Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die unterinstanzlichen Urteile werden dahin abgeändert, daß die Ehe der Streitteile aus beiderseitigem Verschulden geschieden wird. Die Prozeßkosten sowie die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
In der am 18.2.1982 bei Gericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Scheidung ihrer Ehe mit dem Beklagten aus dem Grunde des § 49 EheG. Sie behauptet, der Beklagte verbringe seine Freizeit außer Haus, zeige kein Interesse für das Familienleben, habe sich anderen Frauen zugewendet und unterhalte insbesondere seit dem Jahre 1981 ehewidrige Beziehungen.
Der Beklagte bestritt das Klagsvorbringen, beantragte Klagsabweisung und erhob nach beiderseitigem weiteren Vorbringen am 28.6.1983 eine Widerklage, in welcher er die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Widerbeklagten begehrte. Nicht er, sondern die Widerbeklagte habe durch ihr ehewidriges Verhalten die unheilbare Zerrüttung der Ehe herbeigeführt. Sie habe wiederholt erklärt, sie wolle frei sein und ihr Leben leben, sei immer mehr außer Haus gegangen und spät nachts oder erst nach Tagen nach Hause gekommen, verweigere den ehelichen Geschlechtsverkehr und unterhalte offenkundig ehewidrige Beziehungen; habe eine eigene Wohnung gemietet und den Haushalt vernachlässigt; den Widerkläger mit Ausdrücken wie 'halt die Gosch'n, halt die Pappn' belegt, zahlreiche andere, im einzelnen angeführte Eheverfehlungen begangen und dadurch gezeigt, daß sie das Interesse am Widerkläger verloren habe. Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten und Widerklägers aus. Das Berufungsgericht gab keiner der von beiden Streitteilen erhobenen Berufungen Folge.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt der Beklagte und Widerkläger eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung dahin, daß die Ehe der Streitteile aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden der Klägerin und Widerbeklagten geschieden werde, hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise gerechtfertigt.
Dem erstgerichtlichen Urteilsspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der am 17.11.1961 geschlossenen Ehe der Streitteile entstammen die Kinder Sonja, geboren 1962, Andreas, geboren 1964, und Manuela, geboren 1971. Zu den ersten ernsten Schwierigkeiten in der Ehe der Streitteile kam es im Jahre 1977, als die Tochter Sonja mit 15 Jahren die Schule beendet hatte und einen 'Hang zum Weggehen' zeigte. Der Beklagte schritt dagegen durch wiederholte Verbote ein, wogegen die Klägerin meinte, Sonja sei jung und man solle sie gehen lassen. Auf die Erklärungen des Klägers, wenn dies so weitergehe, könne er keine Verantwortung übernehmen, erwiderte die Klägerin, sie werde die Kinder schon weiterbringen. An die Aufforderung des Beklagten an Sonja, sie müsse um 24 Uhr zu Hause sein, hielt diese sich nicht. Die Klägerin schimpfte deswegen zwar manchesmal mit ihr, manchesmal wieder nicht. Im wesentlichen war ihre Stellungnahme die, daß sie dem Beklagten die Gegenfrage stellte, 'warum man das Kind nicht gehen lassen solle'. Nach einigen Monaten verlor Sonja ihre Lehrstelle in Lienz, weil sie sich den Anordnungen des Lehrherrn nicht fügte. Sie hatte einen Freund, mit dem sie Silvester feiern wollte, was ihr der Beklagte aber verbot. Aus Lienz kehrte sie nicht nach Hause zurück, meldete sich schließlich dort bei der Gendarmerie und wurde sodann, nachdem der Beklagte erklärt hatte, das gehe ihn nichts an, das sei Sache der Klägerin, von dieser abgeholt. öhnliche Schwierigkeiten begannen ein Jahr später mit dem Sohn Andreas. Auch er begann 'wegzugehen', aber auch zu trinken. Im Jahre 1981 kam er einmal erst