Spruch:
Der Revisionrekurs wird, soweit er sich gegen Punkt B) 2) der Entscheidung des Rekursgerichtes richtet, zurückgewiesen. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Punkte A) und B) 1) b) der Entscheidung des Rekursgerichtes richtet, wird ihm Folge gegeben. In diesem Umfang wird der Beschluß des Rekursgerichtes und die Entscheidung des Erstgerichtes aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern der am 13.1.1976 geborenen Vilja R*** ist geschieden; die Elternrechte stehen der Mutter zu, in deren Haushalt das Kind aufwächst.
Am 30.5.1989 stellte die Mutter den Antrag, den Vater für die Zeit vom 1.3.1983 bis 30.8.1986 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 4.000 und ab 1.9.1986 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 6.000 für die mj.Vilja zu verhalten. Der Vater sprach sich dagegen aus.
Das Erstgericht trug dem Vater ab 1.3.1987 eine monatliche Unterhaltsleitung von S 2.700 für die mj.Vilja auf; das Mehrbegehren der Mutter wies es ab.
Es traf Feststellungen über die Einkommens- und Lebensverhältnisse der Eltern und des Kindes, deren Wiedergabe hier im einzelnen unterbleiben kann.
Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß für die Zeit bis 28.2.1987 eine rückwirkende Unterhaltsfestsetzung für das Kind schon deswegen nicht in Betracht komme, weil nach den Behauptungen der Mutter diese bis dahin den Unterhalt für die mj.Vilja geleistet habe; der behauptete Forderungsübergang auf die Mutter schließe im Sinne des § 1042 ABGB die Verfolgung des Unterhaltsanspruches im außerstreitigen Verfahren aus. Für die Zeit ab 1.3.1987 sei der Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.700 für die mj.Vilja zu verhalten. Er lebe in überdurchschnittlich guten finanziellen Verhältnissen, die ihm die Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 3.300 ermöglichten; davon seien Eigeneinkünfte des Kindes aus Kapitalvermögen von monatlich S 580 in Abzug zu bringen. Dieser Beschluß des Erstgerichtes blieb im Umfang des erfolgten Unterhaltsanspruches für die Zeit ab 30.5.1989, der Abweisung des gesamten Unterhaltsbegehrens für den Zeitraum vom 1.3.1983 bis 28.2.1987 und der Abweisung eines Mehrbegehrens von monatlich S 1.000 für die Zeit ab 1.3.1987 unangefochten. Im Umfang der Abweisung eines Mehrbegehrens von monatlich S 2.300 ab 1.3.1987 wurde er von der Mutter, im Umfang des Unterhaltszuspruches von monatlich S 2.700 für die Zeit vom 1.3.1987 bis 30.5.1987 vom Vater mit Rekurs bekämpft.
Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem Rekurs des Vaters zur Gänze und dem Rekurs der Mutter teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es auch den Antrag, den Vater rückwirkend für die Zeit vom 1.3.1987 bis 30.5.1989 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.700 für die mj.Vilja zu verpflichten, abwies (Punkt A)). Hinsichtlich der Abweisung eines Mehrbegehrens von monatlich S 2.300 für den Zeitraum vom 1.3.1987 bis 30.5.1989 bestätigte es die Entscheidung des Erstgerichtes (Punkt B) 1) b)). Im Umfang der Abweisung des Mehrbegehrens von monatlich S 2.300 für die Zeit ab 1.6.1989 hob es die Entscheidung des Erstgerichtes auf; in diesem Umfang trug es dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf (Punkt B) 2)). Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, es sei davon auszugehen, daß im Zeitraum vom 1.3.1987 bis 30.5.1989 der Unterhalt des Kindes (von geringfügigen Naturalleistungen abgesehen) nicht im Wege direkten Geldalimentation seitens des Vaters bestritten worden sei. Sei die Befriedigung der insoweit in Geld bestehenden Bedürfnisse des Kindes auch nicht aus eigenen Mitteln erfolgt, dann habe dies zwingend nur durch Leistungen der Mutter erfolgen können. Die Mutter habe diese Aufwendungen den Forderungen ihres geschiedenen Gatten auf Pachtzinszahlung aufrechnungsweise entgegengesetzt; korrespondierend dazu habe der Vater mit dem Hinweis, die Mutter sei mit der Bezahlung des Pachtschillings im Verzug, keinen Unterhalt für das Kind geleistet. Habe die Mutter den gesetzlichen Unterhalt in der Erwartung des Ersatzes vom Unterhaltsschuldner geleistet, so sei die Unterhaltspflicht schon im Umfang der erbrachten Leistungen erloschen. Dem Leistenden stehe - außer bei Schenkungsabsicht - der Anspruch nach § 1042 ABGB gegen den Unterhaltspflichtigen zu.
