OGH 2Ob616/84

OGH2Ob616/8428.8.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Rudolf Dallinger, Rechtsanwalt in Mattighofen, als Masseverwalterstellvertreter im Konkurs der Z*****gesellschaft mbH, *****, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Walter Hasibeder, Rechtsanwalt in Ried/Innkreis, wegen 1.625.020,73 S sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 7. Juni 1984, GZ 5 R 134/84-16, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Kreisgerichts Ried/Innkreis vom 3. Mai 1984, GZ 3 Cg 11/84-13, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert und der erstgerichtliche Beschluss mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass er zu lauten hat:

Die hinsichtlich eines Anfechtungsbetrags von 722.742,54 S vorgenommene Klagsänderung wird nicht zugelassen.

Der Kläger hat der beklagten Partei die mit 16.768,20 S bestimmten Kosten ihres Revisionsrekurses (darin enthalten 1.306,20 S USt und 2.400 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

In dem am 11. 1. 1983 über das Vermögen der Z*****gesellschaft m.b.H., *****, eröffneten Konkurs wurde der Kläger infolge Interessenkollision am 12. 12. 1983 zum Masseverwalterstellvertreter bestellt. Er brachte am 9. 1. 1984 die vorliegende Klage ein, in welcher er im Wesentlichen ausführte, die beklagte Partei habe der vorgenannten Gesellschaft seit dem Jahre 1978 einen Kredit von 500.000 S eingeräumt und zufolge laufender Überziehung desselben im November 1980 mit ihr einen weiteren Kreditvertrag über 500.000 S geschlossen, sodass die Gesellschaft über einen Kreditrahmen von 1.000.000 S verfügt habe. Dieser sei in der Folge wiederum überzogen worden und war per 20. 9. 1982 mit dem höchsten Sollstand von 1.625.020,73 S. Im Februar 1981 sei die objektive Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin eingetreten, wovon die beklagte Partei gewusst habe bzw wissen hätte müssen. Seit 11. 7. 1982 seien auf das Konto der Gemeinschuldnerin bei der beklagten Partei zahlreiche im Einzelnen angeführte Zahlungen eingegangen bzw Gutschriften erfolgt, welche von der beklagten Partei zur völligen Abdeckung des von ihr gewährten Kredits verwendet worden seien. Soweit der Kreditrahmen ab 11. 7. 1982 überzogen wurde erscheine diese Aufrechnung gemäß § 20 KO unzulässig, weil die Bank erst durch Auszahlung der Überziehungsbeträge die jeweilige Gegenforderung an die Gemeinschuldnerin erworben habe. Demgemäß würden die seit 11. 7. 1982 erfolgten Zahlungen bzw Gutschriften angefochten und zwar dearart, dass „in jenen Fällen in denen die Gutschriften höher sind als der Überziehungsbetrag nur jener Teilbetrag der erfolgten Gutschrift angefochten wird, welcher der Überziehung des Kreditrahmens entspricht“. Hierauf wurden im einzelnen Beträge angeführt, welche bei den seit 11. 7. 1982 erfolgten Gutschriften über dem Kreditrahmen von 1.000.000 S lagen und insgesamt den Betrag von 4.836.541,79 S ergaben. Weiters focht der Kläger die ab der mit 28. 7. 1982 bei einem Kontostand von 285.606,85 S erfolgten Kontosperre aufgerechneten Zahlungen von insgesamt 277.257,46 S an und erklärte abschließend, die Anfechtung des Gesamtbetrags von 4.791.195,78 S - dessen Errechnungsweise ist nicht erkennbar - werde auf die Bestimmungen der §§ 28 ff KO, insbesondere auch § 30 KO, gestützt. Vorsichtshalber focht der Kläger darüber hinaus im einzelnen angegebene, im Zessionsverzeichnis enthaltene Zessionen von Rechnungen an.

Nach Einbringung der Klagebeantwortung durch die beklagte Partei und Durchführung der mündlichen Streitverhandlung vom 16. 3. 1984 erklärte der Kläger mit Schriftsatz ON 7 vom 3. 4. 1984, dass er das Klagebegehren auf 1.625.020,73 S einschränke und begründete dies wie folgt: Die beklagte Partei habe der Gemeinschuldnerin einen Kredit von insgesamt 1.000.000 S mit einer Laufzeit bis zum 31. 10. 1985 gewährt und dieser sei ohne Fälligstellung bis Anfang Dezember 1982 zur Gänze zurückbezahlt worden. Da die Konkurseröffnung am 11. 1. 1983 erfolgt sei stelle diese innerhalb der Jahresfrist gelegene Rückzahlung eine gemäß § 30 Abs 1 Z 1 KO anfechtbare inkongruente Deckung dar. Aber auch der Überziehungsbetrag von 625.020,73 S stelle eine „anfechtbare Tilgung“ dar, weil eine allenfalls aufrechenbare Gegenforderung erst innerhalb des kritischen Zeitraums erworben worden und der beklagten Partei in diesem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen sei bzw bekannt sein habe müssen. Die beklagte Partei entgegnete, dass in diesem, sodann in der mündlichen Streitverhandlung vom 27. 4. 1984 vorgetragenen, Vorbringen eine Klagsänderung liege, welcher sie widerspreche.