am Morgen nach Hause. Damals erklärte er dem Beklagten, nachdem er diesem vorher immer in der Landwirtschaft - der Beklagte, ein Eisenbahnbediensteter, hatte vor einigen Jahren einen Bauernhof geerbt - geholfen hatte, er möchte sich zuerst ausschlafen. Der Beklagte erwiderte, jemanden, auf den er sich nicht verlassen könne, brauche er nicht, dann mache er die Arbeit lieber allein. Am Anfang seiner Ausbildung an der B hatte Andreas einen guten Lernerfolg, im zweiten Schuljahr wohnte er nicht mehr im Heim, sondern mit mehreren Freunden privat, im dritten Jahr mußte er die Klasse wiederholen. Im Heim hatte er wegen Randalierens, Trinkens und ungebührlichen Benehmens Schwierigkeiten. Seit Andreas dem Beklagten in der - nebenbei betriebenen - Landwirtschaft nicht mehr hilft, wurde ihm von diesem erklärt, er müsse selbst schauen, wie er zurechtkomme, im übrigen ignorierte ihn der Beklagte. Insbesondere das Verhalten der Klägerin in der Erziehungsfrage, welche im wesentlichen immer die Kinder unterstützte, hat den Beginn der Streitigkeiten bewirkt. Weiters war der Beklagte nicht damit einverstanden, daß die Klägerin immer dann, wenn er Freitag abends Gesangsprobe hatte, mit einer Freundin ausging. Im übrigen ging die Klägerin wenig aus, allenfalls auch, wenn Sonja mit einem Freund da war. Die Ehe der Streitteile verflachte solcherart immer mehr. Der Beklagte war wegen der Streitigkeiten zwischendurch längere Zeit nicht ansprechbar. Die Abende hatten sich schon ab dem Jahre 1978 so dargestellt, daß die Klägerin lieber sehr lange, auch bis nach Mitternacht, gehäkelt und gelesen hat und dann, wenn sie zu Bett ging und sich der Beklagte ihr nähern wollte, fast immer sagte, sie möchte lieber schlafen und sei müde. Zu einem einschneidenden Ereignis kam es dann am 2.10.1981. Damals hatte die Klägerin dem Beklagten auf dem Bauernhof geholfen, obwohl sie durch diese Arbeit sie hat im Alter von 17 Jahren bei einem Unfall einen Unterarm verloren - manchmal überbeansprucht worden war. Bisher war es immer üblich gewesen, daß die Streitteile nach der gemeinsamen Arbeit auf dem Bauernhof ins Kaffeehaus gingen, wo die Klägerin einen Kaffee und der Beklagte ein Bier tranken. Diesmals erklärte ihm die Klägerin, daß sie zu ihrer Freundin gehen möchte und daß sie sich ihre Freiheit nicht nehmen lasse. Hierauf begann der Beklagte zu schreien und erklärte, sie solle packen und verschwinden und zwar 'bis zum 17.11., er möchte lediglich die zwanzig Jahre voll machen'. Seither kam es zwischen den Streitteilen zu keinem Geschlechtsverkehr mehr. Wenn der Beklagte ein solches Ansinnen an sie stellt, weist sie ihn darauf hin, daß er es mit der Hand machen oder zum Nachtclub 'FEMINA' in Spittal an der Drau gehen solle. Als die Klägerin den Beklagten im November 1981 um Geld für an die Kinder zu machende Weihnachtsgeschenke bat, fragte er sie, ob er denn überhaupt Kinder habe. Am Weihnachtsabend gingen Sonja und Andreas zum Beklagten, der sich in der Küche aufhielt, um ihm Weihnachtsgeschenke zu überreichen, worauf er seinerseits jedem 500 S gab. Auf ihre Bitte, mit der Familie gemeinsam zu feiern, erklärte er, er habe keine Familie. Zu Silvester 1981 kam der Beklagte von der Arbeit nach Hause und wollte gemeinsam mit der Klägerin, wie bisher immer, auf den Silvesterball gehen. Die Klägerin ging jedoch gerade mit ihrem Bruder und ihrer Schwägerin in Ballkleidung aus dem Haus, ohne irgendetwas zu sagen oder ihn zum Nachkommen aufzufordern. Als der Beklagte baden wollte, war nur Kaltwasser vorhanden, weshalb er zu Hause blieb. Als er am nächsten Morgen aus dem Stall kam, packte die Klägerin gerade Koffer und erklärte, sie werde zu Sonja nach Salzburg fahren, wo