Normen
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §324 (3)
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §324 (3)
Spruch:
Nach dem Tode des Befürsorgten ist der Fürsorgeträger zur Deckung des Verpflegskostenanspruches berechtigt, auf die angesparten, von der Legalzession nach § 324 (3) ASVG. nicht erfaßten Teile der Pension des Pfleglings zu greifen.
Entscheidung vom 24 Mai 1968, 2 Ob 53/68.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Über das Vermögen der Verlassenschaft nach Josef K., seinerzeit Pensionist, zuletzt in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt N., ist vom Landesgericht Linz am 10. Mai 1967 der Konkurs eröffnet worden. Die Klägerin hat aus dem Titel der Deckung der Verpflegskosten für den am 14. August 1966 verstorbenen Josef K. in den letzten vier Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Fürsorgeunterstützung gewährt wurde, im Konkurse in der dritten Klasse der Konkursforderungen den Aufwand von 55.856.75 S angemeldet. Der Masseverwalter hat die Forderung bestritten. Innerhalb der ihr eingeräumten Frist hat die Klägerin gegenüber dem Masseverwalter die Feststellung begehrt, daß die zum Konkurs durch die Klägerin angemeldete Forderung mit dem Betrage von 55.856.75 S in der dritten Klasse der Konkursforderungen zu Recht bestehe. Der Beklagte hat die Klagsabweisung beantragt; Josef K. habe von der Pensionsversicherung der Arbeiter eine Rente bezogen; 80% davon seien gemäß § 324 (3) ASVG. auf die Klägerin übergegangen; die restlichen 20% der Pension seien dem Kurator des Josef K. ausbezahlt worden; dieser habe die Beträge für verschiedene Lebensbedürfnisse des Entmundigten verwendet und den Rest für Josef K. gespart; der bei dessen Tode vorhandene Betrag von 26.541.30 S stamme ausschließlich aus den dem Entmundigten verbliebenen 20% der Pensionsbeträge; der Klägerin stehe kein weiterer Anspruch zu: vorsichtsweise werde auch die Höhe der Forderung bestritten und teilweise Verjährung geltend gemacht.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Der Klägerin stehe eine über die Grenze des § 324 (3) ASVG. hinausgehende Forderung nicht zu. Nach dieser Vorschrift werde in dem Falle, daß der Rentenbezieher auf Kosten des Fürsorgeträgers in einer Anstalt verpflegt wird, dem Fürsorgeträger ein Rückgriff in der Form einer Legalzession auf die Rente bis zum Höchstausmaß von 80% der Rente gewährt, zugleich aber dem Rentenberechtigten ein von Rückgriffen freier Rentenanteil (20%) gesichert. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei diese Teilung eine endgültige und es sei nicht zulässig, daß der Fürsorgeträger nachträglich zu Lebzeiten oder nach dem Tode des Pensionisten weitere Regreßansprüche erhebe.
Der Berufung der klagenden Partei hat das Berufungsgericht Folge gegeben, das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen; zugleich ist ausgesprochen worden, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei. § 324 (3) ASVG. beschränke die Legalzession auf einen bestimmten Teil der Pension; der restliche Teil der Pension müsse dem Pensionisten zur Deckung seiner weiteren eigenen Bedürfnisse sowie zur Erfüllung von Unterhaltsverbindlichkeiten frei verbleiben. Da es im Sinne und Zwecke einer geordneten Fürsorge widerspräche, Einkommen und Vermögen des Befürsorgten mit dem Erfolg anzugreifen, daß dieser dadurch selbst wieder hilfsbedürftig würde und neuerlich auf die Fürsorge angewiesen wäre, könne der Fürsorgeträger keinesfalls auf die von der Legalzession nicht erfaßten Teile der laufenden Pension greifen. Es bestunden aber keine Bedenken, daß der Fürsorgeträger bei Geltendmachung seiner Ersatzforderung nach der Fürsorgepflichtverordnung die angesparten, von der Legalzession nicht erfaßten Teile der Pension beanspruche und diese als verwertbares Vermögen ansehe. Diesfalls könne es dahingestellt bleiben, ob der Fürsorgeträger berechtigt wäre, schon bei Lebzeiten des Befürsorgten auf die angesparten Teile der frei gebliebenen Pension zu greifen. Auf jeden Fall müsse das Recht des Fürsorgeträgers bejaht werden, nach dem Tode des Befürsorgten zur Deckung des Verpflegskostenersatzanspruches auf die angesparten, von der Legalzession nach § 324 (3) ASVG. nicht erfaßten Teile der Pension des Pfleglings zu greifen; es sei nämlich dann der vom Gesetze beabsichtigte Zweck, dem Pensionisten einen Teil seiner Pension zur Deckung weiterer eigener Bedürfnisse und zur Erfüllung allfälliger Unterhaltsverbindlichkeiten zu belassen, bereits weggefallen. Nunmehr werde vom Erstgerichte die Höhe des Ersatzanspruches der Klägerin unter Berücksichtigung der Ausschlußfrist der Fürsorge-Pflichtverordnung zu prüfen sein.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im Abschnitt über die Beziehungen der Versicherungsträger zu den
