Spruch:
Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Dem Rekurs der beklagten Partei wird ebenfalls nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 24.3.1992 ereignete sich auf einem Güterweg zwischen der Klägerin als Reiterin eines Pferdes und einem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW ein Unfall, bei dem die Klägerin verletzt wurde. Gestützt auf das Verschulden der Lenkerin des bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKWs - Einhaltung eines zu geringen Sicherheitsabstandes und überhöhte Geschwindigkeit - begehrt die Klägerin Schmerzengeld von S 25.000,-- sowie S 40.000,-- an Minderung des Wertes des Pferdes, weil dieses nicht mehr straßentauglich sei.
Die Beklagte wendete ein, daß die Lenkerin des bei ihr versicherten Fahrzeuges kein Verschulden treffe, sie habe auch jede gebotene Sorgfalt eingehalten; die Klägerin selbst habe gegen § 79 StVO verstoßen. Weiters treffe die Klägerin nach § 1320 ABGB eine verschuldensunabhängige Haftung.
Die beklagte Partei wendete eine Gegenforderung von S 23.549,60 mit der Begründung ein, daß es sich dabei um den Schaden ihres Versicherungsnehmers handle, der ihr zum Inkasso abgetreten worden sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Die Klägerin war als Reiterin ihrer Fuchsstute auf dem Güterweg G*****bergauf nach I*****unterwegs. Herta St*****fuhr mit dem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Marke Nissan Sunny auf diesem Güterweg talwärts. Der rund 3,8 m breite geschotterte Güterweg wies in Richtung der Klägerin eine Steigung von etwa 6 % auf. Bergwärts gesehen befand sich an seiner linken Seite ein etwa 30 cm tiefer und etwa 75 cm breiter grasbewachsener Wassergraben an den eine Böschung anschloß. An der rechten Seite des Güterweges bestand entsprechend der Wegtrasse ein relativ steiler grasbewachsener Abhang. Zum Unfallszeitpunkt waren der Schotterweg sowie die anschließenden Wiesen feucht. Die Klägerin benützte zunächst die Fahrbahnmitte. Als sie den PKW entgegenkommen sah, ritt sie mit dem Pferd nach links in den gleichfalls feuchten Wassergraben und ließ in diesem das Pferd im Schritt weitergehen. Die Lenkerin des PKW hielt bei Annäherung an die Reiterin eine Geschwindigkeit von 20 bis maximal 30 km/h ein; sie lenkte ihr Fahrzeug zur Fahrbahnmitte um mit einem Sicherheitsabstand von ungefähr 3/4 m an der Reiterin vorbeizufahren. Als das Auto auf der Höhe des Pferdes war stieß das Pferd - sei es weil es in dem Graben auf dem feuchten Gras gestrauchelt war oder plötzlich zu scheuen begann oder einfach infolge eines Reitfehlers mit der Hinterhand nach rechts ausdrehte - mit dem rechten hinteren Oberschenkel gegen die rechte Seite des PKW. Dadurch brach an diesem der rechte Außenspiegel und barst die Windschutzscheibe. Das Pferd kippte in der Folge nach rechts und kam samt der Reiterin zu Sturz. Die Lenkerin des PKW leitete darauf sofort ein Bremsmanöver ein und brachte ihr Fahrzeug 5 bis maximal 15 m danach zum Stillstand.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Unfall habe sich für die PKW-Lenkerin als unabwendbares Ereignis dargestellt. Die Klägerin aber sei entgegen den Bestimmungen der StVO nicht nach rechts ausgewichen, sondern nach links. Sie sei trotz der relativ engen Fahrbahn nicht vom Pferd abgestiegen und habe es nicht beruhigend am Zügel gehalten, sondern sei in dem schmalen Graben weitergeritten, so daß das Pferd offenkundig auf dem feuchten Gras ausgerutscht sei und gescheut habe. Sie treffe das Alleinverschulden an dem von ihr geltend gemachten Schaden.
Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Zahlung von S 32.500,-- samt Zinsen als Teilurteil; insoweit wurde die ordentliche Revision für zulässig erklärt. Im übrigen wurde das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen; es wurde ausgesprochen, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei.
Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, die Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges habe zum Pferd der Klägerin einen zu geringen Seitenabstand eingehalten. Sie hätte einerseits § 7 Abs 1 und Abs 2 StVO zu beachten gehabt, wonach der Lenker eines Fahrzeuges so weit rechts zu fahren habe, wie ihm dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer möglich sei; andererseits sei § 17 Abs 1 StVO sinngemäß anzuwenden, wonach ein Vorbeifahren nur dann gestattet ist, wenn dadurch andere Straßenbenützer (insbesonders entgegenkommende) weder gefährdet noch behindert werden. Wie groß der Abstand sein müsse, bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalles, doch sei zu berücksichtigen, daß sich die Klägerin auf einem Pferd, also auf einem Tier, auf dessen Verhalten ein Reiter zwar je nach seiner Ausbildung und je nach Erziehung des Pferdes Einfluß habe, das sich aber dennoch nicht wie eine Maschine steuern lasse, sondern eigene, nicht immer beeinflußbare Reaktionen setze, befunden habe. Je unberechenbarer das Verhalten eines Menschen oder eines Tieres sei, desto größer müsse der Abstand beim Vorbeifahren sein. Da Pferde nicht immer berechenbar seien, aber infolge ihrer Größe, insbesonders ihrer Beinlänge, sehr leicht in die Fahrlinie eines sich vorbeibewegenden Fahrzeuges geraten könnten, reiche ein Seitenabstand von ca 75 cm nicht aus, was auch die Lenkerin des PKW hätte leicht erkennen können. Da der PKW eine Breite von etwa 1,6 m gehabt habe, wäre es ohne weiteres möglich gewesen, auf dem ca 3,8 m breiten Güterweg einen größeren Seitenabstand einzuhalten.
Die Ansicht, daß die Klägerin gemäß § 1320 ABGB eine verschuldensunabhängige Haftung treffe, wurde vom Berufungsgericht abgelehnt und ausgeführt, bei der Haftung des Tierhalters handle es sich um eine Verschuldenshaftung mit Umkehr der Beweislast. Demnach sei es Aufgabe der Klägerin zu beweisen, die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung des von ihr gehaltenen Tieres nicht schuldhaft unterlassen zu haben. Da vom Erstgericht aber ein Reitfehler nicht ausgeschlossen wurde, sei der Klägerin der Beweis, die Beaufsichtigung, das heißt die Kontrolle über das Pferd, und damit die ordnungsgemäße Verwahrung nicht schuldhaft unterlassen zu haben, nicht gelungen, sodaß sie gemäß § 1320 ABGB hafte. Es stünden einander daher der Verstoß der Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges gegen § 17 Abs 1 StVO und die Haftung der Klägerin gemäß § 1320 ABGB gegenüber. Beide Verstöße seien für die Kollision ursächlich gewesen. Bei der Abwägung des Verschuldens der Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges und der Haftung der Klägerin lasse sich nicht bestimmen, welche Ursache schwerwiegender war, sodaß gemäß § 1304 ABGB eine Schadensteilung von 1:1 angemessen erscheine. Die Hälfte des Klagebegehrens sei daher ohne weitere Prüfung der Höhe nach jedenfalls abzuweisen.
Da das Erstgericht keine Feststellungen über den von der Klägerin erlittenen Schaden getroffen habe, sei das Urteil hinsichtlich des verbliebenen Klagebegehrens aufzuheben.
Die ordentliche Revision und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurden für zulässig erklärt, weil es sich um eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung handle und eine auf den konkreten Einzelfall anzuwendende Judikatur des Obersten Gerichtshofes nicht ersichtlich sei.
Gegen das das Ersturteil teilweise bestätigende Teilurteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, ihm keine Folge zu geben.
Gegen den Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den bekämpften Beschluß ersatzlos zu beheben und in der Sache selbst im klagsabweisenden Sinn zu entscheiden.
