Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der Beschluß des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und in der Sache erkannt:
Die Zweitbeklagte ist über die ihr mit dem Teilurteil des Berufungsgerichtes vom 4.3.1992, 4 R 28/92-43, auferlegte Verpflichtung hinaus schuldig, der Klägerin den Betrag von S 357.044,32 samt 4 % Zinsen seit 12.8.1988 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Sie ist weiters zur ungeteilten Hand mit dem Erstbeklagten schuldig, der Klägerin die mit S 205.121,88 bestimmten Prozeßkosten erster Instanz (darin enthalten S 30.803,24 Umsatzsteuer und S 20.302,37 Barauslagen), die mit S 19.194,12 (darin enthalten S 3.199,02 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und für sich allein die mit S 26.293,80 bestimmten Kosten des Rekurses der Klägerin binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Erstbeklagte entzog als Bilanzbuchhalter der Klägerin in den Wirtschaftsjahren 1986, 1987 und 1988 betrügerisch einen Betrag von S 4,138.501,20. Unter Berücksichtigung eines der Klägerin als Privatbeteiligter im Strafverfahren zugesprochenen Betrages und erfolgter Schadensgutmachungen blieb unstreitig noch ein Betrag von S 1,182.020,70 unbezahlt offen.
Mit der Behauptung, die Zweitbeklagte sei der Verpflichtung des Erstbeklagten, die Schäden zu ersetzen, als Bürgin und Zahlerin beigetreten, begehrte die Klägerin auch von dieser die Bezahlung der unbeglichenen Schadenssumme von S 1,182.020,70 sA.
Die Zweitbeklagte wendete ein, sie sei bei Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung nicht geschäftsfähig gewesen, es sei dabei ihre Not, Zwangslage und Unerfahrenheit ausgenützt worden, die Geschäftsgrundlage sei weggefallen und die Klägerin müsse sich den Zinsenvorteil anrechnen lassen, der ihr zugutegekommen sei, weil sie Steuern aus den veruntreuten Beträgen erst in einem späteren Zeitpunkt habe zahlen müssen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren samt entsprechenden Stufenzinsen statt. Es traf - zusammengefaßt dargestellt - folgende hier noch relevante Feststellungen:
Nachdem die Zweitbeklagte von den Verfehlungen des Erstbeklagten erfahren hatte, kam es über Vermittlung der Klägerin am 16.8.1988 zu einer Besprechung der beiden Beklagten in der Kanzlei des Klagevertreters Dr.Michael Leuprecht. Zu diesem Zeitpunkt stand die genaue Höhe des vom Erstbeklagten verursachten Schadens noch nicht fest. Der Klagevertreter verlangte namens der Klägerin, daß auch die Zweitbeklagte für den vom Erstbeklagten verursachten Schaden die Haftung als Bürgin und Zahlerin übernehme. Die im folgenden auszugsweise wiedergegebene Vereinbarung wurde vom Klagevertreter in Gegenwart beider Beklagten diktiert:
"....
3. Herr T***** verpflichtet sich, jeglichen durch seine Unregelmäßigkeiten entstandenen Schaden dem Geschädigten zu ersetzen. Für sämtliche Ansprüche des Geschädigten gegenüber Herrn Günther T***** übernimmt hiemit Frau Ingrid T***** als dessen Ehegattin die Haftung als Bürgin und Zahlerin. Zum Zeichen dieser Haftungsübernahme wird die gegenständliche Vereinbarung von Frau Ingrid T***** mitunterfertigt. Frau Ingrid T***** bestätigt ausdrücklich, über das Wesen einer derartigen Bürgschaft und Haftung belehrt worden zu sein.
.....
6. Abschließend wird ausdrücklich festgehalten, daß sich die Haftung der Frau Ingrid T***** als Bürgin und Zahlerin ausdrücklich auf sämtliche Punkte dieser Vereinbarung bezieht.
....."
Die Zweitbeklagte befand sich beim Abschluß der Vereinbarung in einem seelischen Ausnahmezustand, der aber in seiner Schwere einer Geisteskrankheit nicht gleichzusetzen ist. Der seelische Ausnahmezustand war nicht geeignet, die Geschäftsfähigkeit der Zweitbeklagten aufzuheben; sie konnte die Tragweite der von ihr unterschriebenen Erklärung durchaus erfassen.
