OGH 2Ob580/86

OGH2Ob580/868.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*** H*** MBH, Gotramgasse 11, 1220 Wien, vertreten durch Dr. Max Veltze, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei KommRat Ing. Hannes N***, Kaufmann, Floridusgasse 16, 1210 Wien, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer, Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 449.500,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24. Jänner 1986, GZ 3 R 212/85-17, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17. Mai 1985, GZ 24 Cg 23/84-9, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat der Klägerin die mit S 16.659,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.920,-- Barauslagen und S 1.339,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Notariatsakt vom 22. Februar 1978 erwarben Dkfm. Franz T*** und DDr. Wolfgang M*** von den früheren Gesellschaftern der Klägerin deren Geschäftsanteile. Die Abtretungsentgelte sollten Zug um Zug mit Unterfertigung des Notariatsaktes an Rechtsanwalt Dr. S*** als Vertreter der früheren Geschäftsführer erfolgen. Zur Finanzierung eines Teiles des Abtretungsbetrages nahmen Dkfm. T*** und DDr. M*** bei der Landeshypothekenbank Niederösterreich ein Darlehen von 7 Mill. S in Anspruch. Da die Bank verlangte, daß sich auch die Klägerin zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtete, unterfertigten Dkfm. T***, DDr. M*** und der damalige Geschäftsführer der Klägerin einen Schuldschein, in welchem sie bestätigten, ein Darlehen von 7 Mill. S erhalten zu haben und daß sie zur ungeteilten Hand haften. Aufgrund einer schriftlichen Aufforderung des Dkfm. T***, der zum allein zeichnungsberechtigten Geschäftsführer der Klägerin bestellt wurde, überwies die Landeshypothekenbank Niederösterreich den Betrag von 7 Mill. S an Rechtsanwalt Dr. S***. Wenige Monate später traten der inzwischen verstorbene Hans P*** und der Beklagte mit Dkfm. T*** und DDr. M*** in Verhandlungen über die Abtretung von deren Geschäftsanteilen an der Klägerin ein. An den Gesprächen nahmen auch Dr. S*** und als Bevollmächtigter des Beklagten und Hans P***s Rechtsanwalt Dr. K*** teil. Im Zuge der Verhandlungen wurde dem Beklagten und Hans P*** mehrfach erklärt, daß Dkfm. T*** und DDr. M*** das Abtretungsentgelt für die Geschäftsanteile teilweise durch Aufnahme eines Darlehens bei der Landeshypothekenbank Niederösterreich unter Übernahme der mitschuldnerischen Haftung durch die Klägerin finanziert haben; besprochen wurde, daß der Beklagte und Hans P*** diese Darlehensverpflichtung anstelle von Dkfm. T*** und DDr. M*** in Anrechnung auf die von ihnen bezahlenden Abtretungsentgelte übernehmen sollen; dabei wurde mehrfach klargestellt, daß es sich hiebei "nicht um eine Verpflichtung der Klägerin, sondern um eine Verpflichtung von Dkfm. T*** und DDr. M*** handle, bzw. in der Folge um eine Verpflichtung des Beklagten und Hans P***s handeln werde". Mit Notariatsakt vom 6. Oktober 1978 traten Dkfm. T*** und DDr. M*** die Geschäftsanteile der Klägerin je zur Hälfte dem Beklagten und Hans P*** ab. In Punkt "Neuntens" des Notariatsaktes wird einleitend darauf hingewiesen, daß Dkfm. T*** und DDr. M*** gemeinsam bei der Landeshypothekenbank Niederösterreich ein Darlehen in Höhe von 7 Mill. S aufgenommen haben. Der Beklagte und Hans P*** erklärten anschließend, daß sie diese gesamte Darlehensverpflichtung der abtretenden Parteien unter Anrechnung auf die "Zessionsvaluta" vorbehaltlos übernehmen. Am 19. Dezember 1979 unterfertigten der Beklagte und Hans P*** ein an die Landeshypothekenbank Niederösterreich gerichtetes Schreiben, in welchem sie sich bereit erklären, als Personalschuldner sämtliche aus dem Schuldschein vom 21./22. Februar 1978 sich ergebenden Verpflichtungen neben der Klägerin als Solidarschuldner zu übernehmen. Die Landeshypothekenbank Niederösterreich nahm dieses Anbot an. Gleichzeitig mit der Abtretung der Geschäftsanteile war Dkfm. T*** als Geschäftsführer abberufen und Dr. Walter K*** zum Geschäftsführer bestellt worden. Über Anweisung des Beklagten und Hans P***s veranlaßte Dr. K***, daß Darlehensrückzahlungen an die Landeshypothekenbank Niederösterreich aus Mitteln der Klägerin in Höhe von S 415.700,-- am 27. Februar 1979 und von S 394.730,-- am 29. März 1979 geleistet wurden. In der Folge bezahlten der Beklagte und Hans P*** bzw. die Verlassenschaft nach Hans P*** die Darlehensrückzahlungen je zur Hälfte selbst. Der Beklagte stellte seine Zahlungen im Jahr 1984 ein, nach dem sich herausgestellt hatte, daß ein Projekt zur Errichtung einer Tankstelle auf einer Liegenschaft der Klägerin nicht realisiert wurde.