Die Klägerin beteiligte sich am Rekursverfahren nicht.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rechtsmittel sind zulässig, weil es eine Rechtsprechung, die einen vergleichbaren Sachverhalt betrifft, nicht gibt und sich ähnliche Unfälle im Begegnungsverkehr zwischen Reitern und Kraftfahrzeugen jederzeit wieder ereignen können. Was den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes betrifft, ist dessen Ausspruch, das Verfahren sei erst nach Rechtskraft des Beschlusses fortzusetzen, iS des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO so zu verstehen, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist.
Zur Revision der Klägerin:
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vertritt die Klägerin die Meinung, die Lenkerin des bei der beklagten Partei versicherten Fahrzeuges hätte nicht mit rund 30 km/h und einem Abstand von 75 cm an ihr vorbeifahren dürfen; sie hätte ihr Fahrzeug notfalls zum Stillstand abbremsen oder die Geschwindigkeit erheblich herabsetzen müssen. Demgegenüber sei ihr kein Verschulden gemäß § 1320 ABGB anzulasten. Ein Ausweichen nach rechts zum steil abfallenden Hang habe weder den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der StVO für das Gehen von Fußgängern auf Freilandstraßen entsprochen, noch entspreche es einer ordnungsgemäßen Verwahrung des Pferdes, da diesfalls ein Straucheln, "Abstützen" oder Scheuwerden des Pferdes möglich gewesen wäre. Die Klägerin habe die rechtlich einzig richtige Reitlinie gewählt. Anhaltspunkte dafür, daß das Pferd bei Begehen des relativ breiten Grabens straucheln oder ausrutschen könnte, hätten für die Klägerin nicht bestanden.
Diese Ausführungen sind nicht zutreffend:
Zunächst ist der Klägerin entgegenzuhalten, daß sie sich nicht auf die Bestimmung des § 76 Abs 1 StVO, wonach Fußgänger auf Freilandstraßen, außer im Falle der Unzumutbarkeit, auf dem linken Straßenbankett (auf dem linken Fahrbahnrand) zu gehen haben, berufen kann. Gemäß § 79 Abs 2 StVO gelten nämlich für Reiter bei der Benützung der Fahrbahn die Bestimmungen des II. Abschnittes dieses Gesetzes, sohin die Fahrregeln und nicht auch die Bestimmungen des VIII. Abschnittes über den Fußgängerverkehr.
Was die Frage des zu geringen Seitenabstandes des Beklagtenfahrzeuges und die damit verbundene überhöhte Geschwindigkeit betrifft, ist der Klägerin entgegenzuhalten, daß das Berufungsgericht diese Umstände ohnehin der beklagten Partei angelastet hat.
Hinsichtlich der Frage der Tierhalterhaftung, ist es gleichgültig, ob man die Haftung des Tierhalters nach § 1320 ABGB als Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast oder als verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung deutet, da in beiden Fällen der Halter nur dann nicht für den von ihm herbeigeführten Schaden einzustehen hat, wenn ihm der Beweis gelingt, daß er für die nach der erwähnten Gesetzesstelle erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung des Tieres gesorgt hat. Dies ist allerdings nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Hat der Halter für die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung des Tieres gesorgt, dann mangelt es an dem für seine Haftung vorausgesetzten objektiven Fehlverhalten iS mangelnder Rechtswidrigkeit. Die Bestimmung des Maßes der erforderlichen Beaufsichtigung und Verwahrung hat in elastischer und den Umständen des Einzelfalles Rechnung tragender Weise zu erfolgen. Dabei spielt die Gefährlichkeit des Tieres, die Möglichkeit der Schädigung durch das spezifische Tierverhalten und die Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Rolle. Es ist nicht nur auf das bisherige Verhalten des Tieres, sondern auch die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung durch das Tier zu prüfen (1 Ob 564/89 mwN). Da im vorliegenden Fall ein Reitfehler der Klägerin nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde der ihr obliegende Beweis für die erforderliche Beaufsichtigung des Tieres gesorgt zu haben, nicht erbracht. Zutreffend sind daher die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß (auch) die Klägerin für den von ihr geltend gemachten Schaden einzutreten hat.
