OGH 2Ob534/85

OGH2Ob534/8516.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa A, Landwirtin, Frankenburg, Redleiten 7, vertreten durch Dr.Erich Gugenberger, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, wider die beklagte Partei Paul A, Landwirt, Waldzell, Bleckenwegen 2, vertreten durch Dr.Walter Haisbeder, Rechtsanwalt in Ried i.I., wegen Ehescheidung, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 9.Oktober 1984, GZ.4 R 170/84-48, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Ried i.I. vom 23.Mai 1984, GZ.1 Cg 36/84-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der Klägerin wird nicht Folge gegeben. Der Revision des Beklagten wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden im Ausspruch über das Verschulden dahin abgeändert, daß dieser zu lauten hat:

'Das Verschulden trifft beide Teile in gleichem Maße.' Die Verfahrenskosten aller drei Instanzen werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 27.9.1969 die Ehe geschlossen. Es war beiderseits die erste Ehe. Beide sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer gewÄhnlicher Aufenthaltsort war Waldzell. Der Ehe entstammen die drei Kinder, Rosa, geboren am 29.5.1968, Paul, geboren am 10.1.1970, und Anita, geboren am 20.9.1976. Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Als Scheidungsgründe macht sie geltend, daß der Beklagte den Sohn Paul mißhandelt habe, sich zur Klägerin lieblos verhalte, sie beschimpft und seine Unterhaltspflicht vernachlässigt habe; er habe ihr unbegründet vorgeworfen, daß sie arbeitsscheu sei und ihn zu vergiften getrachtet habe.

Der Beklagte bestreitet die ihm angelasteten Eheverfehlungen und stellte für den Fall der Scheidung einen Mitschuldantrag. Er wirft der Klägerin die Vernachlässigung der Kindererziehung, die Verweigerung der Mithilfe in der Landwirtschaft und Beschimpfungen vor.

Das Erstgericht schied im zweiten Rechtsgang die Ehe der Streitteile

aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erheben beide Parteien

Revision.

Die Klägerin strebt eine Abänderung des angefochtenen Urteils durch Ausspruch des alleinigen Verschuldens des Beklagten, der Beklagte eine Abänderung durch Ausspruch des überwiegenden Verschuldens der Klägerin an. Der Beklagte stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag. Beide Revisionswerber beantragen, jeweils der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Nur die Revision des Beklagten ist teilweise berechtigt. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen übernahmen die Streitteile im Jahre 1969 die Landwirtschaft der Eltern des Beklagten, die damals vor einer Versteigerung stand, mit einer drückenden Schuldenlast. Das gesamte Anwesen befand sich in einem desolaten Zustand. Die Eltern der Klägerin halfen durch Barleistungen und Bürgschaftsübernahmen mit, die Schulden abzubauen.

In den Jahren 1972 und 1973 kam es zu den ersten ernsten Reibereien zwischen den Parteien, weil sich die Klägerin mehr dem Haushalt und den Kindern widmete und nach den Vorstellungen des Beklagten zu wenig in der Landwirtschaft mithalf. Infolge dieser Streitigkeiten zog die Klägerin zu ihren Eltern, kam jedoch nach 14 Tagen zum Beklagten zurück. In der Folge verlief die Ehe bis zum Jahre 1976 harmonisch. Dann verschlechterten sich die Beziehungen der Streitteile mehr und mehr. Die Ursache hiefür lag im Verhalten des Beklagten, der alle Einnahmen aus der Landwirtschaft zur Abdeckung der Schulden verwendete. Hatte er eine Reduktion des Schuldenstandes erreicht, tätigte er sogleich wieder notwendige und manchmal auch weniger sinnvolle Investitionen, wie etwa den Kauf eines zweiten Mähdreschers und eines zweiten Ladewagens. Die Klägerin erachtete insbesondere den Kauf des zweiten Mähdreschers als unsinnige Anschaffung, weil sie die Wirtschaftlichkeit dieser Investition insbesondere wegen der Finanzierung durch einen Bankkredit bezweifelte. Der Beklagte kaufte den zweiten Mähdrescher, weil er durch Lohndrusch seine Einnahmen steigern wollte. Als Fahrer für den zweiten Mähdrescher stand ihm sein Bruder zur Verfügung. Weil der Beklagte aber immer wegen Kleinigkeiten Streit vom Zaune brach, trennte sich sein Bruder von ihm.

