OGH 2Ob568/84

OGH2Ob568/8426.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene S*****, vertreten durch Dr. Peter Spörk, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei O***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Margareta Appel, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 68.687 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 1984, GZ 3 R 10/84-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg vom 15. Oktober 1983, GZ 3 a Cg 275/82-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass das von der beklagten Partei aufgrund der von ihr am Objekt „Olympia-Kino“ in Baden vorgenommenen Arbeiten in den Punkten 1. bis 4. der Rechnung vom 4. 6. 1982, Nr 86-6/82, geltend gemachte Entgelt infolge der diesen Arbeiten anhaftenden Mängel nicht fällig ist, abgewiesen wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 25.426,92 S bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz (darin enthalten 2.640 S Barauslagen und 1.687,92 S USt), die mit 5.211,57 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 336 S Barauslagen und 402,57 S USt) und die mit 3.553,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 600 S Barauslagen und 268,50 S USt) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Anlässlich des Umbaus ihres Kinos in Baden beauftragte die Klägerin die beklagte Partei unter anderem mit der Gestaltung des Kinoportals einschließlich der Beschriftung, sowie der Verkleidung der Decke des Kinoeingangs. Am 4. 6. 1982 legte die beklagte Partei für ihre Leistungen Rechnung über 104.394,60 S mit dem Vermerk, zahlbar nach Rechnungserhalt. Die Klägerin bezahlte die Rechnung mit Ausnahme der Rechnungspositionen 1.) bis 4.) in Höhe von 58.210 S (zuzüglich 18 % Umsatzsteuer = 68.687 S), die die Verkleidung des Portals, die Lieferung der Buchstaben und die Deckenverkleidung des Kinoeingangs (sogenannte Unterkonstruktion) betreffen.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Rechnung vom 4. 6. 1982 wegen der den Arbeiten anhaftenden Mängel nicht fällig sei. Das von der beklagten Partei empfohlene Buchstabenmaterial sei mangels Haftbarkeit für den vorgesehenen Zweck ungeeignet. Die Verkleidung des Portals und der Hängedecke sei infolge ungenügender Befestigung durch Windeinfluss herabgefallen.

Die beklagte Partei bestreitet das Vorliegen von Mängeln, die sie zu vertreten habe. Sie behauptet, dass die Mängelrüge verspätet erhoben und die Portalverkleidung nach den ausdrücklichen Wünschen des Architekten der Klägerin gestaltet worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung den auf den AS 95 bis 99 (S 4 bis 7 der Urteilsausfertigung) dargestellten Sachverhalt zugrunde. Danach teilte der Architekt der Klägerin (im Folgenden nur Architekt) dem Geschäftsführer der beklagten Partei bei den Vorgesprächen mit, dass die Beschriftung nicht in der herkömmlichen Schienenkonstruktion ausgeführt werden soll. Der Geschäftsführer der beklagten Partei schlug Haftbuchstaben aus Gummi vor, die durch Adhäsion haften. Dieser Vorschlag wurde von der Klägerin angenommen. Die Schaufläche des Kinoportals bestand aus zwei 2 x 3 m großen Plexiglasplatten. Diese wurden in einer Stahlkonstruktion oben mit 13, links mit 10 und rechts mit 8 Stahlschrauben von 4 mm Durchmesser befestigt. Die Stahlkonstruktion war von der Firma S***** nach den Wünschen des Geschäftsführers der beklagten Partei hergestellt worden. Die Plexiglasplatten waren Milchfarben und sollten von innen beleuchtet werden, damit die auf ihnen angebrachten schwarzen Buchstaben gut sichtbar sind. Die von der beklagten Partei vorgeschlagenen Gummibuchstaben haften einwandfrei nur auf glatten, absolut reinen und fettfreien Flächen. Diese Voraussetzungen sind nur in geschlossenen Räumen erzielbar. Eine Haftbarkeit solcher Buchstaben auf Flächen, die der Witterung ausgesetzt sind, ist nur für kurze Zeit gegeben. Der Geschäftsführer der beklagten Partei klärte die Klägerin nicht darüber auf, dass mit dem Herabfallen der Buchstaben in kurzer Zeit zu rechnen ist. Hätte er die Klägerin aufgeklärt, wäre sein Vorschlag nicht angenommen worden. Eine Abdeckung der Schaufläche war von der beklagten Partei überhaupt nicht vorgesehen. Für die Unterkonstruktion wurde von der Firma S***** nach den Wünschen des Geschäftsführers der beklagten Partei ein Stahlgitter angefertigt. In dieses Gitter wurden Acrylglasplatten eingehängt. Diese sollten mit Ausnahme einer Platte mit Silikon verfugt werden. Die Verfugung wurde von der beklagten Partei nicht vorgenommen. Bereits einige Tage nach Fertigstellung der Schautafel fielen die Buchstaben herab. Dies wurde sofort mündlich beim Geschäftsführer der beklagten Partei durch den Architekten gerügt. Es folgte eine schriftliche Rüge mit der Aufforderung zur Mängelbehebung. Die beklagte Partei beschränkte sich auf den Vorschlag, die Buchstaben mit Klebestoff (Tixoband) zu befestigen. Die Klägerin beauftragte daher einen Elektroingenieur, an die Schaufläche drei 1 x 1,10 m große und 5 kg schwere durchsichtige Plexiglasscheiben anzubringen, um in diese „Taschen“ Informationsmaterial einschieben zu können. Sowohl die Klägerin als auch ihr Architekt waren der Meinung, dass die Unterkonstruktion bereits fertiggestellt ist. Als die den Mangel der Verfugung merkten, wurde die beklagte Partei sofort mündlich und auch schriftlich aufgefordert, die Arbeiten fertigzustellen. Die beklagte Partei kam dieser Aufforderung nicht nach.