Im übrigen hätten die Eltern und das Kind nach der Scheidung, jedenfalls bis zur Fassung des erstgerichtlichen Beschlusses, im selben Haus gewohnt, wenngleich in getrennten Wohnungen. Die Mutter als Vertreterin des Kindes habe gewußt, daß der Vater ab 1.7.1987 eine Pension bezieht, eine Forderung aus der Verpachtung seines Unternehmens hat und über Wertpapiere verfügt. Einer Antragstellung auf Unterhaltsfestsetzung vor dem 30.5.1989 sei nichts entgegengestanden. Offensichtlich habe das Begehren auf Festsetzung rückwirkenden Unterhaltes seinen Grund in in der letzter Zeit eingetretenen Zerwürfnissen der Eltern gehabt. Ungeachtet der Tatsache, daß die Mutter die exakte Höhe des Einkommens des Vaters nicht genau gekannt habe, sei ihr die frühere Einbringung eines Unterhaltsfestsetzungsantrages möglich und auch zumutbar gewesen. Wenn sie dies trotz hinreichender Kenntnis der Bemessungsumstände unterlassen habe, habe sie damit - um so mehr unter Bedachtnahme auf das Zusammenleben im selben Haus - in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck gebracht, daß sie für diese Unterhaltsperioden keine Unterhaltsleistungen begehre, sodaß einer allfälligen späteren Nachforderung der darin geäußerte stillschweigende Verzicht entgegenstehe. Bei der Entscheidung über die Festsetzung eines rückwirkenden Unterhaltes sei die Frage des Vertrauensschutzes nicht außer Betracht zu lassen. Dadurch, daß die Mutter namens des Kindes im bezogenen Zeitraum keine Unterhaltsfestsetzung begehrt habe, sei beim Unterhaltspflichtigen - vor allem unter Bedachtnahme auf das räumliche Naheverhältnis, das offensichtlich bis dahin guten Einvernehmen sowie die Nichtleistung der Pachtzinszahlungen - eine die Lebensgestaltung und den Verbrauch umfassende Vertrauenslage entstanden, die ihm nicht nachträglich entzogen werden könne. Unter Bedachtnahme auf die Besonderheit des vorliegenden Falles verstoße die Geltendmachung rückwirkenden Unterhaltes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und sei deshalb nicht zu billigen. Was die Unterhaltsfestsetzung für den Zeitraum ab 1.6.1989 anlange, sei das Rechtsmittel der Mutter berechtigt. Ein unterhaltsberechtigtes Kind solle an den besseren Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen angemessen teilhaben. Als Einkommensbestandteile auf Seiten des Vaters käme dessen Pensionsbezüge, Einkünfte aus Kapitalvermögen (Wertpapieren), Pachtzinseinnahmen sowie allfällige Einkünfte aus Liegenschaften in Betracht. Das Erstgericht habe zu diesen Einkommensbestandteilen genaue Feststellungen lediglich betreffend die Pensionsbezüge getroffen. Die im Akt ersichtlichen Erhebungsergebnisse ließen zwar die Berechtigung eines gegenüber dem Regelbedarf erheblich erhöhten Unterhaltes als naheliegend erscheinen; die genaue Höhe des festzusetzenden Unterhaltes könne aber erst nach vollständiger Klärung der Gesamteinkünfte des Vaters erfolgen, weshalb der Beschluß des Erstgerichtes im Umfang der Abweisung des Mehrbegehrens von monatlich S 2.300 ab 1.6.1989 aufzuheben sei.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Vater ab 1.3.1987 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 5.000 für die mj.Vilja verhalten werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Soweit sich das Rechtsmittel der Mutter gegen den aufhebenden Teil (Punkt B) 2)) der Entscheidung des Rekursgerichtes richtet, ist es trotz des Ausspruches des Rekursgerichtes, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, unzulässig, weil in diesem Umfang die im § 14 Abs 1 AußStrG (Art XLI Z 9 WGN 1989) normierten Voraussetzungen nicht vorliegen. Wenn das Rekursgericht zur Beurteilung der Höhe des Unterhaltsanspruches des Kindes genauere Feststellungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters für erforderlich erachtete, berührt dies keine Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG, sodaß der Revisionsrekurs der Mutter in diesem Umfang als unzulässig zurückzuweisen ist. Hingegen kann dem Rechtsmittel der Mutter Berechtigung nicht abgesprochen werden, soweit es sich gegen die Abweisung des für den Zeitraum vom 1.3.1987 bis 30.5.1989 gestellten Unterhaltsantrages in der Höhe von monatlich S 5.000 richtet.
