OGH 2Ob605/86

OGH2Ob605/8617.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ludmilla Josefine O***, Geschäftsfrau, 8605 Kapfenberg, Wiener-Straße Nr.90, vertreten durch Dr.Helmut Fritz, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wider die beklagte Partei Johanna S***, Geschäftsfrau, 8720 Knittelfeld, Theodor-Körner-Straße Nr.6, vertreten durch DDr.Ferdinand Gross und Dr.Ferdinand Gross jun., Rechtsanwälte in Kapfenberg, wegen S 44.514,60 und Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 18. Februar 1986, GZR 817/85-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 2.Oktober 1985, GZ3 C 952/84-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat der Klägerin die mit S 7.272,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 617,50 Umsatzsteuer und S 480,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat der Beklagten mit Vertrag vom 4.August 1981 ein Geschäftslokal im Flächenausmaß von ca.105 m 2 und einen 27 m 2 großen Nebenraum zur Führung eines Spielsalons gegen einen monatlichen Mietzins von S 12.000,-- vermietet. Mit der vorliegenden Klage begehrt sie von der Beklagten die Zahlung eines Mietzinsrückstandes von S 57.799,20 samt Anhang sowie die Räumung des Geschäftslokals. Sie verweist darauf, daß der vereinbarte Mietzins mit 1.Juli 1984 anteilsmäßig reduziert worden sei, nachdem sie der Beklagten den Nebenraum mangels der dieser obliegenden Erfüllung von baubehördlichen Auflagen habe entziehen müssen. Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Die Klägerin habe ihr mit 1.Juli 1984 den Nebenraum widerrechtlich entzogen und dadurch die Möglichkeit genommen, dort 10 Spielautomaten, die einen monatlichen Einspielgewinnanteil von S 12.000,-- erbracht hätten, aufzustellen. Solcherart habe sie einen Schaden von S 60.000,-- erlitten, welcher unter Abzug von der Klägerin zustehenden Investitionskosten in der Höhe von S 15.000,--, demnach im Betrage von S 45.000,--, aufrechnungsweise eingewendet werde. Das Erstgericht stellte die Klagsforderung als mit S 40.514,60 samt Anhang zu Recht bestehend, die eingewendete Gegenforderung dagegen als nicht zu Recht bestehend fest, sprach der Klägerin den vorgenannten Betrag unter Abweisung des Mehrbegehrens zu und gab dem Räumungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes insgesamt den Betrag von S 300.000,-- übersteige.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt die Beklagte eine auf § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch die Unterinstanzen, in eventu auf Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Das Erstgericht stellte u.a. fest, daß die Beklagte mit der Firma H*** Automaten Ges.m.b.H. einen Vertrag geschlossen hat, wonach sie 40 % der Einspielergebnisse der von dieser Firma im gemieteten Hauptgeschäftsraum aufgestellten 16 bis 17 Spielautomaten erhielt. Ab Juli 1984 sollten auch im gemieteten Nebenraum 10 Automaten dieser Firma aufgestellt werden. Da die Klägerin diesen Raum aber versperrt hielt, war eine Aufstellung nicht möglich. In seiner Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, hinsichtlich der behaupteten Gegenforderung liege lediglich die Zeugenaussage des Franz H*** vor, wonach mit 10 Spielautomaten ein monatliches Einspielergebnis von S 30.000,-- bis S 40.000,-- erzielt werden könne, wovon die Beklagte 40 % erhalten hätte. Diese Aussage allein erscheine dem Erstgericht aber nicht beweismachend, vielmehr hätte es diesbezüglich der Vorlage der vom Zeugen genannten genauen Abrechnungen über die Einspielergebnisse bedurft. Solche Abrechnungen seien aber trotz Aufforderung dem Gericht nicht vorgelegt worden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Klägerin ihre aus § 1096 ABGB folgende Verpflichtung, die Beklagte als Bestandnehmerin im bedungenen Gebrauch nicht zu stören, durch die Absperrung des Nebenraumes verletzt habe. Die gänzliche oder teilweise Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes habe zur Folge, daß der Bestandnehmer keinen oder nur noch einen im Verhältnis der Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes reduzierten Mietzins leisten müsse. Vorliegendenfalls habe die Klägerin der Beklagten mit 1.Juli 1984 ca.1/5 der gemieteten Fläche entzogen und sei daher nur zur Verrechnung von 4/5 des Mietzinses, demnach für die Zeit vom 1.Juli 1984 bis 31.Dezember 1984 von lediglich S 60.491,20 inklusive Umsatzsteuer, berechtigt gewesen. Unter Bedachtnahme auf geleistete Zahlungen und einen früheren Mietzinsrückstand errechne sich per 31.Dezember 1984 solcherart ein Gesamtrückstand von S 40.514,60 samt Anhang. Wegen der widerrechtlichen Gebrauchsentziehung sei die Klägerin der Beklagten gegenüber zum Ersatz ihrer hiedurch erlittenen, aufrechnungsweise eingewendeten Schäden verpflichtet. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, seien die diesbezüglich von der Beklagten angebotenen und erbrachten Beweise nicht geeignet, einen Schaden der Höhe nach ausreichend zu konkretisieren. In Ermangelung diesbezüglicher Grundlagen habe auch eine Schadensfestsetzung nach § 273 ZPO nicht erfolgen können. Da die Mietzinsforderung der Klägerin demnach zu Recht bestehe, erscheine auch der geltend gemachte Räumungsanspruch gerechtfertigt.