Der von der Klägerin erhobenen Revision war somit ein Erfolg zu versagen; die Kostenentscheidung gründet sich insoweit auf § 52 Abs 2
ZPO.
Zum Rekurs der beklagten Partei:
Die beklagte Partei wendet sich in ihrem Rechtsmittel gegen die Ansicht, es falle der Lenkerin des bei ihr haftpflichtversicherten KFZ ein Verstoß gegen § 17 Abs 1 StVO zur Last. Da sich Reiterin und Pferd zur Gänze außerhalb der Straße befunden hätten, könne das Verhalten der PKW-Lenkerin nicht als Vorbeifahrt iS des § 2 Abs 1 Z 30 StVO angesehen werden. Da auch keine sonstigen, den Fahrbahnbereich betreffenden Umstände gegeben seien, komme auch eine sinngemäße Anwendung der Bestimmungen des § 17 Abs 1 StVO nicht in Betracht. Die nach § 7 Abs 1 StVO zu beurteilende Frage, ob ein zum rechten Fahrbahnrand eingehaltener Seiten- bzw Sicherheitsabstand ausreichend gewesen sei, sei weniger streng, als beim Vorbeifahren iS des § 2 Abs 1 Z 30 StVO zu beurteilen; beim Passieren eines zur Gänze außerhalb der Straße befindlichen Reitgespannes müsse kein größerer Seitenabstand als 75 cm eingehalten werden bzw dürfe dies gar nicht geschehen. Da die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bei langsamer Fahrt Seiten- bzw Sicherheitsabstände von rund 50 cm als hinreichend erachtet habe und darunter sicherlich auch die von der Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges eingehaltene Geschwindigkeit von 20 bis maximal 30 km/h zu verstehen sei, sei das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen.
Es komme der Beklagten auch der Vertrauensgrundsatz des § 3 StVO zugute, weshalb sie nicht mit einem Fehlverhalten der Klägerin rechnen hätte müssen. Man müsse bedenken, daß gerade im Bereich der Großstadt Wien täglich zahlreiche Pferdegespanne bzw Fiaker unterwegs seien, welche unter Heranziehung der vom Berufungsgericht aufgestellten Sorgfaltsmaßstäbe kaum überholt werden könnten. Vielmehr zeige das Verhalten dieser Pferde, daß man grundsätzlich darauf vertrauen könne, daß Reiter bzw Kutscher nur solche Pferde verwenden, welche ein vorschriftsmäßiges Verhalten ermöglichen und keine unverhältnismäßigen Schreckreaktionen zeigen. Daraus folge, daß auch Straßenbenützer nicht mit einer besonderen Tiergefahr rechnen müßten und der Halter dann, wenn sich diese tatsächlich verwirkliche, dafür einzustehen habe. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung müsse davon ausgegangen werden, daß der von der Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges eingehaltene Seiten- bzw Sicherheitsabstand von 75 cm insbesondere wegen der langsamen Geschwindigkeit von 20 bis maximal 30 km/h jedenfalls ausreichend gewesen sei.
Selbst wenn man aber von einer gewissen Mitverantwortlichkeit der beklagten Partei ausginge, seien die von der Klägerin zu vertretenden Haftungsmomente weit überwiegend. Ein Verschulden der Klägerin sei nämlich auch darin zu erblicken, daß sie sich trotz des entgegenkommenden KFZ nicht entsprechend der Regel des § 7 Abs 1 StVO zum rechten Fahrbahnrand begeben habe, sondern dem Kraftfahrzeug nach links ausgewichen sei. In diesem Verhalten der Klägerin liege auch ein Verstoß gegen § 10 Abs 1 StVO.
Berücksichtige man all diese Umstände, so sei eine Mitverantwortlichkeit der beklagten Partei im Ausmaß von äußerstenfalls 25 % gerechtfertigt.