Am 23. 1. 1983 fielen die Plexiglasplatten der Schaufläche mit Ausnahme eines 3 dm2 großen Stücks herab und zerbrachen. Ursache hiefür war, dass sich infolge Nichthaftung der Platten an der Stahlkonstruktion ein Luftsack von ca „6 m3“ im darüberliegenden Hohlraum gebildet hatte, der auf die Glasfläche drückte. Dies führte zu einer dauernden Beanspruchung der Metallschrauben. Die vorgenommene Verschraubung erlaubte auch keine Freibeweglichkeit der Wärmeausdehnung und Wärmeschrumpfung der Plexiglasflächen. Die Anbringung der „Taschen“ schwächte zwar die Gesamtkonstruktion, ihr Fehlen hätte aber den Absturz nicht verhindert. Am selben Tag wurden auch durch den Wind die Glasplatten der Unterkonstruktion ausgehoben, sodass sie zu Boden fielen und zerbrachen.

Das Erstgericht bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erhebung einer Feststellungsklage. bei dem Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen handle es sich um einen Werkvertrag. Die mangelnde Haftbarkeit der Buchstaben stelle einen wesentlichen und unbehebbaren Mangel dar, den die beklagte Partei zu vertreten habe. Gemäß § 1168a ABGB hätte sie die Klägerin darüber aufklären müssen, dass eine dauernde Haftbarkeit der Buchstaben an Außenflächen nicht gesichert ist. Mangels Verfugung der Abdeckplatten der Unterkonstruktion sei das Werk auch noch nicht vollendet. Die Mängel und die Unvollständigkeit des Werks hätten zum Herabfallen der Plexiglasplatten geführt. Dies habe gleichfalls die beklagte Partei zu vertreten. Die Mangelhaftigkeit und die Unvollständigkeit des Werks berechtigten die Klägerin, das gesamte Entgelt bis zur Behebung der Mängel bzw bis zur Erfüllung des Vertrags zurückzuhalten. Die Klägerin habe ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, weil diese die Grundlage für ihr weiteres Vorgehen bilde.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung. Es billigte im Wesentlichen auch den Rechtsstandpunkt des Erstgerichts. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergebe sich aus der Rechnungslegung. Damit habe die beklagte Partei zum Ausdruck gebracht, dass ihrer Meinung nach der Werklohn fällig sei. Die Klägerin müsse dann nicht zuwarten, bis die beklagte Partei den Rechnungsbetrag einklage. Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Fälligkeit einer Werklohnforderung ein im Sinne des § 228 ZPO feststellbares Recht darstelle, nicht vorhanden sei.

Der Feststellung der Fälligkeit einer Werklohnforderung wird regelmäßig schon die Möglichkeit der Leistungsklage entgegenstehen. Gemeint ist aber offensichtlich ohnehin die negative Feststellung der mangelnden Fälligkeit. Hiezu sowie zur Frage des rechtlichen Interesses an einer solchen Feststellung liegt, soweit überblickbar, ein Ausspruch des Obersten Gerichtshofs nicht vor, sodass der - im Übrigen unbekämpfte - Zulässigkeitsausspruch gerechtfertigt ist.

Die negative Feststellungsklage hat den Zweck, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzuheben. Sie ist nur bei Berührung des Rechts zulässig (SZ 32/89), und das Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn der Beklagte ein bestimmtes Recht oder Rechtsverhältnis ernsthaft behauptet und dadurch die Stellung des Klägers beeinträchtigt (SZ 46/89). Ganz allgemein gesagt, liegt ein rechtliches Interesse nur dann vor, wenn die Feststellungsklage im konkreten Fall als ein geeignetes Mittel zur wirksamen Beseitigung der Rechtsgefährdung des Klägers angesehen werden kann (RZ 1980/34 mwN). Ein Feststellungsinteresse ist insbesondere dann zu bejahen, wenn durch die Klarstellung des Rechtsverhältnisses künftige Rechtsstreitigkeiten verhindert werden können (MietSlg 29.618). Der vorliegenden Feststellungsklage kommt eine Wirkung im Sinne dieser Grundsätze nicht zu. Zutreffend hat das Berufungsgericht hervorgehoben, dass das Entgelt aus einem Werkvertrag in der Regel erst nach vollendetem Werk zu entrichten ist, und der Besteller, der die unvollständige Erfüllung des Werks angenommen und Verbesserung des mangelhaften Werks begehrt, bis zur Verbesserung seine Gegenleistung verweigern kann (SZ 52/23 mwN). Die Feststellung der mangelnden Fälligkeit der vom Unternehmer gelegten Rechnung wegen des Vorliegens von Mängeln allein beseitigt aber die durch die Mängel bedingte Beeinträchtigung des Bestellers nicht. Es kommt einer solchen Feststellung auch wegen der Unbestimmtheit des weiteren Verhaltens des Unternehmers nicht von vornherein die Eignung der Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten zu. Besondere Umstände, aus denen sich dennoch ein rechtliches Interesse der Klägerin ergebe, wurden nicht einmal behauptet. Die begehrte Feststellung kann daher lediglich der Klarstellung von Tatsachen, nämlich des Vorliegens von Mängeln, nicht aber der Bereinigung der Rechtsbeziehungen oder der Beseitigung der Beeinträchtigung der Stellung der Klägerin dienen. Der Mangel des rechtlichen Interesses an der Feststellung ist von Amts wegen auch im Rechtsmittelverfahren wahrzunehmen (SZ 34/171 uva).

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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