Das lediglich in der Frage der behaupteten Gegenforderung angerufene Berufungsgericht hielt weder die diesbezügliche Beweisrüge der Beklagten noch deren Mängelrüge und im Ergebnis auch ihre Rechtsrüge nicht für gerechtfertigt. Wenn das Erstgericht den Angaben des Zeugen Franz H*** keinen Glauben geschenkt habe und auch der schriftlichen Wiedergabe seiner Aussage im Schreiben seiner Firma nicht gefolgt sei, so könne hierin kein Fehler erblickt werden. Die Aussage der Beklagten als Partei über einen ihr monatlich entgangenen Gewinn von S 12.000,-- erscheine ebenfalls nicht überzeugend, zumal sie selbst über ihre Einnahmen aus den im großen Raum aufgestellten Spielautomaten auf die Abrechnungsunterlagen verwiesen, diese aber trotz gerichtlichen Auftrages nicht vorgelegt und nur ausweichende Antworten gegeben habe. Nach den Beweisergebnissen insgesamt sei eine Festsetzung der Schadenshöhe und auch eine Schadensfestsetzung nach § 273 ZPO wegen der zu dürftigen Grundlagen und auch des unzureichenden Vorbringens, welches nicht einmal konkrete Umsatzziffern der aufgestellten Automaten enthalte, nicht möglich. Im übrigen habe die Klägerin nach Entzug des Nebenraumes den Bestandzins offenbar im Hinblick auf § 1096 ABGB selbst gemindert und auch das Erstgericht habe bei der Berechnung des Mietzinsrückstandes eine solche Ermäßigung vorgenommen. Hierin liege mangels Unbrauchbarkeit der Bestandsache keine Zinsminderung, sondern ein Schadenersatz für den Gebrauchsverlust, wie ihn die Beklagte tatsächlich auch begehrt habe. Somit sei ihr sogar trotz mangelnden Nachweises der Schadenshöhe ein gewisser Schadenersatz zugekommen. Die in der Revision behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens - es wird, wie schon in der Berufung, die Unterlassung der ergänzenden Einvernahme von Zeugen durch das Gericht und der amtswegigen Einholung eines Sachverständigengutachtens gerügt - liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Rechtsrüge wird die unterinstanzliche Ansicht bekämpft, für die Anwendung des § 273 ZPO seien die vorhandenen Sachverhaltsgrundlagen zu dürftig. Die Anfechtung dieser Beweiswürdigung sei zwar in der Revision nicht mehr zulässig, es gehe hier jedoch darum, daß die Untergerichte verpflichtet gewesen wären, die Schadenshöhe nach freier Überzeugung festzusetzen, zumal der Schadenersatzanspruch dem Grunde nach feststehe. Dem Standpunkt der Revisionswerberin kann nicht gefolgt werden. Nach der Bestimmung des § 273 Abs 1 ZPO kann das Gericht in dem Falle, daß der Beweis über einen zu ersetzenden Schaden gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen ist, diesen Betrag nach freier Überzeugung festsetzen. Voraussetzung für eine solche Feststellung ist demnach, daß eine Beweisführung über die Schadenshöhe überhaupt unmöglich erscheint oder jedenfalls mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist. Davon kann vorliegendenfalls aber von vornherein nicht die Rede sein. Die Beklagte hat in ihrer Parteienvernehmung angegeben (AS 43 f.), daß sie das Geschäftslokal der Firm H*** Ges.m.b.H. zur Aufstellung der Automaten zur Verfügung gestellt habe, von den Einspielergebnissen 40 % erhalte und daß sie über diese Beträge Aufzeichnungen besitze. Der Geschäftsführer der Firma H*** Ges.m.b.H., Franz H***, bekundete als Zeuge (AS 28), über die Einspielergebnisse lägen seit dem Jahre 1982 genaue Abrechnungen vor, welche dem Gericht vorgelegt werden könnten. Hierauf stellte die Beklagte durch ihren Vertreter in der Verhandlung vom 29. Mai 1985 selbst das Beweisanbot, Unterlagen über die Höhe der eingewendeten Gegenforderung binnen drei Wochen vorzulegen. Tatsächlich ist die Vorlage der genannten Abrechnungen bis zum Schlusse der Verhandlung am 18.September 1985 nicht erfolgt. Stehen dem Geschädigten im Verfahren Beweismittel zur Darlegung der Schadenshöhe zur Verfügung und macht er hievon bloß keinen Gebrauch, so ist die Annahme, die Beweisführung über die Schadenshöhe sei für ihn unmöglich oder mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden, zwangsläufig ausgeschlossen. Eine Schadensbemessung nach freier Überzeugung im Sinne des § 273 Abs 1 ZPO erschiene in diesem Falle mangels Vorliegens der Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle daher unzulässig. Der ungerechtfertigten Revision war somit ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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