Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte und Widerklägerin ist schuldig, dem Kläger und Widerbeklagten die mit S 3.397,35 (darin keine Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile schlossen am 24.5.1983 in Villach die Ehe, die auf Seiten des Klägers und Widerbeklagten (im folgenden als Kläger bezeichnet) die zweite, auf Seiten der Beklagten und Widerklägerin (im folgenden als Beklagte bezeichnet) die dritte war. Beide Streitteile sind römisch-katholisch und österreichische Staatsbürger. Die Ehe blieb kinderlos. Ehepakte wurden nicht geschlossen.
Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten. Er behauptete eine Vereinbarung, wonach nach Erlangung einer neuen Wohnung durch ihn die eheliche Gemeinschaft aufgenommen hätte werden sollen. Die Beklagte weigere sich zu ihm zu ziehen. Sie habe überdies wechselnde Männerbekanntschaften.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung, erhob Widerklage und begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Klägers. Sie behauptete ihrerseits, es sei vereinbart gewesen, die von ihr angestrebte Wohnung in Ferlach gemeinsam zu beziehen, was aber der Kläger dann abgelehnt habe. Dieser habe ihr überdies erst auf Grund einer Unterhaltsklage Unterhalt bezahlt. Er lege überdies ein liebloses Verhalten an den Tag und habe sich auch ihrer Tochter sexuell genähert.
Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe aus dem beiderseitigen gleichteiligen Verschulden der Streitteile aus, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Die erste Ehe des Klägers wurde aus seinem Alleinverschulden geschieden, weil er seine Unterhaltspflicht verletzt und seine Gattin tätlich mißhandelt hatte. Aus dieser Ehe des Klägers entstammte der mj. Mario H***, geboren am 17.5.1973. Die Beklagte war zweimal mit demselben Mann verheiratet.Diese Ehe wurde zuletzt aus dem gleichteiligen Verschulden der Ehegatten geschieden. Die Beklagte erhielt dabei keine Unterhaltszahlung. Aus dieser Ehe der Beklagten stammen die Kinder Rene K***, geboren am 6.10.1971, und Gernot K***, geborem am 1.3.1975. Die Beklagte hat noch ein weiteres Kind, die mj. Nicole G***, geboren am 28.10.1970. Die Streitteile lernten einander auf Grund einer Heriatsannonce des Klägers kennen. Die Kontakte begannen mit einem Besuch des Klägers bei der Beklagten am 15.6.1981. Die Beklagte wohnte damals mit ihren Kindern in einer Gemeindewohnung in Weitzelsdorf. Dabei lernte der Kläger auch die Familie der Beklagten kennen. Die Beklagte erklärte dem Kläger, daß sie eine Arbeitslosenunterstützung beziehe. Weder bei diesem Gespräch noch bei folgenden Gesprächen erklärte die Beklagte dem Kläger, daß sie ihm gegenüber auf Unterhalt verzichten würde. Der Kläger seinerseits teilte der Beklagten mit, daß er Schulden habe, ohne daß er diesbezüglich nähere Angaben machte. Die Beklagte verzog ca. im Jahre 1982 zu ihrer Mutter nach Ferlach, da ihr die Gemeindewohnung in Weitzelsdorf zu teuer wurde. Bei der Wohnung der Mutter der Klägerin, Rosalia G***, handelte es sich um eine ÖBB-Personalwohnung. Eine Anfrage der Mutter der Klägerin bei der ÖBB-Direktion Villach ergab, daß die Wohnung nach deren Ableben zu räumen sei. Die Mutter der Klägerin intervenierte deshalb mehrfach bei der Gemeinde Ferlach um den Erhalt einer Gemeindewohnung für die Beklagte. Solche Ansuchen wurden schon 1978 auch durch die Beklagte selbst gestellt. Als die Klägerin ca. im Jahre 1982 mit den