung. Gemäß § 2 Abs 1 Z 4 StVO ist eine Nebenfahrbahn jede neben einer Hauptfahrbahn, von dieser jedoch getrennte Fahrbahn einer Straße. Aufgrund der Beschaffenheit der zwischen der Fahrbahn des Wiedner Gürtels und dem Wiener Südbahnhof befindlichen Fläche kann nicht gesagt werden, dass es sich bei der vom Zweitbeklagten benützten Verkehrsfläche um eine Nebenfahrbahn handelt. Wie sich aus den Lichtbildern Beilage II ergibt, besteht die Verkehrsfläche, die sich in Fahrtrichtung der Klägerin gesehen links befindet, aus einem breiten Platz, in dessen Mitte ein Raum für parkende Fahrzeuge vorgesehen ist. Um diese Parkfläche herum wurde eine Einbahnregelung für die zu- und abfahrenden Verkehrsteilnehmer getroffen. Diese Verkehrsfläche kann, mag sie auch gegenüber dem Wiedner Gürtel als eine solche iSd § 19 Abs 6 StVO anzusehen sein, nicht als Nebenfahrbahn des Wiedner Gürtels angesehen werden. Der vom Zweitbeklagten benützten Verkehrsfläche, die in Fahrtrichtung der Klägerin gesehen rechts an diesen Platz anschließt und die außer als Zufahrt zu einer Tankstelle ebenfalls dem Parken dient, kommt keine andere rechtliche Qualifikation zu als dem Platz selbst. Die Entfernung zur Fahrbahn des Wiedner Gürtels, die zwischen beiden Flächen befindliche breite Grünfläche sowie die Zweckbestimmung dieser Fläche, zeigen deutlich, dass sie als Teil des vor dem Südbahnhof gelegenen Platzes, den Zwecken des Zufahrens und des Parkens dient, anzusehen ist, nicht aber als eine Nebenfahrbahn zum Gürtel. Die Klägerin befand sich, nachdem sie die Fahrbahn des Wiedner Gürtels verlassen hatte, ebenso auf diesem Platz wie der Zweitbeklagte. Es kam ihr daher nicht der Vorrang gemäß § 19 Abs 6 StVO zu. Vielmehr befand sich der Zweitbeklagte im Rechtsvorrang, weshalb das Berufungsgericht das Klagebegehren zutreffend abgewiesen hat.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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