Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die erstinstanzliche Entscheidung im Umfang des Punktes 1 wiederhergestellt und die von der beklagten Partei erhobene Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit sowie der örtlichen Unzuständigkeit verworfen wird. Im übrigen wird dem Berufungsgericht eine Entscheidung über die von der beklagten Partei erhobene Berufung aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Der Kläger ist Kfz-Händler in Österreich. Er begehrt vom Beklagten, der in Deutschland mit Kraftfahrzeugen handelt, die Zahlung des Klagebetrages als vereinbarte Stornogebühr. Der Beklagten habe mit schriftlichem Kaufvertrag vom 15.10.1991 vom Kläger einen PKW Mercedes 300 CE-24 Cabriolet zu dem am Tage der Auslieferung gültigen Werkstagespreis abgeschlossen. Die Übergabe bzw Übernahme des PKWs sei für das Jahr 1992 unmittelbar nach Auslieferung durch den Hersteller an den Kläger vereinbart worden. Der Beklagte habe sich geweigert, das Fahrzeug zu übernehmen, worauf der Kläger nach Nachfristsetzung seinen Rücktritt vom Vertrag erklärt habe.
Zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes berief sich der Kläger auf § 104 JN. Im Kaufvertrag sei als Gerichtsstand ausdrücklich und schriftlich das für den Sitz des Klägers sachlich zuständige Gericht vereinbart worden.
Der Kläger wendete - soweit für das Revisionsrekursverfahren von Interesse - die mangelnde inländische Gerichtsbarkeit und die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes ein. Der Kaufvertrag enthalte die Klausel, daß er erst nach schriftlicher Bestätigung durch den Verkäufer rechtsverbindlich sei. Da eine solche schriftliche Bestätigung der Vereinbarung nie erfolgt sei, sei der Kaufvertrag und sohin die Gerichtsstandsvereinbarung nicht rechtsverbindlich zustande gekommen.
Das Erstgericht verwarf in einer gemeinsamen Entscheidung mit Beschluß die Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und örtlichen Unzuständigkeit und erkannte das Klagebegehren im Betrag von S 188.419,80 samt 5 % Zinsen seit dem 16.11.1992 als zu Recht und eine eingewendete Gegenforderung sowie ein Zinsenmehrbegehren als nicht zu Recht bestehend. Es traf dazu nachfolgende für die Entscheidung relevante Feststellungen:
Der Beklagte erkundigte sich im August/September 1991 beim Kläger über die Liefertermine des Neufahrzeuges Mercedes 300 CE-24 Cabriolet, weil das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt in Deutschland bereits vergriffen war und nur mit Lieferzeiten von zwei bis drei Jahren ausgeliefert werden konnte. Nachdem der Kläger vom Herstellerwerk in Erfahrung gebracht hatte, daß dieses Fahrzeug in Österreich erst im Frühjahr 1992 vorgestellt werde und mit einer Lieferung Mitte bis Ende 1992 gerechnet werden konnte, teilte er dies dem Beklagten mit. Die Streitteile schlossen am 15.10.1991 einen Kaufvertrag über dieses Fahrzeug zum Tagespreis. Als Liefertermin wurde schriftlich "1992" vereinbart. Im Kaufvertrag ist unter anderem folgende Bestimmung enthalten: Der Käufer nimmt zur Kenntnis, daß der Kaufvertrag erst nach schriftlicher Bestätigung durch den Verkäufer rechtsverbindlich ist. Gerichtsstand ist das für den Sitz der Lieferfirma sachlich zuständige Gericht.
Unbestritten ist, daß dieser Kaufvertrag von beiden Teilen unterfertigt und vom Kläger mit seiner Stampiglie versehen wurde.
Das Erstgericht erörterte hiezu rechtlich, daß die inländische Gerichtsbarkeit in Zivilsachen unter anderem dann gegeben sei, wenn eine örtliche Zuständigkeitsvorschrift anwendbar sei. Die inländische Gerichtsbarkeit könne auch durch Vereinbarung eines österreichischen Gerichtes begründet werden. Diese Gerichtsstandsvereinbarung sei aber dann rechtsunverbindlich, wenn der Kaufvertrag selbst nicht rechtsgültig zustande gekommen sei.
Es erörterte aufgrund weiterer Feststellungen, daß sich der Beklagte nicht mehr auf die Unverbindlichkeit des abgeschlossenen Kaufvertrages berufen könne, weil er in seinem Schriftwechsel nicht auf die Notwendigkeit der schriftlichen Bestätigung des Kaufvertrages hingewiesen habe. Eine ursprünglich zwischen den Parteien vereinbarte Formvorschrift sei durch dasVerhalten des Beklagten gegenstandslos geworden. Im übrigen ergebe eine Auslegung der Kaufvertragsbestimmungen, daß diese Formalvorschrift nur dann zur Anwendung gelange, wenn der Händler nicht selbst den Kaufvertrag unterfertige. Da der Kaufvertrag rechtsgültig zustande gekommen sei, sei auch die Gerichtsstandsvereinbarung rechtswirksam und die inländische Gerichtsbarkeit gegeben.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil und das erstinstanzliche Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit und wegen mangelnder örtlicher Zuständigkeit des Erstgerichtes zurück.