Mit Beschluss ON 13 entschied das Erstgericht, dass „die Klagsänderung nicht zugelassen werde“, welche hier darin liege, dass der Kläger zunächst jene Zahlungen bzw Gutschriften angefochten habe, die „zur Verminderung des Kreditsaldos auf die Höhe des … Kreditrahmens von einer Million geführt habe, mit Ausnahme der Zahlungen bzw Gutschriften ab Kontosperre … von 277.257,46 S“. Nicht angefochten worden sei in der Klage ausdrücklich die Verminderung des Saldos im Rahmen des eingeräumten Kredits von einer Million auf 285.606,85 S als dem Kontostand laut Auszugsnummer 204. Nunmehr mache der Kläger auch jene Zahlungen und Gutschriften zum Gegenstand der Anfechtung, durch deren Aufrechnung der Kredit von einer Million auf Null reduziert worden sei, wobei er zusätzlich die Nichtfälligstellung des eingeräumten Kredits bis zur gänzlichen Tilgung sowie die Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerin und deren Kenntnis durch die beklagte Partei behauptet habe. Da gemäß § 43 Abs 2 KO eine Anfechtung bei sonstigem Erlöschen des Anspruchs binnen Jahresfrist nach Konkurseröffnung erfolgen müsse, diese Frist im Zeitpunkt der Klagsänderung aber schon abgelaufen gewesen sei, komme eine Zulassung der Klagsänderung nicht in Betracht, weil die solcherart geänderte Klage zufolge der von Amts wegen wahrzunehmenden Präklusionsfrist des § 43 Abs 2 KO jedenfalls abgewiesen werden müsse.

Das Rekursgericht gab dem vom Kläger erhobenen Rekurs Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass „die Klagsänderung laut Schriftsatz vom 3. 4. 1984 (ON 7) zugelassen wird“. Hiezu vertrat es die Ansicht, dass auch bei Annahme, der Kläger habe im Zusammenhang mit der Klagseinschränkung weitere Zahlungen angefochten und bisher nicht konkretisierte Anfechtungsgründe, nämliche eine inkongruente Deckung behauptet, und er „strebe also eine Klagsänderung an“, diese Klagsänderung zuzulassen sei, weil aus ihr nicht die Besorgnis einer erheblichen Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens hervorgehe. Das Erstgericht habe noch keine Beweise aufgenommen und der Kläger habe nach der Klagseinschränkung auch keine neuen Beweismittel angeführt. Es bestehe daher kein Anlass, den Kläger mangels Zulassung der Klagsänderung „möglicherweise zu einem neuen Prozess zu veranlassen“. Zwar sei hier die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 43 Abs 2 KO zu bedenken, es erscheine aber nicht zweckmäßig, eine Klagsänderung nur deshalb nicht zuzulassen, weil auch das geänderte Begehren voraussichtlich zum Scheitern verurteilt sein müsste. Diese Frage solle im Streiturteil geklärt werden.

Demgegenüber vertritt die beklagte Partei in ihrem Revisionsrekurs die Rechtsansicht, der Kläger habe in der ursprünglichen Klage „die Rückführung des Kredits im Ausmaß von einer Million“ ausdrücklich nicht angefochten mit Ausnahme der angefochtenen Teilbeträge von insgesamt 277.257,46 S. Hinsichtlich des Differenzbetrags von 722.742,54 S liege aufgrund des Vorbringens neuer rechtserzeugender Tatsachen durch den Kläger somit eine Klagsänderung vor, gegen welche sie sich ausdrücklich ausgesprochen habe. Auch das Rekursgericht sei im Ergebnis von einer solchen Klagsänderung ausgegangen, da es ausgesprochen habe, dass es die Klagsänderung zulasse. Diese Zulassung erscheine jedoch rechtsirrig, weil die Klagsänderung außerhalb des Anfechtungszeitraums von einem Jahr erfolgt und somit der neu geltend gemachte Anspruch jedenfalls verjährt sei. Wenn das Rekursgericht vermeine, der Kläger sei mangels Zulassung der Klagsänderung „möglicherweise“ zu einem neuen Prozess veranlasst, dann sei dem zu entgegnen, dass er eine neue Klage mit Sicherheit nicht einbringen würde, weil es mit dem pflichtgemäßen Vorgehen eines Masseverwalters unvereinbar erschiene, nach Ablauf der von Amts wegen wahrzunehmenden Anfechtungsfrist dennoch eine Anfechtungsklage einzubringen. Die Verhandlung über die geänderte Klage würde somit einen unnötigen Prozessaufwand erfordern, wobei der Streitwert erheblich höher wäre als ohne Klagsänderung. Sei das geänderte Begehren mit großer Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt, dann könne die Klagsänderung nicht zugelassen werden.