Auch diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:
Richtig ist zwar, daß die Lenkerin des bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Fahrzeuges nicht an der Klägerin und ihrem Pferd iS des § 2 Abs 1 Z 30 StVO vorbeigefahren sind, weil sich die Klägerin mit ihrem Pferd nicht auf der Fahrbahn befand - der von ihr benützte Wassergraben ist, wie im folgenden noch darzulegen sein wird, nicht Teil der Straße - und andererseits Klägerin und Pferd sich bewegten. Wenngleich daher § 17 Abs 1 StVO auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden kann, erfordert dennoch das Vorbeifahren an Vieh stets besondere Aufmerksamkeit (ZVR 1973/174) und muß bei einem Reitpferd damit gerechnet werden, daß dieses eine unkontrollierbare Bewegung in die Fahrtrichtung des Kraftfahrzeuges macht. Im Hinblick auf die Größe eines Pferdes bestehen gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß hiefür ein Abstand von 75 cm - insbesonders wenn man auch berücksichtigt, daß die Klägerin eine Geschwindigkeit von zumindest 20 km/h einhielt - nicht ausreicht, keine Bedenken. Die im Rekurs der beklagten Partei zitierte Entscheidung ZVR 1968/29 betrifft das Vorbeifahren an einem abgestellten Kraftfahrzeug, sie kann daher zur Beurteilung eines Unfalles im Begegnungsverkehr mit einem Reitpferd nicht herangezogen werden. Vielmehr wurde in ZVR 1982/289 (gegenüber einem Fußgänger) ausgeführt, daß ein Seitenabstand von einem Meter selbst bei optimalen Verhältnissen einzuhalten ist. Ob ein Abstand von 75 cm beim Überholen eines Fiakers im Großstadtverkehr ausreichend ist, braucht im vorliegenden Fall nicht beurteilt zu werden; eine derartige Verkehrssituation kann aber keinesfalls mit der hier vorliegenden verglichen werden. Von einem Reitpferd auf einem Güterweg kann nicht jene Verkehrstoleranz erwartet werden, wie von einem Fiakerpferd in einer Großstadt; letzteres ist schon allein aufgrund der Deichsel und des von ihm gezogenen Gespannes nicht so beweglich wie ein Reitpferd.
Es trifft zwar zu, daß der Vertrauensgrundsatz auch gegenüber einem Reiter gilt (2 Ob 168/73), doch kann die Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges, die einen zu geringen Seitenabstand eingehalten hat, nicht darauf vertrauen, daß sich Pferd und/oder Reiter verkehrsgerecht verhalten werden (vgl ZVR 1991/76 mwN).
Wenn nun die beklagte Partei hinsichtlich der Mitverschuldensquote geltend macht, das Pferd und die Reiterin hätten rechts gehen müssen, ist entgegen zu halten, daß die Klägerin die Fahrbahn überhaupt verlassen hat; es ist zwar richtig, daß gemäß § 10 Abs 1 StVO bei einem entgegenkommenden Fahrzeug rechtzeitig und ausreichend rechts auszuweichen ist; dieses Gebot gilt aber nur dann, wenn das Ausweichen innerhalb der Straße erfolgt. Verläßt einer der Verkehrsteilnehmer die Straße überhaupt, kann ihm nicht vorgeworfen werden, er hätte dies auf der rechten Seite machen müssen. Gemäß § 1 StVO gilt diese nämlich nur für Straßen, worunter gemäß § 2 Abs 1 Z 1 leg cit eine für den Fußgänger- oder für den Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen zu verstehen ist. Ein neben der Straße befindlicher Wassergraben ist aber nicht für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmt und stellt auch keine diesem Verkehr dienende bauliche Anlage dar (ZVR 1968/196). § 10 Abs 1 StVO kann daher auf das Verhalten der Klägerin nicht angewendet werden.
Berücksichtigt man nun, daß der Klägerin der Nachweis, sie hätte für die erforderliche Beaufsichtigung des Reitpferdes gesorgt, nicht gelungen ist und daß auf der anderen Seite der Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges die Einhaltung eines zu geringen Seitenabstandes vorzuhalten ist, erscheint die vom Berufungsgericht vorgenommene Aufteilung des Schadens im Verhältnis 1:1 gerechtfertigt.
Es war somit auch dem unberechtigten Rekurs der beklagten Partei keine Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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