diese damals arbeitete, wo sich auch das Kind Manuela befand und wohin sodann auch Andreas fuhr. Schon früher hatte Sonja den Beklagten einmal gefragt, ob die Klägerin und die Geschwister zu ihr fahren könnten, worauf er geantwortet hatte, dies sei ihm egal. Nunmehr erklärte er der Klägerin aber, er werde die Polizei nachschicken, die sie schon finden werde, weil er sie als vermißt melden würde. Hierauf antwortete die Klägerin 'Du spinnst'. In Salzburg vereinbarte Sonja mit der Klägerin, daß diese mit den Geschwistern allein dableibe, sie selbst dagegen nach Hause fahre, um mit Bekannten Abschied zu feiern. In der Folge wunderte sich der Beklagte über die Ankunft der Tochter, welche ihn über den Sachverhalt jedoch aufklärte. Eine Nichte des Beklagten erzählte sodann herum, Sonja habe bei ihrer Rückkehr erstaunt gefragt, wo denn die Mutter sei. Der Beklagte konnte sich 'die Sache nun nicht mehr zusammenreimen'. Am 6.1.1982 kam die Klägerin zurück und stellte die Nichte zur Rede, wobei sie diese 'alles geheißen' und aus der Wohnung verwiesen hat. Der Beklagte erklärte der Klägerin hierauf, daß sie seine Leute nicht vertreiben und sich ordentlich verhalten solle, wobei er sich äußerte, sie solle 'die Gosch'n halten' und mit den Fäusten auf sie losfuhr. Wegen des Vorfalles war die Klägerin 'total fertig'. Sie ging zu ihrem Bruder, um dort einen Kaffee zu trinken, kehrte sodann mit diesem und seiner Frau zurück und machte für die beiden einen Toast. Der nach Hause kommende Beklagte regte sich später darüber auf, daß hier Leute Toast gegessen hätten, und schüttete sodann, nachdem die Klägerin gerade begonnen hatte, Geschirr abzuwaschen, das abgewaschene Geschirr wieder in die Abwäsche zurück mit der Bemerkung, die Leute sollten ruhig hören, daß hier erst so spät Geschirr abgewaschen werde. Weiters äußerte er, 'ich mache dich ganz grausig fertig', sodann nahm er Abwaschwasser und schüttete die Klägerin mehrmals im Gesicht und an den Kleidern an. Diese lief wiederum zu ihrem Bruder, welcher sie zurückbegleitete, doch verbot ihm der Beklagte das Betreten der Wohnung und erklärte, er möge 'die Drecksau' wieder mitnehmen. Wenn die Klägerin, welcher er verboten hatte, allein auszugehen, sich an das Verbot nicht hielt und spät heimkam, sperrte er die Wohnung zu, sodaß sie nur nach heimlichem Öffnen durch das Kind Manuela hineingelangen, zweimal jedoch im Keller und einige Male bei Bekannten schlafen mußte. Nach Mitternacht hielt der Beklagte die Wohnung von innen versperrt, welche Maßnahme sich vor allem auf die Kinder, schließlich aber auch auf die Klägerin bezog. Am Todestag der Mutter des Beklagten fand ein Ball statt, an welchem der Beklagte als Kassier anfangs unbedingt teilnehmen mußte, nach Erledigung seiner Funktionen aber heimging. Die Klägerin blieb aber weiter auf dem Ball und kam sehr spät nach Hause. Im Jahre 1981, zum Zeitpunkt der Streitigkeiten wegen des Umganges der Klägerin mit ihrer Freundin, hatten die Streitteile eine Aussprache vor dem Bezirksgericht Spittal an der Drau. Die Klägerin äußerte dem Richter gegenüber, sie möchte frei sein. Als die Klägerin zu Neujahr 1982 in Salzburg war, holte sich der Beklagte beim Richter neuerlich Rat ein. Dieser lud die Klägerin vor, welche der Ladung jedoch nicht Folge leistete und dem Beklagten erklärte, der Richter sei 'der größere Trottel' als er selbst. Der Beklagte ist, ausgenommen den Freitag, abends fast immer daheim. Das Familienleben spielt sich dann so ab, daß sich die Klägerin und die Kinder getrennt von ihm aufhalten. Er spricht meist weder mit der Klägerin noch mit den Kindern. Manchmal grüßen sich die Streitteile bzw. die Kinder den Vater, manchesmal nicht. Der Beklagte