Diesem Standpunkt der klagenden Partei ist grundsätzlich beizupflichten.

Das Erstgericht und im Ergebnis auch dass Rekursgericht sind zu Recht davon ausgegangen, dass im Vorbringen des Klägers laut Schriftsatz vom 3. 4. 1983 neben der Klagseinschränkung auch eine teilweise Klagsänderung enthalten ist. Er hatte ursprünglich ausdrücklich jene bei der beklagten Partei zugunsten der späteren Gemeinschuldnerin eingegangenen Zahlungen angefochten, welche die beklagte Partei mit dem den Kontokorrentkredit von einer Million übersteigenden Schuldbetrag aufgerechnet hatte (Seite 4 und 5 der Klage: „Soweit der Kreditrahmen der Gemeinschuldnerin am 11. 7. 1982 überzogen wurde ist daher eine Aufrechnung von Forderungen der Bank an die Gemeinschuldnerin mit Beträgen, die auf das Konto eingezahlt wurden, gemäß § 20 Abs 1 KO nicht zulässig“ … „Vorweg wird darauf verwiesen, dass … nur jener Teilbetrag der erfolgten Gutschriften angefochten wird, welcher der Überziehung des eingeräumten Kreditrahmens entspricht“). Nunmehr ficht er dagegen aber auch jene Zahlungen an, welche die beklagte Partei zur Abdeckung des Kredits selbst, also des Betrags von einer Million Schilling, herangezogen hatte und behauptet hiezu, die beklagte Partei habe diesen Kredit vor seiner Tilgung nicht fällig gestellt und daher eine inkongruente Deckung erhalten. Damit wird der Klagsanspruch aber insoweit aus einem völlig neuen Sachverhalt abgeleitet und die Klage sohin, gestützt auf einen neuen Klagsgrund, erweitert.

Gemäß § 235 Abs 3 ZPO kann das Gericht eine Klagsänderung nach Eintritt der Streitanhängigkeit ungeachtet der Einwendung des Gegners dann zulassen, wenn aus der Änderung eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist. Im Sinne dieser Bestimmung sind nach ständiger Rechtsprechung Klagsänderungen tunlichst zuzulassen, insbesondere, wenn sie zu Beginn des Rechtsstreits beantragt wurden und der Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits zwischen den Parteien dienen. Grundsätzliche Voraussetzung ist hiebei aber, dass das geänderte Begehren nicht schon von vornherein mit großer Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt ist (SZ 43/35; 4 Ob 309, 310/76, 5 Ob 540/81, 4 Ob 608/81). Fasching (III, 122 f) hält die Zulassung einer Klagsänderung jedenfalls dann nicht für gerechtfertigt, wenn das geänderte Begehren in einem schon jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwartenden neuen Rechtsstreit voraussichtlich ebenfalls zum Scheitern verurteilt sein müsste.

Vorliegendenfalls wurde die Klagsänderung unzweifelhaft nach Ablauf der von Amts wegen wahrzunehmenden einjährigen materiell-rechtlichen Ausschlussfrist des § 43 Abs 2 KO (SZ 46/57; 6 Ob 714/81; 7 Ob 531/84) vorgenommen. Eine Klagserweiterung und damit eine Änderung des Anfechtungs- bzw Klagsgrundes nach Ablauf der einjährigen Frist des § 43 Abs 2 KO ist aber nicht zulässig (SZ 46/57; 7 Ob 531/84 ua). Es steht daher schon jetzt fest, dass das geänderte Begehren zum Scheitern verurteilt wäre. Der Kläger hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass seinem Begehren selbst bei Annahme einer Klagsänderung die Frist des § 43 Abs 2 KO nicht entgegenstünde. Da dieser Ansicht nicht gefolgt werden kann, ist auch mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Einleitung eines aussichtslosen Prozesses unterbleibt. Demgemäß besteht kein Grund, das geänderte Klagebegehren entgegen der Einwendung der beklagten Partei zum Gegenstand dieses Verfahrens zu machen.

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses war der erstgerichtliche Beschluss daher mit der aus dem Spruche ersichtlichen Verdeutlichung wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten dieses Zwischenstreits beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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