OGH 2Ob534/95

OGH2Ob534/9524.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1100 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Peter S*****, vertreten durch Dr.Armin Haidacher, Rechtsanwalt in Graz, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Rudolf S*****, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 30.November 1994, GZ 3 R 210/94-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 11.Juli 1994, GZ 42 C 81/94s-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.707,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft mit dem Hause Graz, H*****. Die am 1.12.1993 verstorbene I***** S***** war Mieterin zweier Wohnungen, gelegen im Erdgeschoß und im ersten Stock dieses Hauses. Diese Wohnungen bilden weder technisch noch wirtschaftlich eine Einheit und sind jeweils objektiv selbständig; sie wurden jedoch mit einem einheitlichen Mietvertrag angemietet.

Die klagende Partei kündigte die im Erdgeschoß des Hauses gelegene Wohnung aus den Kündigungsgründen der §§ 30 Abs 2, Z 5 und 31 Abs 1 MRG. Sie führte dazu aus, der Beklagte habe als Sohn der Mieterin die Räume im ersten Obergeschoß benützt. Diese reichten zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses sowie seiner mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Gattin aus. Ein Eintritt in die gesamten Mietrechte führe zu einem krassen Mißverhältnis zwischen dem Wohnbedürfnis des Beklagten und dem Umfang der gesamten Wohnung. Der Kündigungsgrund des § 31 Abs 1 MRG sei verwirklicht, weil dringender Raumbedarf an den aufgekündigten Räumlichkeiten bestehe.

Der Beklagte beantragte Aufhebung der Aufkündigung und wendete im wesentlichen mangelnde Passivlegitimation und Unmöglichkeit der Leistung ein, weil er in das Bestandverhältnis betreffend die Wohnung im Erdgeschoß nicht eingetreten sei. Diese Räumlichkeiten seien nicht von ihm, sondern von seinem Bruder, dem Nebenintervenienten bewohnt worden, der selbst eintrittsberechtigt sei.

Die Vorinstanzen erkannten die Aufkündigung als wirksam und verpflichteten den Beklagten zur Räumung der aufgekündigten Wohnung.

Sie gingen dabei von nachstehendem Sachverhalt aus:

Bis zu ihrem Tode lebte I***** S***** jahrzehntelang im gemeinsamen Haushalt mit dem Beklagten in der Wohnung im ersten Stockwerk des Hauses. Mit ihrem zweiten Sohn, dem Nebenintervenienten, führte die Verstorbene nie einen gemeinsamen Haushalt. Der Nebenintervenient bewohnt seit dem Jahr 1976 die streitgegenständliche Wohnung im Erdgeschoß. Er betreibt seit 1978 in D***** ein Optikergeschäft und ist Eigentümer eines dort gelegenen Einfamilenhauses, das er mit seiner Familie jede Woche von Montag bis Freitag bewohnt. Er plant, ab dem nächsten Jahr mit seiner Familie auch wochentags die aufgekündigten Räumlichkeiten zu bewohnen und täglich nach Deutschlandsberg zu pendeln, damit seine Kinder die Schule in Graz besuchen können.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß der Nebenintervenient mangels gemeinsamen Haushaltes und dringenden Wohnbedürfnisses nicht in das aufgekündigte Bestandverhältnis eingetreten sei. Eine Teilkündigung sei nicht nur wegen Eigenbedarfs, sondern hinsichtlich aller Kündigungsgründe zulässig, wenn der Kündigungsgrund nicht hinsichtlich des ganzen Mietgegenstandes gegeben sei. Da die aufgekündigten Räumlichkeiten ein abgesondert benützbares und abgesondert benutztes Objekt darstellten, das mit dem restlichen Bestandgegenstand weder wirtschaftlich noch technisch eine Einheit bilde und für das keine eintrittsberechtigte Person vorhanden sei, sei die Aufkündigung als wirksam zu erkennen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch die Rechtsmeinung, wonach eine Teilkündigung nach § 31 Abs 1 MRG nicht nur wegen Eigenbedarfs, sondern hinsichtlich aller Kündigungsgründe zulässig sei. Im Falle des Todes des Wohnungsmieters sei eine Teilkündigung dann möglich, wenn der Eintritt in die Mietrechte über die ganze Wohnung ein krasses Mißverhältnis zwischen dem dringenden Wohnbedürfnis des Eingetretenen und dem Umfang der gesamten Wohnung herbeiführe. Eine Teilkündigung setze aber auch voraus, daß der verbleibende Teil abgesondert benutzbar oder ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten benutzbar gemacht werden könne. Diese Voraussetzungen seien gegeben, weil der aufgekündigte Teil der Wohnung mit dem übrigen weder eine wirtschaftliche noch technische Einheit bilde. Der Beklagte sei auch passiv legitimiert, weil er mit der verstorbenen Wohnungsmieterin im gemeinsamen Haushalt gelebt habe und sein grundsätzliches Wohnbedürfnis nicht strittig sei.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil diese Entscheidungen ein Abgehen von der Rechtsprechung, wonach eine Teilkündigung dann unzulässig sei, wenn der Bestandvertrag zwei selbständige Bestandobjekte umfasse, die weder wirtschaftlich noch technisch eine Einheit bildeten, darstellen könnte.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, sie im Sinne einer Unwirksamerklärung der Aufkündigung abzuändern.