Die Klägerin brachte vor, sie habe Hans P*** und den Beklagten aufgefordert, die für diese geleisteten Zahlungen von insgesamt S 899.000,--

(S 415.700,-- + S 349.730,-- + Eintragungsgebühr von S 88.570,--) zu bezahlen, doch habe lediglich Hans P*** seinen Anteil bezahlt. Die Klägerin begehrt daher vom Beklagten den Betrag von S 499.500,-- samt 5 % Zinsen seit 16. Dezember 1983.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, die Klägerin habe an die Landeshypothekenbank für Niederösterreich eine eigene Schuld zurückbezahlt. Die Eintragungsgebühr habe die Klägerin allein betroffen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von S 405.215,-- s.A. statt und wies das Mehrbegehren von S 44.285,-- s.A. ab. Abgesehen von dem oben wiedergegebenen Sachverhalt traf es noch die negative Feststellung, es habe nicht festgestellt werden können, daß die Klägerin eine im Zusammenhang mit dem Darlehen stehende Eintragungsgebühr von S 88.570,-- bezahlt habe. Rechtlich führte das Erstgericht aus, zwischen der Darlehensgeberin und den Darlehensnehmern bestehe kraft ausdrücklicher Vertragsbestimmung ein Gesamtschuldverhältnis gemäß § 891 ABGB. Hans P*** und der Beklagte seien durch Schuldübernahme (§ 1406 Abs 1 ABGB) unter gleichzeitiger Befreiung der bisherigen Schuldner an deren Stelle getreten; dies gelte auch für das Innenverhältnis. Gemäß § 896 ABGB könne ein Mitschuldner, der Zahlung geleistet habe, von den anderen Mitschuldnern Regreß verlangen, falls zwischen den Parteien ein "besonderes Verhältnis", also eine von der gesetzlichen Regelung abweichende vertragliche Vereinbarung bestehe. Eine solche sei hier durch stillschweigende Willensübereinstimmung (§ 863 ABGB) zustandegekommen. Es bestehe kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, daß im Innenverhältnis die Mittel zur Finanzierung der Abtretungsentgelte für die Geschäftsanteile der Klägerin nicht von dieser selbst, sondern zur Gänze von den jeweiligen Erwerbern dieser Geschäftsanteile aufgebracht werden, weil die Bezahlung des Abtretungsentgeltes wirtschaftlich ausschließlich im Interesse des Gesellschafters erfolge. Mangels Feststellung einer Zahlung der Eintragungsgebühr durch die Klägerin ergebe sich deren Regreßanspruch nur aus den von ihr geleisteten Darlehensrückzahlungen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, wohl aber jener der Klägerin und änderte das Ersturteil dahin ab, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben wurde. Es stellte aufgrund des Berufungsvorbringens der Klägerin aus Urkunden ergänzend fest, daß die Klägerin eine im Zusammenhang mit dem Darlehen stehende Eintragungsgebühr von S 88.570,-- bezahlt habe, und vertrat die Ansicht, die Berechtigung der Klägerin, den Ersatz auch der Eintragungsgebühr vom Beklagten zu begehren, ergebe sich aus der im Innenverhältnis getroffenen Vereinbarung, die dahin auszulegen sei, daß alle der Klägerin im Zusammenhang mit der Darlehensaufnahme entstehenden Auslagen von denjenigen Personen, in deren wirtschaftlichem Interesse das Darlehen aufgenommen wurde, zu tragen seien.

