Normen
ABGB §932
ABGB §1295
HGB §346
HGB §377
Usancen der Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien §§50 ff
ABGB §932
ABGB §1295
HGB §346
HGB §377
Usancen der Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien §§50 ff
Spruch:
Nach den Usancen der Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien hängt nicht nur jeder Gewährleistungsanspruch, sondern auch jeder aus Qualitätsmängeln abgeleitete Schadenersatzanspruch davon ab, daß die Mängelrüge rechtzeitig erfolgt ist und rechtzeitig Protest erhoben wurde.
Entscheidung vom 26. Oktober 1955, 2 Ob 589/55.
I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Dem Kläger steht auf Grund des Versäumnisurteiles vom 31. Juli 1954 gegen die Firma Felix D. eine Honorarforderung von 4215 S s. A. zu. Zur Hereinbringung dieser Forderung wurde dem Kläger gegen die Firma Felix D. die Exekution durch Pfändung einer der Firma Felix D. angeblich zustehenden Schadenersatzforderung gegen die Beklagte bewilligt. Mit Beschluß vom 10. Jänner 1955 wurde dem Kläger diese Forderung bis zur Höhe der betriebenen Forderung an Zahlungsstatt überwiesen.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger diese Forderung gegen die Beklagte geltend und behaupte, die Firma Felix D. habe von der Beklagten 600 Zentner Speisekartoffeln von bestimmter Beschaffenheit gekauft. Diese Erdäpfel seien zum Export nach Italien bestimmt gewesen. Die Beklagte habe die Abwesenheit des Felix D. bei der Verladung benützt, um große Mengen verdorbener und kleiner Erdäpfel zu verladen und diese durch ordnungsgemäße Erdäpfel zuzudecken. Diese Ware sei in Italien beanständet und die Firma Felix D. durch Schiedsspruch zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von 767 Verrechnungsdollars verhalten worden. Felix D. habe demgemäß 20.925 S 50 g an Schadenersatz bezahlt. Da die Beklagte durch die schadhafte Lieferung einer großen Menge verdorbener und zu kleiner Ware diesen Schaden verursacht habe, sei sie zum Schadenersatz verpflichtet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus dem Akte S 40/54 des Schiedsgerichtes der Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien ergebe sich, daß die Beklagte am 26. Oktober 1954 gegen die Firma Felix D. eine Klage auf Bezahlung von 1900 S 14 g erhoben habe. Gegen diese Forderung sei eine Schadenersatzforderung von 20.925 S 50 g von der Firma Felix D. im Wesen mit der gleichen Begründung compensando eingewendet worden. Das Schiedsgericht habe festgestellt, daß der Beklagten gegen Felix D. eine Forderung von 1307 S 14 g zustehe. Aus den Entscheidungsgründen des Schiedsspruches ergebe sich, daß das Schiedsgericht die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend angesehen habe. Diese Forderung habe wegen der materiellrechtlichen Bestimmungen des § 56 der Börsenchancen nicht berücksichtigt werden können, da die Firma Felix D. die vorgesehene Frist zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen nicht eingehalten habe. Daraus ergebe sich, daß der Firma Felix D. gegen die Beklagte aus diesem Geschäft keine wie immer gearteten Ansprüche zustehen. Es habe daher auch keine Forderung auf den Kläger übergehen können. Das Erstgericht fügte dann noch bei, daß der Kläger diese Forderung nicht beim ordentlichen Gericht, sondern nur beim Börsenschiedsgericht geltend machen könnte.
Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes sei zu bejahen. Eine rechtskräftige Vorentscheidung hinsichtlich des jetzt eingeklagten Betrages liege nicht vor. Ob das Erkenntnis des Börsenschiedsgerichtes richtig ist, sei nicht zu überprüfen, weil der Erstrichter im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreites jedenfalls selbst zu beurteilen habe, ob der Firma Felix D. noch eine Schadenersatzforderung zustehe oder nicht. Der Kläger behaupte ein zivilrechtliches Delikt der Beklagten, das, falls es nachgewiesen werden könnte, einen Schadenersatzanspruch des Felix D. bzw. des Klägers begrunden würde, soferne darauf nicht ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet wurde. § 50 der Börsensancen über den Vertragsbruch lasse sich hier nicht anwenden, weil unter Vertragsbruch Nichtlieferung verstanden werde. Hier sei aber geliefert worden. Nach den Behauptungen des Klägers sei die Minderwertigkeit der Lieferung schuldhaft herbeigeführt worden. Darüber fehlten Bestimmungen in den Usancen. Es würden daher die angebotenen Beweise durchzuführen sein.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zutreffend führt die Beklagte aus, daß eine Unzuständigkeitseinrede in der ersten Tagsatzung nicht erhoben wurde. Da es sich hier weder um die Unzulässigkeit des Rechtsweges noch um eine unverzichtbare Unzuständigkeit handelt, ist das angerufene Gericht schon aus diesem Gründe zur Entscheidung zuständig. Es sind daher alle Ausführungen im Rekurs, welche die Frage betreffen, ob der Kläger berechtigt ist, sein Begehren vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen, unbeachtlich.
Auch rechtskräftig entschiedene Streitsache liegt nicht vor, wie das Berufungsgericht bereits richtig erkannt hat. Das Schiedsgericht konnte nur bis zur Höhe der dort geltend gemachten Klagsforderung mit Rechtskraftwirkung über die Gegenforderung entscheiden, d. i. bis zum Betrage von 1307 S 14 g. Eine rechtskräftige Entscheidung über den hier geltend gemachten Anspruch liegt somit nicht vor. Auch die beim Kreisgericht Korneuburg eingebrachte Klage kann hier außer Betracht bleiben, weil ihr ein etwas anderer Sachverhalt zugrunde lag, wie die Beklagte zutreffend ausführt.