Kindern in die Wohnung ihrer Mutter verzog, besuchte sie auch der Kläger an Wochenenden. Dabei nahm er seinen Sohn mit. Über das Wochenende wohnten alle in der Wohnung der Mutter der Beklagten. Wegen der beengten Verhältnisse kam es zu weiteren Versuchen der Beklagten, bei der Gemeinde Ferlach eine Wohnung zu erhalten. Davon wußte auch der Kläger. Die Beklagte mietete dann von der Gemeinde Ferlach eine Wohnung. Das Mietverhältnis begann am 1.4.1984. Die Wohnung hatte ein Ausmaß von 69 m2 und besteht aus einer Küche, einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, einem Vorrau, Bad und WC. Der Mietzins beträgt ca. S 1.400,-- monatlich. Zuzüglich der Betriebskosten bezahlte die Beklagte für August 1986 S 2.150,--. Als die Beklagte die Gemeindewohnung bezog, half ihr der Kläger beim Umziehen. Er verrichtete der Beklagten auch in der Wohnung Arbeiten und stellte ihr einen Tisch, Sessel, eine Garderobe und eine Kredenz zur Verfügung. Auch verlegte er einen von ihm beigestellten Bodenbelag in der Küche. Zu Ostern 1986 nahm der Kläger auch Tapezier- und Verfliesungsarbeiten in der Wohnung der Beklagten vor. Nach der Scheidung seiner ersten Ehe wohnte der Kläger in einer Wohnung im dritten Stock des Hauses Villach, Pogöriacherstraße 15 b. Im selben Haus wohnte zu ebener Erde die geschiedene Gattin des Klägers mit deren Mutter. Am 13.3.1984 bewarb sich der Kläger, der Schulwart ist, bei der Gemeinde Villach um die freie Stelle in der Richard-Wagner-Schule. Damit war eine Dienstwohnung verbunden. In dem Bewerbungsgesuch verwies der Kläger auf die vorangeführten Verhältnisse und darauf, daß die Beklagte nur zu ihm ziehen würde, wenn er eine andere Wohnung erhalten würde. Am 26.4.1984 erhielt er dann auch den Schulwartposten in der Richard-Wagner-Schule in Villach zugesprochen und damit die dort befindliche Dienstwohnung. Diese besteht aus zwei Zimmern, einer Küche und einem Bad; die Wohnung liegt im Parterre. Ein Zimmer ist von den übrigen Räumen etwas über den Gang entfernt, befindet sich aber auch im Parterre. Die Wohnung ist 61 m2 groß. Wegen der verschiedenen Wohnungen kam es zwischen den beiden Streitteilen auch zu Gesprächen, daß die Wohnung in Ferlach bis zur Pensionierung des Klägers behalten werden solle. Die Beklagte sollte mit einem Teil der Kinder nach Villach ziehen und dort dem Kläger in der Schule helfen. Ein Kind sollte bei der Mutter der Beklagten bleiben. Die Mutter der Beklagten ist aber schon 65 Jahre alt und krank, so daß ihr die Aufsicht von Kindern nicht zumutbar ist. Der Kläger ist Schulwart. Sein Dienst dauert von 6.30 Uhr bis 21 Uhr. Von 17 Uhr bis 21 Uhr beaufsichtigt er die Turnsäle. Während des Sommerurlaubs vertreten den Kläger Aufräumefrauen.Ein Winterurlaub ist für den Kläger nicht möglich,da er die Heizung der Schule zu beaufsichtigen hat. Wegen dieser Verhältnisse wurde die Besuchsausübung zwischen den Streitteilen so geregelt, daß jeweils nach telefonischer Vereinbarung entweder der Kläger zur Beklagten nach Ferlach fuhr oder aber die Beklagte zum Kläger. Allgemein fuhr der Kläger öfter nach Ferlach als die Beklagte nach Villach. Dabei fuhr die Beklagte nur über das Wochenende zum Kläger. Dort versorgte sie die Wäsche und bereitete das Essen zu. Wenn der Kläger zur Beklagten kam, nahm er auch seinen Sohn mit. Die Beklagte selbst fuhr meistens allein zum Kläger. Ihre Kinder brachte sie in der Zwischenzeit bei ihrer Mutter unter. Zu Weihnachten 