Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Das Erstgericht räumte unter Punkt 1.) seines Beschlusses ON 45 dem Hans Joachim L***** hinsichtlich seines ehelichen Kindes mj Maria-Nieves L*****, geboren am *****, ein ausgedehntes Besuchsrecht ein und wies das diesbezügliche Mehrbegehren ab. Unter Punkt 2.) des Beschlusses übertrug es mit der Rechtskraft der zu Punkt 1.) getroffenen Besuchsrechtsregelung die elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich dieses Kindes an die Mutter Dr. Maria Luise L*****; das ebenfalls auf eine solche Übertragung gerichtete Begehren des Vaters wies es ab.
Das Rekursgericht gab dem lediglich vom Vater erhobenen Rekurs nur insoweit Folge, als es den erstgerichtlichen Beschluss in seinem Punkt 2.) dahin abänderte, dass die Worte „... mit Rechtskraft dieser Besuchsrechtsregelung ...“ zu entfallen haben.
Gegen die Bestätigung des erstgerichtlichen Ausspruchs über die Übertragung der elterlichen Rechte und Pflichten an die Mutter erhebt der Vater Revisionsrekurs, macht die Rekursgründe der Aktenwidrigkeit und Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses geltend und beantragt Aufhebung der unterinstanzlichen Beschlüsse.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zufolge der Teilabänderung zulässig, aber nicht gerechtfertigt.
Das Erstgericht stützte seine Entscheidung zu Punkt 2.) auf das Parteivorbringen - nicht die Schlussfolgerungen - welches in dem von den inzwischen geschiedenen Eltern einverständlich eingeholten außergerichtlichen Gutachten des klinischen Psychologen Dr. M***** enthalten ist, das im Pflegschaftsverfahren eingeholte, im unbedenklich erscheinende Sachverständigengutachten Dris. S***** sowie die Ergebnisse der Vernehmung der beiden Elternteile. Es stellte ua fest, der Sachverständige Dr. S***** komme aus kinderpsychologischer Sicht zusammenfassend zur Empfehlung, das Kind bei der Mutter, einer berufstätigen Ärztin philippinischer Abstammung zu belassen und dem Vater, der derzeit arbeitslos und als Student der Mathematik und Physik mit der Fertigstellung seiner Dissertation befasst ist, ein im einzelnen dargestelltes Besuchsrecht einzuräumen. Aufgrund der Verfahrensergebnisse hielt das Erstgericht zwar beide Elternteile - die Mutter ist 43 Jahre und der Vater ist 45 Jahre alt - als zur Ausübung der elterlichen Rechte und Pflichten grundsätzlich geeignet, war jedoch ausgehend vom entscheidenden Kriterium des Kindeswohls der Ansicht, dass dieses eine Belassung bei der Mutter erfordere. Das Kind befinde sich schon seit geraumer Zeit (2. 11. 1982) bei ihr und auch „das Argument der gleichgeschlechtlichen Erziehung“ sei von Gewicht. Für den Vater spreche der weniger gewichtige Umstand, dass er weiterhin in der Ehewohnung wohne und ihm dort noch immer das philippinische Kindermädchen zur Verfügung stehe.