hat damit begonnen, den Gruß der Klägerin nicht zu erwidern. Er ist auch der Ansicht, daß zuviel Strom verbraucht wird, weil das Licht grundlos eingeschaltet bleibt, auch macht er der Klägerin Vorhalte, wenn sie in der Nacht Handarbeiten macht. Im Jahre 1981 oder 1982 hatte Andreas mit einer Kellnerin ein Verhältnis, bekam deswegen vom Sohn des Wirtes Gasthausverbot, und unternahm, als die Kellnerin mit ihm Schluß machte und er mehr zu trinken begann, einen Selbstmordversuch, indem er versuchte, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Dies wurde verhindert. Als man ihn nach Hause brachte, sperrte er sich im WC ein, worauf die Klägerin und Sonja dem Beklagten mitteilten, daß sich Andreas 'umbringen würde', ohne allerdings auf den vorangegangenen Selbstmordversuch hinzuweisen. Der Beklagte erklärte, Andreas solle nicht so viel saufen, daß er nicht wisse, was er tue, man möge den Beklagten in Ruhe lassen, er brauche seinen Schlaf. Im Jahre 1981 befanden sich alle Familienmitglieder anläßlich einer Sparvereinsaushebung in einem Kaffeehaus. Auf den Hinweis von Sonja, daß auch für ihn ein Platz reserviert sei, erklärte er, wenn die Familie sich das ganze Jahr nicht um ihn kümmere, müsse sie es auch jetzt nicht tun. Am 6.6.1983 stritten die Streitteile, weil der Beklagte behauptete, es sei ihm Geld aus der von ihm verwalteten Gesangvereinskasse gestohlen worden. Die Klägerin erwiderte, offensichtlich habe er selbst das Geld genommen, worauf er zornig wurde und die Hand gegen die Klägerin erhob. Als Andreas dazwischensprang, gab ihm der Vater zwei Ohrfeigen. Beanstandungen des Beklagten wegen der Haushaltsführung der Klägerin usw. quittierte diese mit den Worten 'halt die Papp'n'. Im Zuge des Scheidungsverfahrens hat sich die Klägerin um eine Wohnung bemüht, weil die Ehewohnung eine 'Eisenbahnerwohnung' ist, die dem Beklagten verbleiben würde.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Ehe der Streitteile sei bereits bei Einbringung der Scheidungsklage unheilbar zerrüttet gewesen, sodaß die späteren Vorfälle nicht entscheidend seien. Beide Streitteile hätten schon seit längerem ihre Achtungs- und Hingabepflicht verletzt. Auslösend seien zunächst die divergierenden Ansichten in der Kindererziehungsfrage gewesen. Diesbezüglich habe sich die Klägerin durchgesetzt und dem Beklagten sei nichts übrig geblieben, als zu resignieren und sich als logische und verständliche, allerdings übertriebene, Folge von den Kindern abzuwenden. Hiemit hätten die Schwierigkeiten in der Ehe begonnen und der Klägerin müsse insoweit vorgeworfen werden, daß sie die eigentliche Ursache für die weiteren Vorkommnisse gesetzt habe, wogegen das Verhalten des Beklagten sich als Reaktion darstelle, was auch hinsichtlich seiner Ablehnung der Freundin der Klägerin gelte. Sein weiteres Verhalten, wie das teilweise Ignorieren der Familie, die Beschimpfungen und das Aussperren der Klägerin usw. seien daher nur noch geeignet gewesen, die Ehe vollständig und unheilbar zu zerrütten. Hierin lägen schwere Eheverfehlungen und das Hauptverschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe. Ein Mitverschulden der Klägerin sei insoweit gegeben, als sie in der Frage der Kindererziehung keine Bereitschaft zur Koordination gezeigt und sich 'nichts hat gefallen lassen', sondern Vorhaltungen des Beklagten mit 'halt die Gosch'n' quittiert habe. Auch ihre öußerung, sie möchte frei sein, sei nicht dazu angetan gewesen, der Ehe eine längere Dauer zu garantieren. Das Verhalten der Klägerin sei jedoch milder zu beurteilen als jenes des Beklagten und müsse zum Ausspruch führen, daß sie lediglich ein Mitverschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe.