1983/1984 hielt der Kläger sich mit seinem Sohn bei der Beklagten auf. Auch Weihnachten 1985 verbrachte der Kläger mit seinem Sohn in der Wohnung der Beklagten. Gegenseitige Kontakte gab es dann bis Feber 1986. In dieser Zeit fuhr die Beklagte auch zum Kläger nach Villach. Den letzten Kontakt hatten die Streitteile zu Ostern 1986. Dabei besuchte der Kläger die Beklagte. Vereinbarungsgemäß sollte dann die Beklagte beim Kläger in Villach erscheinen. Sie ist aber nicht nach Villach gekommen und seither gibt es keinen Kontakt mehr zwischen den Streitteilen; diese versuchten auch nicht, einen solchen herbeizuführen. Die von der Beklagten bezogene Arbeitslosenunterstützung wurde mit dem Tage der Eheschließung eingestellt. Die Beklagte forderte vom Kläger Unterhaltszahlungen. Der Kläger verwies die Beklagte darauf, daß sie von der Waisenrente der Kinder leben solle. Die Beklagte brachte daraufhin gegen den Kläger eine Unterhaltsklage ein. Mit gerichtlichem Vergleich verpflichtete sich der Kläger, ab November 1983 der Beklagten einen monatlichen Unterhalt von S 4.200,-- zu bezahlen. Die Ehe ist zerrüttet, die Streitteile sind an der Fortsetzung der Ehe nicht mehr interessiert. Bei der Streitverhandlung am 2.9.1986 sagte der Kläger zur Beklagten die Worte: "Schwein, du verdammtes!". Er wurde diesbezüglich vom Bezirksgericht Villach rechtskräftig verurteilt. Vor ein paar Jahren hat die Tochter der Beklagten, Nicole K***, den Kläger besucht. Sie duschte in einer Kabine. Als sie darin nackt war, erschien der Kläger, hielt ihr ein Handtuch hin und sagte zu ihr, daß sie "das da unten auch waschen müsse". Nicole K*** sagte zum Kläger, daß sie das wüßte; der Kläger entfernte sich. Den Eheleuten P*** - Tochter und Schwiegersohn des Klägers - gab dieser ca. zwei- bis dreimal S 200,-- oder S 300,--. Regelmäßige finanzielle Zuwendungen erhielten die Eheleute P*** durch den Kläger nicht. Die Beklagte und ihre Mutter haben einen Bekanntenkreis, den sie sich nicht nehmen lassen. Während der Dauer der Ehe kam es wiederholt vor, daß die Beklagte zu ihrer Mutter sagte, daß sie fortgehe, und sie ersuchte, auf die Kinder aufzupassen.Die Kinder haben dann fallweise bei der Mutter geschlafen. Im Sommer 1986 hielt sich die Beklagte in der Wohnung ihrer Mutter auf. Bei einem telefonischen Anruf verlangte ein Mann die Beklagte. Im Zuge des Gespräches fragte die Beklagte, was sie anziehen solle und was der Anrufer mit ihr vorhabe. Dann sagte die Beklagte auch, daß er ja wisse, wo sie warten werde. Im Sommer 1986 hielten sich einmal am Abend gegen 20 Uhr oder 20.30 Uhr die Beklagte, ihre Tochter Nicole K*** und ein Mann in der Wohnung der Beklagten auf. Die Beklagte fragte den Mann, ob er über Nacht bei ihr bleiben würde, die Tochter des Klägers, Hermine P***, die den Namen des Besuchers ermittelte, telefonierte mit ihm und machte ihn aufmerksam, daß die Beklagte verheiratet sei.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß beide Streitteile die Tatsache zu vertreten hätten, nicht einen gemeinsamen Wohnsitz gegründet zu haben. Daraus könne für keinen der beiden ein Verschulden abgeleitet werden. Wohl aber machte der Erstrichter der Beklagten die Verletzung der ehelichen Treue zum Vorwurf, weil diese eine telefonische Verabredung mit einem Mann getroffen und ein anderes Mal sich ein Mann in ihrer Wohnung aufgehalten habe. Dem Kläger liege die Unterhaltsverletzung und die Beschimpfung vom 2.9.1986 zur Last.