Der Rechtsansicht des Rekursgerichtes, die Mutter habe unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen dadurch, daß sie erst am 30.5.1989 einen Unterhaltsantrag stellte, schlüssig zum Ausdruck gebracht, daß sie für die Zeit vorher auf Unterhalt für das Kind verzichte, kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß aus der Unterlassung der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches während eines längeren Zeitraumes allein nicht im Sinne des § 863 ABGB auf einen Unterhaltsverzicht geschlossen werden kann (vgl SZ 49/127; SZ 53/149; SZ 59/34 ua), bedürfte ein von der Mutter namens des Kindes gegenüber dem Vater abgegebener Unterhaltsverzicht im Sinne des § 154 Abs 3 ABGB zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung des Gerichtes, da eine derartige Rechtshandlung zweifellos nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb des Kindes gehört.
Es kann daher von einem schlüssigen Unterhaltsverzicht der Mutter im vorliegenden Fall keine Rede sein.
Zur Frage der Geltendmachung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen für die Vergangenheit wurde in der in JBl 1988, 586 veröffentlichten Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes ausführlich Stellung genommen. Darauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden. In dieser Entscheidung wurde unter anderem ausgeführt, daß dann, wenn ein Dritter den gesetzlichen Unterhalt in der Erwartung des Ersatzes vom Unterhaltsschuldner leistet, die Unterhaltsverpflichtung im Umfang der erbrachten Leistung erloschen ist. Daran ist auch diesfalls festzuhalten.
Rechtliche Beurteilung
Während die Mutter im Verfahren erster Instanz selbst behauptete, den Unterhalt für die mj.Vilja bis 1.3.1987 ausschließlich selbst geleistet zu haben, wurde eine derartige Behauptung bezüglich des Zeitraumes vom 1.3.1987 bis 30.5.1989 erstmals im Rekurs des Vaters gegen den Beschluß des Erstgerichtes aufgestellt. Gemäß § 10 AußStrG ist es den Parteien unbenommen, in Rekursen neue Umstände und Beweismittel anzuführen. Wenn auch diese im Gesetz eröffnete Möglichkeit nicht dazu dient, die maßgebende Sachlage, wie sie dem Erstgericht vorlag, zu verschieben, sondern nur, sie zu ergänzen, muß es doch den Parteien unbenommen bleiben, sich im Rekurs auf neue Umstände zu beziehen, die bereits vor der Erlassung des erstgerichtlichen Beschlusses eintraten und die für die richtige rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes von Bedeutung sein können (SZ 56/28 mwN uva). Anders wäre der im § 10 AußStrG getroffenen Anordnung jeder Sinn genommen.
Das Rekursgericht hatte sich daher mit der im Rekurs des Vaters vorgebrachten Neuerung, die Mutter habe auch in der Zeit vom 1.3.1987 bis 30.5.1989 den Unterhalt für die mj.Vilja in Erwartung des Ersatzes durch den unterhaltspflichtigen Vater geleistet, sachlich auseinanderzusetzen. Das konnte aber nur dadurch geschehen, daß exakte Feststellungen getroffen wurden, aus denen sich die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der diesbezüglichen Behauptung des Vaters ergibt. Dies ist nicht gesehehen. Die offensichtliche Annahme des Rekursgerichtes, daß die Mutter auch in diesem Zeitraum den Unterhalt für die mj.Vilja geleistet habe, geht nicht von konkreten Feststellungen, sondern von nicht zwingenden und zum Teil durch die Aktenlage nicht gedeckten Schlußfolgerungen aus. Überdies ist nicht erkennbar, wie das Rekursgericht zu der Annahme gelangte, daß diese Unterhaltsleistung durch die Mutter in Erwartung des Ersatzes durch den unterhaltspflichtigen Vater erfolgte. Die Ausführungen des Rekursgerichtes bieten unter diesen Umständen keine tragfähige Tatsachengrundlage für die Entscheidung über die für den Zeitraum vom 1.3.1987 bis 30.5.1989 erhobene Unterhaltsforderung. Da das Rekursgericht die Höhe der Bemessungsgrundlage für aufklärungsbedürftig erachtete und schon aus diesem Grund zur teilweisen Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht gelangte, wäre es unzweckmäßig, die Rechtssache zur Beurteilung der geltend gemachten Unterhaltsansprüche für den Zeitraum vom 1.3.1987 bis 30.5.1989 an das Rekursgericht zurückzuverweisen. Es ist vielmehr in teilweiser Stattgebung des Rechtsmittels der Mutter der angefochtene Beschluß in seinen Punkten A) und B) 1) b) ebenso wie die Entscheidung des Erstgerichtes im gleichen Umfang aufzuheben. Die Rechtssache ist in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen, das ebenso wie die erforderlichen Feststellungen zur Höhe der Bemessungsgrundlage auch die erforderlichen konkreten Feststellungen zum Einwand des Vaters, die Mutter habe in der Zeit vom 1.3.1987 bis 30.5.1989 den Unterhalt für die mj.Vilja in Erwartung des Ersatzes durch den unterhaltspflichtigen Vater geleistet, zu treffen haben wird.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)