Zur Berufung des Beklagten führte das Gericht zweiter Instanz aus, daß es die (positiven) Feststellungen des Erstgerichtes übernehme. Auch die Rechtsrüge des Beklagten sei nicht berechtigt. Ob und in welchem Umfang Rückgriffsrechte entstünden, richte sich primär nach dem besonderen Verhältnis unter den Mitschuldnern, das auf Vertrag oder Gesetz beruhen könne (Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 6 zu § 896). Ob die Mitschuldner im Innenverhältnis eine Vereinbarung getroffen hätten, wer zu welchen Teilen für die Gesamtverbindlichkeit aufkommen solle, sei Tatfrage. Im vorliegenden Fall sei nach den erstgerichtlichen Feststellungen vor Abtretung des Geschäftsanteiles an den Beklagten mehrfach klargestellt worden, "daß es sich bei dieser Darlehensverpflichtung nicht um eine Verpflichtung der Klägerin, sondern um eine Verpflichtung von Dkfm. T*** und DDr. M*** handle". Diese Formulierung sei zwar sprachlich nicht ganz exakt, weil nach dem Inhalt des Schuldscheines allen Beteiligten klar gewesen sei, daß die Klägerin als Mitschuldner hafte; unzweifelhaft bedeute diese Feststellung aber nichts anderes, als daß allen Beteiligten klar gewesen sei, daß das Darlehen im Innenverhältnis lediglich von Dkfm. T*** und DDr. M***, in der Folge also vom Beklagten und Hans P*** zu tragen sei. Der Vorwurf des Beklagten, die Klägerin habe sich auf eine derartige Vereinbarung im Innenverhältnis nach ihrem Sachvorbringen gar nicht berufen, sei nicht berechtigt. Schon in der Klage habe die Klägerin nämlich ausgeführt, daß die Rückzahlung des Darlehens vom Beklagten und Hans P*** übernommen worden sei. Die Klägerin habe ferner ausgeführt, Grund der Darlehensaufnahme sei der Ankauf der Geschäftsanteile durch Dkfm. T*** und DDr. M*** gewesen; der Klägerin sei aus diesem Darlehen kein Schilling zugeflossen. Das Erstgericht habe daher - nicht bloß "überschießend" - eine im Innenverhältnis getroffene Vereinbarung festgestellt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten. Er macht den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerber macht geltend, er habe mit der Klägerin keine Vereinbarung abgeschlossen. Aus einem Vertrag, den er mit Dkfm. T*** und DDr. M*** abgeschlossen habe, könne die Klägerin keine Ansprüche ableiten. Umstände, die ein "besonderes Verhältnis" im Sinne des § 896 ABGB annehmen ließen, seien von der Klägerin nicht vorgebracht worden. Daß der Beklagte und Hans P*** gegenüber der Klägerin (stillschweigend) erklärten, das gegenüber der Landeshypothekenbank Niederösterreich aushaftende Darlehen zu tragen, sei durch das Vorbringen nicht gedeckt. Es handle sich um überschießende Beweisergebnisse, die nicht in den Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes fallen und daher unbeachtlich seien. Aber selbst wenn man davon ausginge, daß zwischen den Streitteilen (und Hans P***) im Verhältnis zur Landeshypothekenbank Niederösterreich ein Mitschuldverhältnis begründet worden wäre, bestünde kein "besonderes Verhältnis" im Sinne des § 896 ABGB. Sei nämlich die Darlehensvaluta zum Erwerb der Geschäftsanteile durch Dkfm. T*** und DDr. M*** verwendet worden, dann habe die Klägerin einen Verwendungsanspruch gegenüber Dkfm. T*** und DDr. M***, den der Beklagte selbst bei Entstehen eines Mitschuldverhältnisses zur klagenden Partei nicht übernommen hätte.

Dem Revisionswerber ist folgendes entgegenzuhalten:

Soweit der Beklagte den Vorinstanzen vorwirft, über das Parteienvorbringen hinausgehende Beweisergebnisse berücksichtigt und in den Feststellungen verwertet zu haben (sogenannte "überschießende Feststellungen"), macht er keine unrichtige Beurteilung in materiellrechtlicher Hinsicht, sondern einen angeblichen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften geltend, der aber keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 503 Z 2 ZPO darstellt (SZ 21/123; JBl 1964, 208; 2 Ob 53/81 ua). Überdies fallen - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - die vom Beklagten als "überschießend" gerügten Feststellungen durchaus in den Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes.

Bei seinen Ausführungen, es sei zwar zu einer Vereinbarung zwischen Dkfm. T*** und DDr. M*** einerseits sowie Hans P*** und dem Beklagten andererseits gekommen, nicht aber zu einer Vereinbarung der beiden zuletzt genannten Personen mit der Klägerin, läßt der Beklagte außer acht, daß Dkfm. T*** alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin war. Er nahm an den Verhandlungen teil, bei denen besprochen wurde, daß der Beklagte und Hans P*** die Darlehensverpflichtung anstelle der bisherigen Gesellschafter übernehmen sollten und klar gestellt wurde, daß es sich hiebei nicht um eine Verpflichtung der Klägerin, sondern um eine solche von Dkfm. T*** und DDr. M*** handle, und in der Folge um eine Verpflichtung des Beklagten und Hans P***s handeln werde. Diese Gespräche betrafen nicht nur die Rechtstellung der bisherigen Gesellschafter zu den neuen Gesellschaftern, sondern - soweit es sich um das von Dkfm. T***, DDR. M*** und der Klägerin gemeinsam aufgenommene Darlehen handelte - auch die Rechtsbeziehungen der alten und neuen Gesellschafter zur Klägerin. Dafür, daß Dkfm. T*** bei diesen Vertragsverhandlungen nur im eigenen Namen auftrat, nicht aber auch für die Klägerin, besteht keinerlei Anhaltspunkt. Die Annahme der Vorinstanzen, bei diesen Gesprächen sei ein "besonderes Verhältnis" im Sinne des § 896 ABGB zustande gekommen, nach welchem Hans P*** und der Beklagte im Innenverhältnis für die Darlehenszahlungen aufzukommen hatten, ist daher zu billigen. Aufgrund des "besonderen Verhältnisses" ist die Klägerin berechtigt, von Hans P*** und dem Beklagten Ersatz für die geleisteten Zahlungen zu fordern.

Aus diesen Gründen mußte der Revision ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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