Es führte rechtlich zwar zunächst aus, daß die im Kaufvertrag vorgelegte Gerichtsstandsvereinbarung eine Prozeßhandlung der Parteien darstelle, die nicht das Schicksal der materiellrechtlichen Hauptvereinbarung teile, erachtete aber in der Folge dennoch eine Interpretation des Inhaltes des Kaufvertrages für notwendig und kam zu dem Schluß, daß der Kaufvertrag mangels schriftlicher Bestätigung durch den Kläger noch nicht rechtsverbindlich geworden sei. Es folgerte daraus rechtlich, daß die im Kaufvertrag enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung dennoch das Schicksal des Vertrages in der Hauptsache teile und noch nicht rechtsverbindlich zustande gekommen sei, weshalb es an der örtlichen Zuständigkeit und auch an der inländischen Gerichtsbarkeit fehle. Da eine Verpflichtung Österreichs aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in der vorliegenden Rechtssache nicht bestehe und dem Kläger die Rechtsverfolgung in Deutschland möglich und zumutbar sei, seien die beiden Prozeßeinreden des Beklagten berechtigt, was zur Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens und des angefochtenen Urteiles führen müsse.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Rekurs des Klägers ist berechtigt.
Nach nunmehr herrschender Lehre und Rechtsprechung ist die inländische Gerichtsbarkeit vor der Zuständigkeit zu prüfen (SZ 62/101; JBl 1992, 331 ZfRV 1994, 166; Böhm JBl 1988, 388). Die inländische Gerichtsbarkeit in Zivilsachen besteht für alle Rechtssachen, die durch positiv-gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regelungen oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind (Mayr in Rechberger Rz 4 zu § 28 JN mwN). Die geforderte ausreichende Inlandsbeziehung kann entweder in der Ortsgebundenheit der Parteien oder in einer Ortsbezogenheit des Streitgegenstandes gelegen sein (vgl EvBl 1993/93).
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Geltendmachung von Ansprüchen aus einem in Österreich von einem Österreicher abgeschlossenen Kaufvertrag die geforderten ausreichenden Inlandsbeziehungen aufweist.
Nach der Rechtsprechung stellt auch eine gültige und wirksame Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien einen - auch von anderen Verfahrensordnungen, wie dem EuGVÜ oder dem Luganer Parallelübereinkommen international allgemein anekannten - Anknüpfungspunkt an das österreichische Inland dar. Damit wird nach herrschender Ansicht die inländische Gerichtsbarkeit Österreichs begründet und das an sich international unzuständige österreichische Gericht unmittelbar zuständig (JBl 1983, 541 = ZfRV 1983, 147 = EvBl 1983/13; EvBl 1983/35; ZfRV 1994, 124).
Zur Beurteilung der bestrittenen Prozeßvoraussetzungen der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Zuständigkeit ist daher die Wirksamkeit der im Kaufvertrag enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung nach den Regeln des österreichischen Zivilverfahrensrechtes zu überprüfen (Mayr in Rechberger Rz 1 zu § 104 JN mwN). Dabei ist davon auszugehen, daß durch die Gerichtsstandsvereinbarung nicht ein Rechtsgeschäft abgeschlossen werden soll, sondern durch die übereinstimmende Willenserklärung der Parteien in prozessual geforderter Form der in § 104 JN normierte Tatbestand für die Zuständigkeit eines bestimmten, ansonsten unzuständigen Gerichtes geschaffen werden soll. Zu ihrer Auslegung sind daher nicht die materiellrechtlichen Vorschriften über die Auslegung von Verträgen heranzuziehen, insbesondere teilt eine Zuständigkeitsvereinbarung nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung nicht das Schicksal der materiellrechtlichen Hauptvereinbarung wie andere materiellrechtliche Nebenverträge. Sie bleibt also unabhängig davon bestehen, ob die Hauptvereinbarung bestritten, ihr Bestand sogar überhaupt verneint oder ihre Auflösung begehrt wird (Mayr aaO, Fasching I 500; RZ 1957,107).
Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen bedarf es daher zur Prüfung der Gültigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nicht der Überprüfung der Hauptvereinbarung, weil eine Gerichtsstandsvereinbarung auch alle Streitigkeiten aus Ansprüchen, die aus dem nicht einvernehmlich erfolgten einseitigen Abgehen vom Vertrag abgeleitet werden, umfaßt. Da die vorliegende Gerichtsstandsvereinbarung von beiden Parteien unterfertigt, ausreichend bestimmt (vgl ZfRV 1992/23) und sonst gegen deren Gültigkeit sprechende Einwände, außer dem Nichtzustandekommen des Hauptvertrages, nicht erhoben wurden, waren die Einwendungen des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
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