Mit der vorliegenden Klage wird ein Schadenersatzanspruch, gestützt auf die §§ 1295 ff. ABGB., geltend gemacht. Dem Klagebegehren kann natürlich nur dann stattgegeben werden, wenn der Firma Felix D. eine solche Schadenersatzforderung zugestanden ist, da sicherlich nicht mehr Rechte übertragen werden konnten als der Verpflichteten zustanden.
§ 932 ABGB. hebt ausdrücklich hervor, daß der Verkäufer außer nach den Regeln der Gewährleistung auch für den verschuldeten Schaden haftet. Der Schadenersatzanspruch steht neben den Gewährleistungsansprüchen zu, ist aber kein Gewährleistungsanspruch. Er müßte daher nach dem Gesetze auch dann zustehen, wenn ein Gewährleistungsanspruch nicht oder nicht mehr erhoben werden kann. Das vorliegende Geschäft wurde jedoch unter Berufung auf die Usancen der Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien geschlossen. Es gelten daher hier vor allem die Börsenusancen. Aus diesen ergibt sich nun entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes, daß ein Schadenersatzanspruch, der aus Qualitätsmängeln abgeleitet wird - gleichgültig, ob die Lieferung minderer Qualität vorsätzlich oder fahrlässig erfolgte - nur dann erhoben werden kann, wenn rechtzeitig Mängelrüge und Protest erhoben wurde. Gemäß §§ 50, 51 der Börsenusancen kann der Ersatz des dem Käufer nachweisbar zugefügten Schadens sowie nachweisbar entgangenen Nutzens nur bei rechtzeitiger Protesterhebung wegen Vertragsbruches gefordert werden. Wie den späteren Ausführungen entnommen werden kann, können diese Bestimmungen der §§ 50 ff. keineswegs auf Erfüllungsverzug eingeschränkt werden, wie das Berufungsgericht vermeint. Die Lieferung minderer Qualität ist allerdings noch nicht Vertragsbruch im Sinne der genannten Bestimmungen, was sich aus § 56 letzter Absatz der Börsenusancen ergibt. Dort ist nämlich normiert, daß nur vertragswidrige Lieferung in einem Zeitpunkt, wo das Recht des Verkäufers auf Ersatzlieferung nicht mehr besteht, Vertragsbruch begrundet, der mittels Protest festzustellen ist. Auch in diesem Fall muß der Käufer aber, wenn er Schadenersatz begehren will, innerhalb zweier Werktage nach Eintritt des Vertragsbruches den Vertragsbruch feststellen lassen und im Protest sein Wahlrecht ausüben. Hat er den Protest unterlassen, wird er seines Wahlrechtes nach § 51 der Börsenusancen verlustig; hat er im Protest sein Wahlrecht ausgeübt, muß er binnen 5 Werktagen nach dem Tage der Feststellung des Vertragsbruches die Klage einbringen, ansonsten kein Schadenersatzanspruch mehr besteht (§ 52). Erfolgt aber die vertragswidrige Lieferung in einem Zeitpunkt, in dem dem Verkäufer noch das Recht auf Ersatzlieferung zusteht, hat der Verkäufer, falls sich die Bemängelung als berechtigt erweist, die Verpflichtung zur Ersatzlieferung, soferne der Käufer nicht die Ware gegen Vergütung des festzustellenden Minderwertes übernimmt (§ 62). Hat aber eine Ersatzlieferung nicht stattgefunden oder wäre diese vertragswidrig gewesen, so gilt der Verkäufer auch hier als vertragsbrüchig (§ 63). Auch diesen Vertragsbruch muß der Käufer innerhalb der Frist des § 50 der Börsenusancen mittels Protestes feststellen lassen, um sein Wahlrecht nach § 51 der Börsenusancen zu wahren. Hat er die Feststellung des Vertragsbruches unterlassen, hat dies zur Folge, daß der Vertrag in Ansehung der Ersatzlieferung als aufgelöst gilt, ein Vertragsbruch und damit die Rechtsfolgen des § 51 der Börsenusancen nicht mehr eintreten können.
Aus diesen Darlegungen folgt, daß nicht nur jeder Gewährleistungsanspruch, sondern auch jeder Schadenersatzanspruch, der aus Qualitätsmängeln abgeleitet wird, davon abhängt, daß die Mängelrüge rechtzeitig (§ 56) erfolgt und rechtzeitig Protest (§ 50) erhoben wurde.
Im vorliegenden Falle wurde nun gar nicht behauptet und noch weniger bewiesen, daß die Mängelrüge innerhalb der im § 56 der Börsenusancen festgesetzten Frist erfolgt wäre; noch weniger wurde behauptet, daß Protest erhoben oder sonst auf geeignete Weise ein Vertragsbruch des Verkäufers festgestellt worden wäre. Wurde aber dies unterlassen, steht Felix D., wie bereits dargelegt, eine Schadenersatzforderung gegen die Beklagte nicht mehr zu. Es konnte deshalb auch auf den Kläger im Exekutionsweg kein solcher Anspruch übergehen. Bei dieser Sachlage sind alle weiteren Erhebungen unnötig, die Sache ist vielmehr spruchreif.
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