Im Zusammenhang mit der Straftat des Erstbeklagten hat die Klägerin ihre Steuern nicht bei Fälligkeit, sondern erst am 17.2. und 1.3.1989 entrichtet und sich bei einem angenommenen Zinssatz von 4 % S 357.044,32 an Zinsen erspart. Weitere Steuerersparnisse sind nicht eingetreten.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß die Einwendung der Vorteilsausgleichung nicht erhoben werden könne, weil sie gegen den Grundgedanken des § 1440 zweiter Satz ABGB verstoße. Auch die übrigen Einwendungen der Zweitbeklagten seien nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Erstbeklagten in der Hauptsache nicht, hingegen jener der Zweitbeklagten teilweise Folge, bestätigte den an die Klägerin erfolgten Zuspruch von S 824.976,40 sA, hob aber den weiteren Zuspruch von S 357.044,32 sA auf und verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß zulässig sei. Zur hier allein strittigen Frage der Anrechenbarkeit des Zinsenvorteils vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß eine unmittelbare Heranziehung des § 1440 ABGB verfehlt wäre. Zwar könne diese Bestimmung auch analog angewendet werden, doch sei der vorliegende Fall "nicht ausreichend vergleichbar", um die geltend gemachte Vorteilsausgleichung zu verhindern. Diese sei möglich, weil es sich im wesentlichen um eine Aufwandsersparnis der Klägerin handelte. Eine Bereicherung des betrügerisch Schädigenden dürfe zwar durch die Vorteilsanrechnung nicht eintreten, doch müsse die Zweitbeklagte, die die Haftung als Bürgin und Zahlerin für dessen Pflicht "jeglichen durch seine Unregelmäßigkeiten entstandenen Schaden dem Geschädigten zu ersetzen", übernommen habe, nicht mehr als den tatsächlich entstandenen Schaden an die Klägerin zahlen. Der Schade der Klägerin sei aber um den festgestellten Zinsenvorteil geringer. Da die Klägerin behauptet und unter Beweis gestellt habe, daß der von ihr geltend gemachte Schadenersatzanspruch selbst bei Berücksichtigung dieser Vorteilsausgleichung noch immer mindestens den Klagebetrag erreiche, und das Erstgericht in der unrichtigen Annahme, daß eine Vorteilsausgleichung nicht stattfinden dürfe, dazu keine Feststellungen getroffen habe, müsse sein Urteil in Ansehung des demnach noch strittig gebliebenen Teilbetrages von S 357.044,32 zur entsprechenden Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung aufgehoben werden.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, in der Sache selbst zu erkennen und auch die Zweitbeklagte zur Bezahlung weiterer S 357.044,32 sA zur ungeteilten Hand mit dem Erstbeklagten zu verurteilen; hilfsweise wird die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Rückverweisung der Rechtssache an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Entscheidung beantragt.
Die Zweitbeklagte erstattete keine Rekursbeantwortung.
Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Argumentation des Berufungsgerichtes geht daran vorbei, daß der Erstbeklagte und damit auch die Zweitbeklagte als seine Bürgin (siehe Vertrag vom 16.8.1988) verpflichtet sind, der Klägerin den gesamten ihr veruntreuten Betrag, also auch die noch offen gebliebene S 1,182.020,70 zur Gänze zu ersetzen. Eine Vorteilsanrechnung zugunsten des Erstbeklagten kommt nicht in Betracht, weil er sonst entgegen den guten Sitten begünstigt wäre, indem er einen Teil der kriminellen "Beute" nicht zurückzuerstatten bräuchte und daher aus seiner Veruntreuung auf Kosten anderer Nutzen zöge. Dieser Grundsatz muß sich aber auch auf die Zweitbeklagte auswirken, da sie sich ausdrücklich verpflichtete, für sämtliche Ansprüche der Geschädigten gegenüber dem Erstbeklagten die Haftung als Bürgin und Zahlerin zu übernehmen. Unter "sämtliche Ansprüche" können aber nach den dargelegten Grundsätzen und den Ergebnissen dieses Verfahrens nur die vollen S 1,182.020,70 sA verstanden werden, weil dieser Betrag jene Summe darstellt, die der Klägerin noch auf die ihr veruntreuten S 4,138.501,20 fehlt.
Die Rechtssache ist daher auch in Ansehung des von der Zweitbeklagten bestrittenen Betrages von S 357.044,30 sA im Sinne einer in der Hauptsache zu erfolgenden Bestätigung des Ersturteiles zur Entscheidung reif, weshalb wie im Spruch zu erkennen war (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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