OGH 2Ob632/86

OGH2Ob632/8616.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Erich U***, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Wipplingerstraße 24-26, als Masseverwalter im Konkurs der Ines K*** Gesellschaft m.b.H., 1140 Wien, Hütteldorferstraße 259, wider die beklagte Partei A. S*** & Co. Gesellschaft m.b.H., 1180 Wien, Schulgasse 18, vertreten durch Dr. Ullrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. April 1986, GZ 4 R 57/86-107, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17. Dezember 1985, GZ 12 Cg 108/85-97, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie die Nichtigkeit des angefochtenen Urteiles geltend macht, zurückgewiesen.

Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit S 15.998,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.454,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrte zuletzt die Herausgabe der im Spruche des erstgerichtlichen Urteiles angeführten, zur Zentralanlage eines computergesteuerten Taxifunksystems gehörenden Einzelteile. Sie behauptet, die beklagte Partei habe sich im Jahre 1980 zur Lieferung eines solchen Systems gegen Zahlung eines Entgeltes von S 1,318.888,-- verpflichtet und die Geschäftsführer der Streitteile hätten in der Folge nach durchgeführten Teillieferungen und geleisteten Teilzahlungen eine vertragliche Vereinbarung dahin getroffen, daß der Rest der Anlage gegen Zahlung von S 300.000,-- geliefert werde. Trotz erfolgter Zahlung dieses Betrages habe die beklagte Partei entgegen dieser Vereinbarung jedoch keine Lieferung mehr vorgenommen.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung, weil die klagende Partei einen noch mit S 518.670,-- aushaftenden Teil des "Gesamtpreises" bisher nicht bezahlt habe.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Sein Urteil wurde vom Berufungsgericht bestätigt und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von S 300.000,-- übersteige. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt die beklagte Partei eine auf § 503 Abs. 1 Z 1, 2 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise unzulässig, im übrigen nicht gerechtfertigt.

Nach den erstgerichtlichen, vom Berufungsgericht übernommenen Sachverhaltsfeststellungen hat die nunmehrige Gemeinschuldnerin und klagende Partei vor der Konkurseröffnung aufgrund des von der beklagten Partei erstellten Anbotes vom 28. Mai 1980 bei dieser am 5. Juni 1980 schriftlich für eine Taxifunkzentrale ein "aes-Leitsystem" bestellt. Nachdem sie Teilzahlungen geleistet und die beklagte Partei Teile der Anlage geliefert, in der Folge aber einige dieser gelieferten Bestandteile eigenmächtig wieder entfernt hatte, trafen die beiden Vertragspartner am 16. Dezember 1982 eine Vereinbarung, wonach der restliche Teil der Anlage gegen Bezahlung eines Betrages von S 300.000,-- bis längstens 31. Jänner 1983 von der beklagten Partei ausgeliefert werden sollte. Der vorgenannte Betrag wurde noch am selben Tag an die beklagte Partei geleistet, die im erstgerichtlichen Urteilsspruch genannten Bestandteile kamen in der Folge jedoch nicht bzw. nicht wieder zur Auslieferung. In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht darauf, daß die beklagte Partei ihre nach der empfangenen Zahlung bestehende Auslieferungspflicht nicht erfüllt habe, darüber hinaus gemäß § 1440 ABGB hinsichtlich der bereits gelieferten, sodann aber von ihr wieder eigenmächtig entfernten Gegenstände auch keinesfalls ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen könne.

Das Berufungsgericht wies die Berufung der beklagten Partei, soweit sie den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z 9 ZPO geltend machte, zurück und hielt sie im übrigen hinsichtlich der weiters geltend gemachten Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht für gerechtfertigt. Zur Rechtsrüge führte das Berufungsgericht aus, es könne entgegen der Ansicht der Berufungswerberin dahingestellt bleiben, ob hier ein Kaufvertrag oder ein Werkvertrag geschlossen worden sei, weil sich die beklagte Partei jedenfalls aufgrund der späteren Vereinbarung der Geschäftsführer der Vertragspartner vom 16. Dezember 1982 gegen Bezahlung von S 300.000,-- zur Auslieferung der restlichen Teile der Zentralanlage verpflichtet habe. Im übrigen treffe sowohl den Verkäufer hinsichtlich der verkauften Sache (§ 1061 ABGB) als auch den Unternehmer beim Werkvertrag hinsichtlich des Werkes nach Entrichtung des Entgeltes die Herausgabepflicht.