Die Berufungen beider Streitteile blieben erfolglos. Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei, die gerügte Aktenwidrigkeit als nicht gegeben, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte im Ergebnis auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz. Das Berufungsgericht war allerdings der Ansicht, daß entgegen der Auffassung des Erstgerichtes auch das Verhalten der Beklagten zur Frage der gemeinsamen Wohnungnahme als schwere Eheverfehlung zu werten sei. Die Beklagte sei es gewesen, die den Kontakt mit dem Kläger abgebrochen habe, da sie nach Ostern 1986 nicht mehr nach Villach zum Kläger gekommen sei. Nach der diesbezüglichen Feststellung sei dies aber vereinbart gewesen. Sie habe damit den ernstlichen Veruch unterlassen, das in § 91 ABGB verlangte Einvernehmen zu suchen, was als schwere Eheverfehlung anzusehen sei. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne des Ausspruches des Alleinverschuldens, allenfalls des überwiegenden Verschuldens des Klägers an der Scheidung der Ehe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 3 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
In der Rechtsrüge der Revision führt die Beklagte aus, unter den gegebenen besonderen Verhältnissen sei zu Ostern 1986 bereits eine solche Entfremdung zwischen den Streitteilen eingetreten gewesen, daß die Nichtabstattung des letzten Besuches durch die Beklagte beim Kläger dieser nicht als schwere Eheverfehlung angelastet werden könne. Ebenso sei der Beklagten ihr angeblich ehestörendes Verhalten im Sommer 1986 nicht als schwere Eheverfehlung anzulasten, da zu diesem Zeitpunkt die Ehe bereits zerrüttet gewesen sei. Die Beklagte treffe daher an der Scheidung kein Verschulden, das Alleinverschulden oder zumindest das überwiegende Verschulden habe der Kläger zu vertreten.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr die Verschuldensabwägung iS des § 60 Abs 2 EheG.
Bei der Verschuldensabwägung iS des § 60 EheG kommt es nicht auf eine Gegenüberstellung der einzelnen von den Ehegatten begangenen Verfehlungen an, sondern auf ihr Gesamtverhalten in seinem Zusammenhang (EFSlg 43.684, 46.231; 8 Ob 558,559/86 ua.). Das überwiegende Verschulden eines Teiles nach § 60 Abs 2 zweiter Satz EheG ist nur auszusprechen, wenn der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile erheblich ist und augenscheinlich hervortritt (EFSlg 43.691 ua), so daß das Verschulden des einen Ehegatten gegenüber dem des anderen fast vollständig in den Hintergrund tritt (EFSlg 46.242; 8 Ob 672,673/86 ua.).
Gemäß § 90 ABGB sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. Gemäß § 91 ABGB sollen die Ehegatten ihre eheliche Lebensgemeinschaft einverständlich gestalten, was dahin zu verstehen ist, daß sie sich um das Einverständnis zu bemühen haben (Schwimann, ÖJZ 1976, 365, 370). Die Pflicht zur Bemühung um das Einvernehmen impliziert auch die gesetzliche Verpflichtung zu einer solchen einverständlichen Gestaltung. Gegenstand der Gestaltungsbefugnis der Ehegatten sind die Einzelheiten der Durchführung des gemeinschaftlichen Lebens (Schwimann aaO 371). Das Einvernehmen kann ausdrücklich oder schlüssig hergestellt werden. Eine zwischen den Ehegatten durch längere Zeit unwidersprochen befolgte Übung kann ähnlich wie nach § 863 Abs 1 ABGB die gleiche Wirkung äußern wie eine ausdrückliche Gestaltungsabsprache (Schwimann aaO 371; Pichler in Rummel, ABGB; Rdz 4 zu § 91). Eheverfehlungen sind Handlungen und Unterlassungen, die sich gegen das Wesen der Ehe und die damit verbundenen Pflichten richten (EFSlg 33.398, 46.148 ua.). Eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG hat ein Verhalten zur Voraussetzung, das mit dem Wesen der Ehe als einer alle Lebensbereiche der Ehegatten umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar ist (EFSlg 29.494; 38.683, 46.149 ua.). Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, ist zu berücksichtigen, daß nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen der Vorinstanzen die Streitteile vereinbart hatten, die durch den Beruf des Klägers bedingte räumliche Entfernung durch gegenseitige Aufenthalte am Wohnort des Klägers in Villach bzw. an jenem der Beklagten in Ferlach auszugleichen. Beim Besuch des Klägers bei der Beklagten in Ferlach zu Ostern 1986 hatten die Streitteile vereinbart, daß die Beklagte zum Kläger nach Villach zu Besuch kommen werde. Die Beklagte hielt diese Vereinbarung jedoch nicht ein, ohne hiefür stichhältige Gründe anzugeben, und es kam in der Folge zu keinen weiteren Kontakten zwischen den Streitteilen mehr, die auch nicht mehr versuchten, solche Kontakte wieder herbeizuführen. In der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Beklagten die grundlose Nichteinhaltung des vereinbarten Besuches beim Kläger, welche letztlich den Abbruch der Kontakte zwischen den Streitteilen bewirkte, als schwere Eheverfehlung iS des § 49 EheG anzulasten sei, kann daher keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Dafür, daß zu diesem Zeitpunkt bereits eine vollständige Zerrüttung der Ehe bestanden hätte, bieten die Beweisergebnisse keine Anhaltspunkte.
Was die festgestellte telefonische Verabredung der beklagten mit einem Mann sowie der Aufenthalt eines Mannes in der Wohnung der Beklagten an einem Abend im Sommer 1986, wobei die Beklagte den Mann fragte, ob er über Nacht bei ihr bleiben würde, anlangt, hat das Berufungsgericht dieses Verhalten der Beklagten ohne Rechtsirrtum als ehestörend beurteilt, weil es nicht mehr als bloß "freundschaftlicher aber harmloser Umgang mit einer Person des anderen Geschlechts im Rahmen von Sitte und Anstand" anzusehen ist und die Ehegatten verpflichtet sind, auch jeden objektiv begründeten Schein ehewidriger Beziehungen zu vermeiden (EFSlg 43.617 ua.). Selbst wenn dieses Verhalten von der Beklagten nach Einbringung der Scheidungsklage durch den Kläger (22.7.1986) gesetzt worden sein sollte, ist die Revisionswerberin darauf zu verweisen, daß nicht nur die Eheverfehlungen bis zur Einbringung der Scheidungsklage zu berücksichtigen sind, sondern auch noch nachfolgende Verfehlungen geeignet sein können, die Zerrüttung zu vertiefen (EFSlg 46.635 ua.). Auch wenn eine Ehe schon einen gewissen Zerrüttungsgrad erreicht hat, müssen die Partner einander weiterhin anständig begegnen und die eheliche Treue einhalten (EFSlg 43.637 ua). Die Pflicht zur ehelichen Treue besteht grundsätzlich während der gesamten Dauer der Ehe und muß daher von den Ehegatten auch noch während des anhängigen Scheidungsverfahrens beachtet werden (EFSlg 41.197 ua). Dafür, daß bereits zum Zeitpunkt des ehewidrigen Verhaltens der Beklagten eine vollständige Zerrüttung der Ehe der Streitteile bestanden hätte, bieten die Beweisergebnisse keine Anhaltspunkte.
Bei Berücksichtigung des Gesamtverhaltens der Streitteile - im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß dem Kläger eine Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten und eine Beschimpfung der Beklagten während einer Scheidungsverhandlung zur Last fällt, sein Verhalten gegenüber der Tochter der Beklagten Nicole K*** wurde zutreffend von den Vorinstanzen nicht als Eheverfehlung gewertet - kann aber entgegen der Auffassung der Revision nicht davon ausgegangen werden, daß das Verschulden der Beklagten gegenüber jenem des Klägers fast vollständig in den Hintergrund tritt; die Voraussetzungen für den von der Beklagten angestrebten Ausspruch des Alleinverschuldens bzw. des überwiegenden Verschuldens des Klägers (§ 60 Abs 2 EheG) liegen daher nicht vor. Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht vielmehr das beiderseitige gleichteilige Verschulden der Streitteile an der Ehescheidung angenommen.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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