Das Rekursgericht hielt den Rekursausführungen des Vaters entgegen, bereits das Gutachten Dris. M***** habe nach Abwägung aller konkreten Umstände die Zuweisung der elterlichen Rechte an die Mutter für zweckmäßig gehalten und das Gutachten Dris. S*****, das sich auf eine ausführliche Befundaufnahme der Eltern und des Kindes stütze, lege schlüssig und überzeugend die Gründe dar, welche letztlich für eine Belassung des Kindes bei der Mutter sprächen. Im Hinblick auf die festgestellte problematische Persönlichkeitsstruktur beider Elternteile könne das Gericht nur in diesen psychologischen bzw kinderpsychologischen Gutachten eine objektive Grundlage für die Entscheidung finden, bei welchem Elternteil das Wohl des Kindes auf Dauer gesehen besser gewährleistet sei. Gegen das mit dem Gutachten Dris. M***** übereinstimmende Gutachten Dris. S***** habe der Rekurswerber Bedenken überhaupt nicht aufgeworfen. Im Hinblick auf die objektiven Untersuchungsergebnisse müssten die Versuche des Vaters, die Erziehungseignung der Mutter in Frage zu stellen, erfolglos bleiben. Im Weiteren widerlegte das Rekursgericht im Einzelnen (S 6 bis 13 seines Beschlusses) die vom Vater gegen die Mutter diesbezüglich vorgebrachten Argumente. Hinsichtlich der Möglichkeit der Kindesbetreuung - das 8 ½-jährige Kind besucht derzeit ein Halbinternat - führte es ua aus, dass die Mutter eine ausreichend große Eigentumswohnung bewohne, beruftstätig sei und ein fixes Einkommen beziehe, während der Vater arbeitslos sei und nach eigenen Angaben teilweise von Unterstützungen lebe. Sobald er einen Posten antrete, werde auch er das Kind tagsüber nicht mehr selbst betreuen können, sondern eben nur durch ein Kindermädchen. Unter den gegebenen Umständen sei für die Zuteilung der Elternrechte vor allem auch das Moment der Stetigkeit und Dauer der Pflege und Erziehung von maßgeblicher Bedeutung - dass die Mutter seinerzeit das Kind gegen den Willen des Vaters mitgenommen habe, sei nicht entscheidend - wobei dem Kind ein Pflegeplatzwechsel möglichst erspart bleiben sollte. Davon könne nur abgegangen werden, wenn hiedurch eine beachtliche Verbesserung der Lage des Kindes und seiner Zukunftserwartungen herbeigeführt werde, wovon vorliegendenfalls aber nicht die Rede sein könne.
Unter dem Rekursgrund der Aktenwidrigkeit bringt der Vater vor, entgegen der Behauptung des Rekursgerichts habe er sehr wohl Bedenken gegen das Gutachten Dris. S***** vorgebracht, wie sich aus seinem Antrag vom 26. 9. 1983 ergebe.
Dies trifft wohl zu, doch ist dem zu entgegnen, dass die unrichtige Wiedergabe eines Vorbringens für die Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung grundsätzlich ohne Bedeutung bleibt; hierin liegt keine erhebliche Aktenwidrigkeit (3 Ob 66/74, 2 Ob 48/79, 7 Ob 795/82, 4 Ob 514/83 ua).
Als Nichtigkeitsgrund, gleichzeitig als Mangelhaftigkeit und offenbare Gesetzwidrigkeit, wird geltend gemacht, der Sachverständige habe sich an mehreren Stellen seines Gutachtens keine Rechenschaft „über die Tragweite seiner eigenen Aussagen“ gegeben. Er begnüge sich aus den „Ist-Aufnahmen“ auf die Charaktere der Eltern hinzuweisen, leite aber daraus keine Schlüsse auf die Verhaltensweisen des Kindes und mögliche Auswirkungen auf dieses ab. Umgekehrt habe er „aus den Aussagen des Kindes, seine Verhaltensweise … ebenfalls keine Reaktionen des Kindes auf mögliche Einflüsse des einen oder anderen Elternteils gesehen ...“. Der Sachverständige habe somit die Charaktere von Eltern und Kindern isoliert betrachtet und es verabsäumt, einen Konnex zwischen den elterlichen Charakteren und den vergangenen und vorhersehbaren zukünftigen Auswirkungen auf das Kind herzustellen. In der Exploration des Kindes sei das Ergebnis suggeriert bzw vorweggenommen worden. Insgesamt habe der Sachverständige keine anderen Gründe „als das weibliche Geschlecht des Kindes und die Kontinuität der Betreuung des Kindes“ für den Verbleib bei der Mutter genannt. Diese Gründe allein seien nicht ausreichend, um ein Gutachten uneingeschränkt als Basis für eine richterliche Entscheidung für die Zuteilung der elterlichen Rechte heranzuziehen. Es hätten daher auch die übrigen Beweismittel, nämlich die angebotenen Zeugenbeweise, aufgenommen werden müssen.
Von einem Verfahrensverstoß im Gewichte einer Nichtigkeit kann nach ständiger Rechtsprechung nur dann gesprochen werden, wenn die dem Gerichte iSd § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG obgliegende Stoffsammlung so mangelhaft geblieben wäre, dass dadurch das Wohl des Kindes vollkommen außer Acht gelassen würde.