Soweit sich die Revision gegen den berufungsgerichtlichen Beschluß wendet, mit welchem die Nichtigkeitsberufung verworfen wurde, ist die Revisionswerberin darauf zu verweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung (JBl. 1955, 276 u.a, zuletzt 2 Ob 616/85, 14 Ob 69/86) die Bekämpfung eines solchen Beschlusses in dritter Instanz unzulässig ist. Angebliche Nichtigkeiten des erstinstanzlichen Verfahrens können im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (EvBl. 1957/145, Arb. 9834; SZ 54/190; 6 Ob 712/84 u.a.). Soweit die Nichtigkeit des berufungsgerichtlichen Urteiles gemäß § 503 Abs. 1 Z 1 ZPO aus dem Grunde des § 477 Abs. 1 Z 9 ZPO behauptet wird, ist der Revisionswerberin zu entgegnen, daß dieser Nichtigkeitsgrund allein durch eine behauptete mangelhafte Begründung des berufungsgerichtlichen Urteiles noch nicht gegeben wäre, sondern erst vorläge, wenn die Fassung dieses Urteiles so unklar erschiene, daß Zweifel an der Überprüfbarkeit bestünden (6 Ob 66/69, 5 Ob 708, 709/82, 2 Ob 28/85 u.a.). Davon kann vorliegendenfalls nicht die Rede sein. Auch der - hier gerügte - Umstand, daß das Berufungsgericht erklärte, hinsichtlich der getroffenen Feststellungen werde zur Vermeidung von Wiederholungen auf das erstgerichtliche Urteil verwiesen, schadet nicht, weil der Sachverhalt im berufungsgerichtlichen Urteil nur so weit dargestellt werden muß, als er zum Verständnis der Erledigung der Berufungsgründe und Anträge und zur Überprüfung der Entscheidung unbedingt erforderlich ist (Fasching IV 229). Eine allgemeine Verweisung auf die Feststellungen des Erstrichters genügt daher, wenn bei der Behandlung der einzelnen Berufungsgründe auf die strittigen Fragen eingegangen wird (RZ 1983/37, S. 125). In der Mängelrüge werden angebliche erstgerichtliche Verfahrensmängel behauptet, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneinte. In diesem Falle ist im Sinne der Rechtsprechung eine neuerliche Geltendmachung in dritter Instanz unzulässig. Hinsichtlich der - auch in der Rechtsrüge bezogenen - angeblichen Verfälschung der Beilage ./M sei darauf verwiesen, daß nach den Ausführungen des Berufungsgerichtes (S. 7 seines Urteiles) von den Unterinstanzen auf diese Beilage ohnehin keine Feststellungen gegründet bzw. keine rechtlichen Schlußfolgerungen hieraus gezogen wurden.

Der Revisionsgrund des § 503 Abs. 1 Z 2 ZPO ist somit nicht gegeben.

In der Rechtsrüge wird ausgeführt, Erörterungen über das Vorliegen eines Kaufvertrages oder eines Werkvertrages seien im angefochtenen Urteil unterblieben und solcherart sei insbesondere nicht festgestellt worden, aus welchem Titel die beklagte Partei nach Erhalt des Betrages von S 300.000,-- liefern hätte müssen. Tatsächlich liege ein Kaufvertrag vor. Diesbezüglich habe die beklagte Partei aber die Unsicherheitseinrede des § 1052 erhoben und die Auslieferung der restlichen Teile der Anlage sei im Hinblick auf die schlechte Vermögenslage der nunmehrigen Gemeinschuldnerin unterblieben. Im Sinne der vorgenannten Gesetzesstelle erscheine die beklagte Partei daher berechtigt, bis zur Sicherstellung der Zahlung die Auslieferung zu verweigern. Davon abgesehen betrage die Schuld der klagenden Partei tatsächlich S 518.670,--, sodaß selbst bei Zugrundelegung der von ihr behaupteten Zahlung von S 300.000,-- noch ein Restbetrag von S 218.670,-- aushafte, was zur Klagsabweisung führen müsse.

Diese Ausführungen sind im wesentlichen feststellungswidrig, die Rechtsrüge erscheint insoweit somit nicht gesetzmäßig und daher unbeachtlich. Für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellt wurde von den Unterinstanzen, daß es zwischen den Vertragspartnern nach teilweiser Erfüllung des Vertrages zu einer ausdrücklichen Vereinbarung kam, nach welcher sich die beklagte Partei verpflichtete, die restlichen Teile der Anlage gegen Zahlung eines Betrages von S 300.000,-- bis längstens 31. Jänner 1983 auszuliefern und daß der vorgenannte Betrag tatsächlich an die beklagte Partei gezahlt wurde. In dieser von der nunmehrigen Gemeinschuldnerin erfüllten ausdrücklichen Vereinbarung, welche in der Klage ausdrücklich zum Klagsgrund erhoben wurde, liegt somit aber der Titel, aus welchem ihr Klagsanspruch auf Übergabe der genannten Anlageteile folgt. Da der beklagten Partei die vereinbarte Gegenleistung festgestelltermaßen bereits zugekommen ist, sind die Revisionsausführungen über ein Leistungsverweigerungsrecht ihrerseits wegen schlechter Vermögenslage des Vertragspartners unverständlich. Die Revisionsbehauptung einer verbliebenen offenen Restforderung von S 218.670,-- schließlich steht mit den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen im Widerspruch und ist daher nicht geeignet, einen Rechtsirrtum der Unterinstanzen aufzuzeigen.

Demgemäß war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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