Das Berufungsgericht hielt die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes für unbedenklich und trat auch dessen rechtlicher Beurteilung bei. Hinsichtlich der Klägerin sei davon auszugehen, daß es ihre Aufgabe gewesen wäre, dem Beklagten beim Versuch, die beiden älteren Kinder auf den richtigen Lebensweg zu führen, alle mögliche Unterstützung zu gewähren. Stattdessen habe sie auch dann, wenn der Beklagte das Verhalten der Kinder zu Recht gerügt habe, deren Partei ergriffen, seine Autorität hiedurch aber geschwächt und dazu beigetragen, daß sich eine zunehmende Entfremdung des Beklagten von seiner Familie einstellen konnte. Zu Recht habe ihr das Erstgericht daher angelastet, daß sie die einleitenden Ursachen für die Zerrüttung der Ehe gesetzt habe. Auch habe die öußerung, sie wolle frei sein, vom Beklagten dahin verstanden werden können und müssen, daß sie aus der ehelichen Gemeinschaft 'aussteigen' wolle, was eine verständige, um die Erhaltung ihrer Ehe besorgte Frau nicht getan hätte. Vor allem könne aber auch nicht unbeachtet bleiben, daß die Klägerin seit dem 2.10.1981 nicht bloß jeglichen Geschlechtsverkehr verweigert, sondern dies mit dem beleidigenden, den Beklagten in seiner Würde herabsetzenden kränkenden Ansinnen verbunden habe, er möge sich selbst befriedigen oder in einen Nachtclub gehen. Solche öußerungen könnten nicht bloß als verständliche Reaktion auf ein vorangegangenes Verhalten des Beklagten angesehen werden. Auch die späte Heimkehr vom Ballbesuch am Todestag der Mutter des Beklagten habe dieser als takt- und lieblos empfinden müssen. Insgesamt betrachtet habe die Klägerin somit keinesfalls bloß als geringfügig zu wertende Eheverfehlungen begangen. Das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe sei jedoch dem Beklagten anzulasten. Zwar habe die Klägerin, wie dargestellt, durch ihr Verhalten in der Erziehungsfrage die Spannungen in der Ehe eingeleitet, der Beklagte habe aber durch seine Eheverfehlungen die Zerrüttung vollendet. Die Stellungnahme der Klägerin für die Kinder habe den Beklagten keineswegs berechtigt, in der festgestellten Weise zu reagieren, den Kontakt mit den Kindern schlechthin abzubrechen, sie gleichsam nicht mehr als seine Kinder zu betrachten und damit eine nahezu unüberbrückbare Kluft in ihr Familienleben und damit zwangsläufig auch in der Ehe aufzureißen. Der Beklagte habe sich auf diese Weise selbst außerhalb der Familie gestellt und die Gemeinschaft mit der Klägerin so sehr belastet, daß deren endgültiges Scheitern nur eine Frage der Zeit habe sein müssen. Seine Reaktion vom 2.10.1981, bei welcher er aus einem geringfügigen Anlaß seine Ehefrau aufforderte, sie solle 'packen und verschwinden', er möchte lediglich noch 'die 20 Jahre voll machen', stelle dabei nur einen vorläufigen Höhepunkt seiner Unfreundlichkeiten gegenüber der Klägerin und damit ohne Zweifel eine schwere Eheverfehlung dar. Sein Verhalten zu Weihnachten 1981 und im Jänner 1982, als er die Klägerin in Anwesenheit Dritter als 'Drecksau' bezeichnete, nachdem er sie zuvor mit Abwaschwasser mehrmals angeschüttet hatte, seien ebenso wie sein wiederholtew Aussperren der Klägerin aus der Wohnung nur nobh als bewußt kränkende und beleidigende Verhaltensweisen anzusehen, die geradezu zwingend die Ehe zum endgültigen Scheitern bringen hätten müssen und auch tatsächlich die Zerrüttung der Ehe vollendet hätten. Dieses Verhalten des Beklagten gehe weit über bloße Reaktionshandlungen hinaus. Demgegenüber trete das Verhalten der Klägerin so erheblich in den Hintergrund, daß es gerechtfertigt sei, eine unterschiedliche Verschuldensteilung vorzunehmen. Bei anderer Reaktion des Beklagten wäre nämlich letztlich ein Abklingen der Spannungen und ein allmählicher Wiederaufbau der immerhin über 20 Jahre dauernden Ehegemeinschaft durchaus nicht ausgeschlossen gewesen. Es sei nicht ersichtlich, was die erheblich körperbehinderte Klägerin nach so langer Ehedauer, noch dazu bei Vorhandensein von drei Kindern, veranlassen hätte sollen, so ohne weiteres die Ehegemeinschaft mit dem Beklagten ernstlich aufs Spiel zu setzen und die für sie zweifellos bestehenden wirtschaftlichen Risken einer Scheidung auf sich zu nehmen. Habe sie sich zu diesem Schritt entschlossen, so offenkundig deshalb, weil das Zusammenleben mit dem Beklagten für sie tatsächlich nicht mehr erträglich gewesen sei.