Außerdem war dieser ebenso wie die Klägerin der Meinung, der Lohndrusch sei wegen der Zinsenbelastung nicht gewinnbringend. Es kam in diesem Zusammenhang auch zu Streitigkeiten zwischen dem Beklagten und seinen Schwiegereltern. Die Anschaffung des zweiten Mähdreschers ärgerte die Klägerin auch deshalb, weil die Familie nur von den Naturalien aus der Landwirtschaft und von der Familienbeihilfe leben mußte. Wenn die Klägerin dies dem Beklagten vorhielt, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen und Beschimpfungen. Hiebei hielt der Beklagte der Klägerin immer wieder vor, daß sie arbeitsscheu sei und von zu Hause zu wenig Geld erhalten habe. Die Klägerin hatte jedoch bis zu diesem Zeitpunkt neben der Haushaltsführung und der Kindererziehung in der in der Landwirtschaft üblichen Form mitgearbeitet. Durch die Ausweitung des Arbeitseinsatzes des Beklagten hatte dieser oft bis in die Nacht hinein zu arbeiten, was seine Reizbarkeit erhöhte. Das Zusammenleben der Streitteile wurde auch dadurch beeinträchtigt, daß die Klägerin den Standpunkt einnahm, als Hälfteeigentümerin auch nur die halbe Stallarbeit machen zu müssen. Sie versorgte nur mehr die Hälfte der vorhandenen Rinder. Die Versorgung der anderen Hälfte, die Schweinezucht und die Hühnerhaltung mußte der Beklagte machen. Bei den Erntearbeiten half die Klägerin aber mit.

Ab dem Jahre 1981 war die Klägerin nicht mehr bereit, mit der Familie nur von den Naturalien aus der Landwirtschaft und der Familienbeihilfe zu leben.

Sie begehrte eine gerichtliche Unterhaltsfestsetzung für sich und die Kinder.

Sie zog jedoch am 8.4.1981 den Unterhaltsantrag wieder zurück. Beide Teile waren bereit, die Ehe fortzusetzen. Am Abend des 8.4.1981 kam es jedoch wieder zu einer Auseinandersetzung. Der Beklagte glaubte, die Klägerin hetze die Kinder gegen ihn auf. Im Verlaufe des Wortwechsels versetzte der Beklagte seinem Sohn Paul einen Stoß, sodaß dieser stürzte und sich am Ellenbogen verletzte. Seit April 1981 kam es zwischen den Streitteilen zu keinen intimen Beziehungen mehr. Zu Beginn des Jahres 1982 verschlechterten sich ihre Beziehungen weiter. Als der Beklagte nach einem arbeitsrechen Tag Tee trank, mußte er erbrechen. Er bezichtigte daraufhin die Klägerin, daß sie ihn vergiften wolle. Er beschimpfte sie in diesem Zusammenhang unter anderem auch als Hure. Als die Klägerin einige Zeit danach die außerhalb des Wohnhauses liegende Toilette aufsuchte, sah sie den Beklagte mit einer Taschenlampe und einem Stock im Hof umherschleichen. Da sie einen Anschlag befürchtete, zog sie in der Folge zu ihren Eltern. Mit Zustimmung des Beklagten wurde ihr der abgesonderte Wohnort bewilligt. Nach ihrem Auszug kam es zu Kontakten zu ihrem Nachbarn Ernst B, den sie schon von Kind auf kannte. Diese Kontakte nahmen von Jahr zu Jahr zu. Im Feber 1984 kam es dann erstmals zu intimen Beziehungen zwischen der Klägerin und Ernst B.