Fürsorgeträgern (§§ 323 ff. ASVG.) ist in § 324 (3) Satz 1 ASVG. (in
der geltenden Fassung) normiert, daß für die Zeit der Anstaltspflege
der Anspruch auf Rente ... bis zur Höhe der Verpflegskosten,
höchstens jedoch bis zu 80 v. H. der Rente auf den Fürsorgeträger
(diesfalls die Klägerin) übergeht, wenn ein Rentenberechtigter
(diesfalls Josef K.) auf Kosten des Fürsorgeträgers in ... einer
Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke verpflegt wird. Im Falle des Josef K. ist nach dem beiderseitigen Vorbringen der Parteien die Legalzession bis zu 80% der Pension des Josef K. wirksam geworden, damit ist aber der Aufwand der Klägerin als Fürsorgeverband noch nicht zur Gänze gedeckt, so daß sie auf den Nachlaß des Josef K. nach den fürsorgerechtlichen Vorschriften Anspruch erhebt. Der erkennende Senat hat bereits zu 2 Ob 135/62 vom 5. Juli 1962, SZ. XXXV 75, unter ausführlicher Begründung dargelegt, daß die Vorschrift des § 324 (3) ASVG. den Fürsorgeträger nicht hindere, von dem Pflegling oder seinen unterhaltspflichtigen Anverwandten den Ersatz des durch die Sozialversicherung nicht gedeckten Aufwandes zu begehren, und hält an dieser Ansicht auch diesmal fest, zumal der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnisse vom 22. Februar 1967, Z. 1679/66 (vgl. ÖJZ. 1968, S. 80 P. 2) ausgesprochen hat, daß Ersparnisse, die aus dem durch die Legalzession des § 324 (3) ASVG. nicht erfaßten Teil einer Rente bzw. Pension nach dem ASVG. herrühren, als verwertbares Vermögen anzusehen seien, das der Hilfsbedürftige einsetzen muß, ehe ihm die Fürsorge Hilfe gewährt. Der Rekurswerber macht gegenüber der Beurteilung der Berufungsinstanz - im Sinne der oben bezogenen Ausführungen des Erstgerichtes - geltend, daß der Gesetzgeber durch Festlegung eines dem Rentenberechtigten frei bleibenden Prozentsatzes eine Pauschalregelung getroffen habe, bei der es zu verbleiben habe und die nicht nachher zu Lebzeiten oder nach dem Tode des Pensionisten umgestoßen werden dürfe; die Teilung der Rente sei endgültig. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Eine so weitgehende Änderung der fürsorgerechtlichen Grundsätze, nach denen im allgemeinen der Unterstützte verpflichtet ist, dem Fürsorgeverband die aufgewendeten Kosten zu ersetzen, ist den Bestimmungen des § 324 (3) ASVG. nicht zu entnehmen und auch die Gesetzesmaterialien geben keinen Hinweis für die Richtigkeit der Ansicht des Rekurswerbers. Es ist nämlich davon auszugehen, daß für sämtliche Lebensbedürfnisse des Pfleglings in der Pflegeanstalt nicht Sorge getragen werden kann. Würde dessen gesamtes Einkommen von der Legalzession ergriffen, ohne daß ihm also ein bestimmter Pauschalbetrag überlassen bliebe, so wäre er erst recht wieder fürsorgebedürftig. So kommt auch in den auf die §§ 323 bis 330 ASVG. bezug habenden Ausführungen im Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung zur Regierungsvorlage über das genannte Gesetz (613 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates VII. GP.) lediglich zum Ausdruck, daß durch die Fürsorgeträger nicht so weit auf die Versicherungsleistungen gegriffen werden sollte, daß der Versicherte - vor allem der Rentenbezieher - seinen Lebensunterhalt nicht mehr decken könne und dann neuerlich auf die Fürsorge angewiesen wäre. Aus den unmittelbar anschließenden Darlegungen dieses Ausschußberichtes geht noch hervor, daß für die Nichterfassung bestimmter Teile der Rente durch die Legalzession vor allem die Rücksichtnahme auf die Unterhaltsverpflichtungen des Pfleglings maßgebend gewesen sei. Daß dieser Gesichtspunkt zwar wesentlich, aber nicht entscheidend ist, ergibt sich jedoch schon aus dem Wortlaut des § 324 (3) ASVG., wonach dem Rentenberechtigten 20% der Rente auf jeden Fall zu belassen sind, ein höherer Prozentsatz aber bei Vorhandensein von gesetzlich Unterhaltsberechtigten. Ist aber der Befürsorgte gestorben, hört damit seine Fürsorgebedürftigkeit auf und kann nicht auf den Nachlaß ausgedehnt werden. Im Sinn der bereits zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann es daher dem Fürsorgeträger nicht verwehrt werden, zur Deckung des Verpflegskostenanspruches auf die angesparten, von der Legalzession nach § 324 (3) ASVG. nicht erfaßten Teile der Pension zu greifen. Es ist also der Klägerin durch die Regelung des § 324 (3) ASVG. nicht benommen, nach Maßgabe der fürsorgerechtlichen Vorschriften den Ersatz ihres noch nicht gedeckten Aufwandes gegenüber dem Nachlasse des Unterstützten bzw. im Konkurs über diesen Nachlaß geltend zu machen. Der durch den Berufungssenat erteilte Verfahrensergänzungsauftrag ist in diesem Sinne gerechtfertigt, so daß der Rekurs der beklagten Partei erfolglos bleiben muß.
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