In der Revision werden zunächst die festgestellten Eheverfehlungen der Streitteile einander gegenübergestellt und hieraus der Schluß gezogen, daß die schwererwiegenden und die Zerrüttung der Ehe auslösenden Verfehlungen die Klägerin gesetzt habe und die Ehe schließlich an ihrer Einstellung zerbrochen sei. Die Unterinstanzen hätten diesbezüglich Ursachen und Wirkung bzw. entschuldbare Reaktionen nicht richtig unterschieden, tatsächlich ergebe sich, daß die Klägerin ausschließlich oder zumindest in überwiegendem Umfang das Scheitern der Ehe zu verantworten habe. Insbesonders sei ihr die in entwürdigender Weise erfolgte Verweigerung der ehelichen Pflichten und ihre Erklärung, sie wolle frei sein und ihr Leben leben, anzulasten. Damit habe sie eindeutig dargetan, daß sie aus der Ehe 'ausbrechen' wolle, wogegen sich in den Annäherungsversuchen des Beklagten Versöhnungsbereitschaft zeige. Sein Verhalten sei überhaupt nur als Reaktion auf unmittelbar vorangegangenes Verhalten der Kinder und der Klägerin und nicht als Eheverfehlung zu werten. Die Klägerin habe die Ursachen für die Zerwürfnisse gesetzt, sodann angefangen, ihre eigenen Wege zu gehen und schließlich die eheliche Gesinnung aufgegeben. Im übrigen erschienen zahlreiche, dem Beklagten vorgeworfene Eheverfehlungen auch verjährt.
Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis teilweise Berechtigung zu. Den Unterinstanzen kann in der Beurteilung der Bedeutung der Eheverfehlungen der Klägerin und Widerbeklagten sowohl hinsichtlich ihrer Wirkung für die Zerrüttung der Ehe als auch ihrer Schwere nach nicht gefolgt werden. Davon abgesehen wurde die ständige Rechtsprechung außer Acht gelassen, daß ein überwiegendes Verschulden eines Teiles an der Scheidung der Ehe nur dann auszusprechen ist, wenn es im Sinne des § 60 Abs 2 EheG erheblich schwerer ist, d.h., daß ihm gegenüber das Verschulden des anderen Ehegatten weit in den Hintergrund treten muß (1 Ob 193,194/75, 1 Ob 796/80, 3 Ob 560/80, 6 Ob 762/81, 8 Ob 532/85 uva.). Davon kann vorliegendenfalls aber nicht die Rede sein.