Davon kann vorliegendenfalls im Hinblick auf die Zugrundelegung ausführlicher Sachverständigengutachten sowie die persönliche Vernehmung der Eltern durch den Erstrichter in den Tagsatzungen vom 4. 11. 1982 und 18. 11. 1982 nicht die Rede sein. Eine weitere Beweisaufnahme durch Vernehmung der vom Vater genannten Auskunftspersonen stand im Ermessen der Tatsacheninstanzen. Ihre Unterlassung bildet unter den gegebenen Umständen keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens.
Im Einzelnen richten sich die Vorwürfe des Rekurswerbers ausschließlich gegen das Gutachten des Sachverständigen Dr. S***** und gipfeln darin, dass der Sachverständige verschiedene Erwägungen nicht angestellt bzw nicht die erforderlichen Schlüsse gezogen habe. Seine Begründung, dass letztlich die Stetigkeit der Betreuung des Kindes und der Umstand, dass es gleichen Geschlechts wie die Mutter sei, für den Verbleib bei dieser sprächen, erscheine nicht hinreichend.
Darauf ist zu erwidern, dass die Würdigung der tatsächlichen Feststellungen des Gutachtens und der zur Gewinnung dieser Tatsachenfeststellungen vom Sachverständigen angewendeten Regeln der Wissenschaft und Sachkunde, die ihrerseits Erfahrungssätze zur Gewinnung des Sachverhalts darstellen, unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels nicht anfechtbar ist, sondern allenfalls unter dem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Voraussetzung hiefür aber wäre, dass der Sachverständige bei seinen Schlussfolgerungen gegen zwingende Denkgesetze oder gegen die objektiv überprüfbaren zwingenden Gesetze des sprachlichen Ausdrucks verstoßen hat (EvBl 1959/160, 1956/258, SZ 22/126; 2 Ob 252/71, 2 Ob 113, 114/74 ua). Solche qualifizierten Verstöße behauptete der Rekurswerber selbst gar nicht und sie liegen auch nicht vor. Aus dem 38 Seiten langen Gutachten ist ersichtlich, dass der Sachverständige eine umfassende Befundaufnahme auch unter Mitwirkung einer weiteren Begutachterin aus dem Fach der Kinderpsychologie und unter Bedachtnahme auf den Inhalt des Vorgutachtens Dris. M***** durchführte, in welche selbst die vom Vater vorgelegten Auskünfte dritter Personen einbezogen wurden und in welcher der Sachverständige ausführte, warum die Vernehmung der Frau N***** als Auskunftsperson nicht erforderlich sei. Von einer isolierten Betrachtung der Persönlichkeit der Eltern und des Kindes oder der Vorwegnahme der Ergebnisse des Gutachtens und damit allenfalls unlogischer, weil nicht von den erheblichen Ober- und Untersätzen ausgehenden, Schlussfolgerungen kann aber im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen auf Seite 34 f und Seite 21 bis 26 nicht die Rede sein.
Darin dass das Rekursgericht, im Wesentlichen gegründet auf das somit schlüssige Sachverständigengutachten, die Übertragung der elterlichen Rechte und Pflichten an die Mutter aus dem Kindeswohl eher entsprechend erachtete kann ebenfalls keine unrichtige rechtliche Beurteilung erkannt werden. Im Ergebnis ist von der Persönlichkeit her kein Elternteil besser oder schlechter zur Betreuung und Erziehung des Kindes geeignet als der andere. Auf längere Sicht wird eine ständige unmittelbare Betreuung des Kindes durch den Vater, der derzeit arbeitslos ist, gewiss auch nicht erfolgen können, sodass die persönlichen Betreuungsmöglichkeiten ebenfalls die gleichen sind. Bei dieser Sachlage sind die Unterinstanzen aber zu Recht davon ausgegangen, dass keine Umstände vorliegen, die die Unterbringung des Kindes beim Vater als dem Kindeswohl förderlicher erscheinen ließen. Dies wäre aber nach ständiger Rechtsprechung Voraussetzung, da ein Wechsel in den Erziehungsverhältnissen im Hinblick auf den wichtigen Erziehungsgrundsatz der Stetigkeit der Erziehung im Allgemeinen und auch hier nicht dem Kindeswohl entspricht. In der von den Unterinstanzen vorgenommenen Übertragung der elterlichen Rechte und Pflichten an die Mutter kann somit kein Rechtsirrtum erkannt werden.
Demgemäß war dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)