Das Erstgericht lastete dem Beklagten als Eheverfehlung an, daß er in erster Linie nur an seine Landwirtschaft und an deren Erneuerung gedacht und diesem Ziel seine Familie bedingungslos untergeordnet habe. Er sei Gesprächen über die Wirtschaftsführung unzugänglich gewesen und habe die Vorhalte der Klägerin mit Streitigkeiten und Beschimpfungen beantwortet. Durch dieses Verhalten des Beklagten sei der Ehewille der Klägerin untergraben und die Basis der Lebensgemeinschaft zerstört worden. Diese Verfehlungen ließen auch das Verhalten der Klägerin, insbesondere ihre in den letzten Jahren eingeschränkte Mitarbeit, in einem milderen Licht erscheinen, obgleich es über den Rahmen einer entschuldbaren Reaktion hinausgehe. Die weiteren Eheverfehlungen der Klägerin, insbesondere der Ehebruch, fielen in eine Zeit, zu der bereits seit mindestens 3 Jahren zwischen den Streitteilen eine geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft nicht mehr bestanden habe. Bei Abwägung der beiderseitigen Eheverfehlungen ergebe sich daher ein überwiegen des Verschuldens des Beklagten.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte auch dessen Rechtsansicht.

1.) Zur Revision der Klägerin:

Wie sich aus der Begründung des Ersturteils zweifelsfrei ergibt, nahm das Erstgericht, unbeschadet der mißverständlichen Formulierung in den Feststellungen, einen Ehebruch der Klägerin als erwiesen an (AS 166, S. 16 des Ersturteils). Die Auffassung der Revision, daß der Klägerin keine Eheverfehlungen zur Last fielen, weil sich ihre Mitarbeit in der Landwirtschaft im Rahmen des üblichen gehalten habe und der ihr angelastete Ehebruch in eine Zeit falle, in der die Ehe bereits unheilbar zerrüttet gewesen sei, kann im Ergebnis nicht geteilt werden. Nach § 90 zweiter Satz ABGB hat ein Ehegatte im Erwerb des anderen mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar und es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich ist. Die Mitarbeit des Ehegatten im Erwerb des anderen gehört zur Grundlage vieler gewerblicher und bäuerlicher Klein- und Mittelbetriebe. Vor allem in der Landwirtschaft spielt die Mitarbeit der Ehefrau eine nicht zu unterschätzende Rolle (Schwind, Eherecht 2 37 f.). Neben diesen allgemeinen Erwägungen ist im vorliegenden Fall von Bedeutung, daß die Streitteile einvernehmlich einen stark verschuldeten landwirtschaftlichen Betrieb übernahmen, sodaß der Mitarbeit der Klägerin erhöhtes Gewicht zukam. Nach dem partnerschaftlichen Prinzip gehört es zur Pflicht der Ehegatten, auch die Mitwirkung im Erwerb einvernehmlich zu gestalten. Jeder Ehegatte ist demnach verpflichtet, auch in Fragen der Mitwirkung im Erwerb das Einvernehmen mit dem anderen Partner herzustellen. Die Nichterfüllung dieser Pflicht ist eine schwere Eheverfehlung (Schwind aaO 209). Hatte die Klägerin aber eine erhöhte Mitarbeit durch einvernehmliche, gemeinsame Übernahme der schwer verschuldeten Landwirtschaft in Kauf genommen, konnte sie nicht ohne Einvernehmen mit dem Beklagten sich auf den Standpunkt stellen, als Hälfteeigentümerin nur mehr die Hälfte des vorhandenen Viehs versorgen zu müssen, sodaß die andere Hälfte sowie die Schweinezucht und die Hühnerhaltung dem Beklagten oblagen. Insbesondere die Hühnerhaltung gehört überdies auch üblicherweise zu den Aufgaben der Bäuerin.