Ganz offenbar hat zunächst die Klägerin, hievon gehen auch die Unterinstanzen aus, die einleitenden Ursachen für die Zerrüttung der Ehe der Streitteile gesetzt. Ab den Jahren 1977/1978 bis zum Oktober 1981 hat sie bereits durch ihre ungerechtfertigten Stellungnahmen zugunsten der Kinder und die daraus resultierenden Streitigkeiten sowie ihre überwiegende Abweisung des Beklagten und Widerklägers in geschlechtlicher Hinsicht den Anlaß zu einer Ehekrise gegeben. Der Vorfall vom 2.10.1982, welcher sodann die endgültige Zerrüttung der Ehe der Streitteile einleitete, geht wiederum vornehmlich zu ihren Lasten. Ihre jähe Erklärung, sie gehe nach getaner Arbeit lieber zu ihrer vom Beklagten abgelehnten Freundin als, wie bisher stets üblich, mit dem Beklagten ins Kaffeehaus und sie 'lasse sich ihre Freiheit nicht nehmen', mußte diesen verständlicherweise augenblicklich schwer vor den Kopf stoßen. Seine unmittelbaren Reaktionen hierauf sind als solche, im übrigen aber auch deswegen nicht überzubewerten, weil der Beklagte in der Folge durch seine wiederholten Annäherungsversuche Versöhnungsbereitschaft bekundete. Sein von der Klägerin provoziertes Verhalten am genannten Tage berechtigte diese jedenfalls nicht zur folgenden beharrlichen Verweigerung des Geschlechtsverkehrs. Hierin liegt eine gravierende Eheverfehlung der Klägerin. Daß sie diesbezüglich Aufforderungen an den Ehemann nicht nur zur Onanie, sondern sogar zum Besuch von Nachtlokalen (dh. von fremden Frauen) richtete, läßt ihr geringeres Interesse an ihm deutlich genug erkennen. Auch der Umstand, daß sie am Silvestertag ohne vorherige Ankündigung mit ihren Verwandten zum Silvesterball ging, obwohl es immer üblich gewesen war, daß beide Ehegatten diesen Ball gemeinsam besuchten, zeigt ihren Mangel an ehelicher Gesinnung und am Willen, die zerrüttete Ehegemeinschaft wieder herzustellen. Diesbezüglich hatte sie auch anläßlich der Vorsprache der Streitteile vor dem Bezirksgericht Spittal an der Drau durch die Erklärung, sie möchte 'frei sein' und die folgende grobe Ablehnung einer weiteren versöhnenden Aussprache vor Gericht dem Beklagten unmißverständlich ihr Streben aus der Ehe kundgetan. Wenn unter solchen Umständen ab Neujahr 1982, also in den letzten sieben Wochen vor Einbringung der Scheidungsklage und sodann während des Scheidungsverfahrens, der Beklagte seinerseits durch die oben dargestellten, entgegen seiner Meinung als schwer zu qualifizierenden, Eheverfehlungen (Beschimpfungen, Drohungen, Anschütten mit Abwaschwasser, Versperren der Wohnung nach Mitternacht usw) zur endgültigen Zerrüttung der Ehe wesentlich beitrug, so fällt ihm dies keinesfalls mehr zur Last als der Klägerin ihr bisheriges Verhalten. Allein schon deren monatelange absolute Verweigerung des ehelichen Geschlechtsverkehrs im Zusammenhalt mit ihrer unversöhnlichen Haltung mußte vorhersehbar zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe führen.
Dem Berufungsgericht kann somit nicht darin gefolgt werden, der Beklagte habe durch sein Verhalten die Gemeinschaft so belastet, daß das Scheitern der Ehe nur eine Frage der Zeit gewesen sei. Vielmehr gilt dies vor allem für das ehezerrüttende Verhalten der Klägerin. Ebensowenig kann die Rede davon sein, daß das dargestellte ehewidrige Verhalten der Klägerin gegenüber jenem des Beklagten weit in den Hintergrund trete und den Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Beklagten rechtfertige. Nicht nur von ihm, sondern auch von der Klägerin waren vom Standpunkte rechter ehelicher Gesinnung andere Reaktionen zu fordern und beide mußten gleicherweise versuchen, einander wieder näherzukommen und die Ehe zu retten. Die Klägerin hat aber nie zu erkennen gegeben, daß ihr an der Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft mit dem Beklagten tatsächlich gelegen ist, und hat auch zu Beginn des Jahres 1982, also kurz vor Einbringung der Scheidungsklage, eine Aussprache der Streitteile vor Gericht abgelehnt.
Unter diesen Umständen ist bei Bedachtnahme auf die Gesamtheit der von beiden Streitteilen gesetzten Eheverfehlungen von einem gleichteiligen Verschulden der Streitteile an der Zerrüttung ihrer Ehe auszugehen. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers treten nämlich auch seine Eheverfehlungen gegenüber jenen der Klägerin keinesfalls derart in den Hintergrund, daß sie umgekehrt den Ausspruch eines überwiegenden oder gar des alleinigen Verschuldens der Klägerin an der Scheidung der Ehe rechtfertigen könnten. Der Revision war demgemäß in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang stattzugeben.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten beruht auf § 43 Abs 2 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf §§ 43 Abs 2, 50 ZPO.
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