Die klagende Partei beantragt dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG kann der Vermieter den Mietvertrag nach dem Tod des bisherigen Mieters aufkündigen, wenn die vermieteten Wohnräume nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen dienen. Eintrittsberechtigt sind nach § 14 Abs 2 und 3 leg cit unter anderem die Verwandten in gerader Linie des bisherigen Mieters, sofern diese ein dringendes Wohnbedürfnis haben und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt haben. Nach der Rechtsprechung besteht bei dem genannten Kündigungstatbestand die Möglichkeit der Teilkündigung, wenn der Eintritt in die Mietrechte über die ganze Wohnung ein krasses Mißverhältnis zwischen dem dringenden Wohnbedürfnis des Eingetretenen samt dessen Familie und dem Umfang der gesamten Wohnung herbeiführen würde (EvBl 1963/29, MietSlg 21.644; 27.469; Würth in Rummel2 II Rz 30 zu § 30 MRG).

Nach dem ausdrücklichen Vorbringen des Beklagten dient die aufgekündigte Wohnung im Erdgeschoß nicht seinem dringenden Wohnbedürfnis, weil sie ausschließlich vom Nebenintervenienten benützt wird. Die Aufkündigung ist aus diesem Grund zulässig.

Soweit das Berufungsgericht in seiner Entscheidung ein mögliches Abkehren von der in der Literatur nicht unumstrittenen Rechtsprechung, wonach bei einer Teilkündigung die Voraussetzungen für eine Kündigung in Ansehung des gesamten Mietgegenstandes vorliegen müssen, erblickt (vgl dazu die Entscheidungsbesprechungen von Würth in WoBl 1989, 123; 1993, 186) ist anzuführen, daß auch nach dieser Rechtsprechung eine Teilkündigung dann zulässig war, wenn in Wahrheit selbständige Bestandobjekte, die weder wirtschaftlich noch technisch eine Einheit bildeten vorlagen. Gerade dieser Sachverhalt wurde von den Parteien im Kündigungsverfahren außer Streit gestellt, sodaß die von vornherein eingebrachte Teilkündigung sowohl nach der Lehre (vgl dazu Würth in Rummel2 II Rz 3 zu § 31 MRG) als auch nach der bisherigen Rechtsprechung jedenfalls zulässig ist. Bei der aufgekündigten Wohnung handelt es sich nämlich um eine eigene selbständige Wohnung die lediglich mit einer zweiten in einem gemeinsamen Bestandvertrag in Bestand gegeben wurde.

Soweit in der Revision bemängelt wird, die Vorinstanzen hätten sich mit dem Eintrittsrecht des Nebenintervenienten nicht auseinandergesetzt, ist entgegenzuhalten, daß ein derartiges Eintrittsrecht des Nebenintervenienten ausdrücklich verneint wurde, weil er mit der verstorbenen Mieterin weder im gemeinsamen Haushalt lebte, noch als Eigentümer eines Einfamilienhauses ein eigenes dringendes Wohnbedürfnis hat. Daß mit dem Nebenintervenienten ein eigener Mietvertrag abgeschlossen worden wäre, wurde weder behauptet noch ist dies aus dem Verfahren hervorgekommen. Dem steht vielmehr der Umstand entgegen, daß auch der Nebenintervenient ausdrücklich den Eintritt in die Mietrechte nach der verstorbenen Mieterin angezeigt hatte. Es wurde aber bereits ausgeführt, daß ihm eine Eintrittsberechtigung nicht zukam.

Der Revision war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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