Die Vorinstanzen haben daher zu Recht der Klägerin ihre Weigerung, im bisherigen Ausmaß in der Landwirtschaft mitzuarbeiten, als Eheverfehlung angelastet. Es ist auch die Rechtsansicht der Vorinstanzen zu billigen, daß dieses Verhalten über eine gerechtfertigte Reaktionshandlung hinausging (EFSlg.38.675 f.ua.). Auch der Ehebruch kann entgegen der Meinung der Revision nicht vernachlässigt werden, weil die Pflicht zur ehelichen Treue grundsätzlich während der gesamten Dauer der Ehe besteht und daher von den Ehegatten auch noch während des anhängigen Scheidungsverfahrens beachtet werden muß (EFSlg.41.197, 36.308 uva).

2.) Zur Revision des Beklagten:

Der geltend gemachte Verfahrensmangel wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der partnerschaftlichen Ehe ist es Pflicht der Ehegatten, widerstreitende berufliche Vorstellungen zu koordinieren, insbesondere ist bei der Wahl und Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf die Belange des anderen Ehegatten und der Familie die gebotene Rücksicht zu nehmen (1 Ob540/81).

Jeder Ehegatte ist verpflichtet, seine Berufsarbeit so einzuteilen und sich in seiner von berechtigtem Erwerbsstreben und beruflichem Ehrgeiz getragenen Berufsausübung so einzuschränken, daß auch die Belange des anderen Ehegatten und der Familie gewahrt bleiben (EFSlg.18.133; 1 Ob 609/81; vgl. auch Schwind in Klang 2 I/1 768). Diese Grundsätze können aber nicht mit voller Schärfe auf Ehen im bäuerlichen Bereich angewendet werden, weil hier ein stärkerer beruflicher Einsatz, zum Teil jahreszeitlich bedingt, üblich ist als in anderen Berufszweigen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, daß die Streitteile einvernehmlich einen schwer verschuldeten landwirtschaftlichen Betrieb übernahmen, sodaß die Klägerin von vornherein mit einem stärkeren beruflichen Engagement des Beklagten rechnen mußte. Die durch den erhöhten Berufseinsatz des Beklagten verursachten Streitigkeiten müssen daher in einem milderen Licht beurteilt werden. Dem Beklagten sind aber jedenfalls als Eheverfehlungen anzulasten: Die Mißhandlung des Sohnes, die Beschimpfungen der Klägerin und der Vorwurf, die Klägerin arbeite zu wenig in der Landwirtschaft mit, der jedenfalls im Zeitpunkt der erstmaligen Erhebung unberechtigt war.

Bei der Verschuldensabwägung ist zu berücksichtigen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens nur dann zulässig ist, wenn das Verschulden eines Ehegatten erheblich schwerer wiegt als das des anderen. Ein überwiegendes Verschulden ist nur dort anzunehmen und auszusprechen, wo der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt (EFSlg.20.503 u. v.a.). Nach diesen Grundsätzen ist unter Berücksichtung der obigen Darlegungen betreffend den Berufseinsatz des Beklagten der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens keines der Ehegatten gerechtfertigt. Daran ändert auch der festgestellte Ehebruch der Klägerin nichts, weil dieser in einer Zeit begangen wurde, in der die Ehe bereits unheilbar zerrüttet war. Nach der zutreffenden Rechtsansicht der Vorinstanzen spielen Eheverfehlungen, die nach unheilbarer Zerrüttung der Ehe begangen wurden, bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle (EFSlg.31.711, 29.625 u. a.). Dies gilt, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, auch für den Ehebruch.

Auch ein solcher muß in einem milderen Licht erscheinen, wenn er zu einem Zeitpunkt gesetzt wurde, als die Ehe bereits unheilbar zerrüttet war (RZ 1977/41; EFSlg.25.087, 20.516; EvBl.1969/157; 1 Ob 747,748/82).

Demgemäß ist der Revision der Klägerin nicht, der Revision des Beklagten nur teilweise Folge zu geben.

Der Ausspruch über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.

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