Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die unterinstanzlichen Urteile werden dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil zu lauten hat:
Die Klagsforderung besteht mit S 247.056,07 zu Recht. Die eingewendete Gegenforderung besteht nicht zu Recht. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 247.056,07 samt 10 % Zinsen aus S 647.056,07 vom 1.1.1979 bis 2.8.1979 und aus S 247.056,07 seit 3.8.1979 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Das Mehrbegehren nach Zuspruch von 18 % Umsatzsteuer von den eingeklagten Zinsenbeträgen wird abgewiesen.
Die beklagten Parteien haben der klagenden Partei zur ungeteilten Hand die mit S 129.057,46 bestimmten Prozeßkosten (darin enthalten S 9.096,56 USt. und S 9.753,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die beklagten Parteien haben der klagenden Partei weiters die mit S 19.179,81 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 1.612,71 USt. und S 1.440,-- Barauslagen) und die mit S 10.929,79 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 906,34 USt. und S 960,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 16.7.1978 kam es auf der Kreuzung der Bundesstraße 173 mit der Bundesstraße 312 in Säll zwischen einem von Herbert G gelenkten Sattelkraftfahrzeug der klagenden Partei und dem von Arthur H gelenkten, bei der erstbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Kennzeichen B-342 Z 1 zu einem Zusammenstoß, wodurch der klagenden Partei ein Schaden in der Höhe von S 647.056,07 entstand. Nach einer während des Verfahrens von den beklagten Parteien geleisteten Teilzahlung ist noch der Betrag von S 247.056,07 s.A. umstritten. Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung und wendeten u.a. eine der im Sinne der Außerstreitstellung für einen ausländischen Versicherer eintretenden zweitbeklagten Partei aus dem Unfall zustehende, der Höhe nach unbestrittene Gegenforderung von S 1,3 Mio. ein.
Ausgehend von einem in einer Vorrangverletzung begründeten Alleinverschulden des Arthur H am gegenständlichen Unfall stellte das Erstgericht im ersten Rechtsgang die Klagsforderung als zu Recht bestehend, die eingewendete Gegenforderung dagegen als nicht zu Recht bestehend fest und gab der Klage statt. Nach Aufhebung seines Urteiles durch das Berufungsgericht nahm das Erstgericht im zweiten Rechtsgang auf Grund der ihm im berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß überbundenen Rechtsansicht u.a. an, daß wegen einer vom Sattelkraftfahrzeug im Unfallszeitpunkt ausgegangenen außergewöhnlichen Betriebsgefahr Umstände vorlagen, welche einen Schadensausgleich im Sinne des § 11 Abs 1 EKHG rechtfertigten. Der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges habe zwar eine Geschwindigkeit von 73 km/h eingehalten, die Überschreitung der für dieses Fahrzeug zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h (§ 58 Abs 1 Z 1 lit a KDV) um 3 km/h sei auf die Unfallsfolgen jedoch festgestelltermaßen ohne Einfluß geblieben, sodaß mangels Rechtswidrigkeitszusammenhanges der Gesetzesübertretung mit den Unfallsfolgen die Voraussetzungen auch für eine Verschuldenshaftung fehlten. Der anzulastenden außergewöhnlichen Betriebsgefahr, welche von dem mit 21 Tonnen Fracht beladenen, ein Eigengewicht von 14,7 Tonnen aufweisenden Sattelkraftfahrzeug bei einer Fahrgeschwindigkeit von 73 km/h ausgegangen sei, komme beim Schadensausgleich allerdings wesentlich geringere Bedeutung zu, als dem beträchtlichen Verschulden des gemäß § 19 Abs 4 StVO 1960 im Nachrang befindlichen PKW-Lenkers. Nach den Umständen des Falles erscheine eine Schadensaufteilung im Verhältnis von 1 : 4 zu Lasten der beklagten Parteien angemessen.
Der sohin mit S 117.644,85 zu Recht bestehenden Klagsforderung stünden Gegenforderungen in mindestens dieser Höhe gegenüber, sodaß das Klagebegehren abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht und der Berufung der beklagten Parteien lediglich hinsichtlich des Zuspruches von Umsatzsteuer für Zinsen Folge. Es sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei (siehe Beschluß vom 14.10.1985). In der Entscheidungsbegründung trat das Berufungsgericht der erstgerichtlichen Rechtsansicht bei, daß nach den Umständen des Falles im Hinblick auf die vom Sattelkraftfahrzeug ausgegangene außergewöhnliche Betriebsgefahr ein Schadensausgleich im Verhältnis von 1 : 4 zugunsten der klagenden Partei gerechtfertigt erscheine.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt die klagende Partei eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gerechtfertigt.
Die Revisionswerberin bringt vor, allein das Fahren mit einem schweren, mit 21 Tonnen Fracht beladenen Sattelkraftfahrzeug unter Einhaltung einer relativ hohen Geschwindigkeit lasse noch keine über die gewöhnliche Betriebsgefahr hinausgehende besondere Gefahr erkennen. Am Sattelkraftfahrzeug seien keinerlei Mängel festgestellt worden. Solche schwere Fahrzeuge seien derart konstruiert, daß auch im vollbeladenen Zustand Betriebs- und Verkehrssicherheit gegeben sei. Ein Nachweis, daß der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges dieses nach links 'verrissen' habe, liege nicht vor. Der gegenständliche Unfall sei allein auf das grob verkehrswidrige Verhalten des PKW-Lenkers zurückzuführen, eine außergewöhnliche Betriebsgefahr des Sattelkraftfahrzeuges habe nicht mitgewirkt.
Diesen Ausführungen ist im Ergebnis Berechtigung zuzuerkennen. Nach ständiger Judikatur kommt es beim Ausgleich der gegenseitigen Ersatzpflicht in erster Linie auf das Verschulden der Beteiligten an, in der nächsten Rangstufe folgt die außerordentliche Betriebsgefahr im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG und nach dieser die überwiegende gewöhnliche Betriebsgefahr (ZVR 1974/227, 1976/25, 1984/260 u.v.a.). Die gewöhnliche Betriebsgefahr wird durch das Verschulden des Schädigers als Unfallsursache in der Regel ganz zurückgedrängt. Eine Ausgleichspflicht nach § 11 EKHG kommt also im allgemeinen insoweit nur dann in Betracht, wenn der Schaden auch auf eine außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen ist (ZVR 1965/36; 1973/11; 8 Ob 58/84, 2 Ob 23/85 ua). Eine solche besondere Betriebsgefahr ist dann anzunehmen, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendig mit dem Betriebe eines Kraftfahrzeuges verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer, nicht schon im Betrieb gelegener Umstände vergräßert werden (ZVR 1979/139; 1983/1; 1984/2 u.v.a.). Bei schwerwiegendem Verschulden eines Beteiligten am Schadensereignis ist eine Schadensteilung nach § 11 EKHG aber grundsätzlich überhaupt nur dann vorzunehmen, wenn sie nach den gesamten Umständen des Falles geboten erscheint (ZVR 1974/263, 1977/69, 1981/198, 1982/282, 1984/328 ua).
Vorliegendenfalls steht unbekämpft fest, daß der im Nachrang befindliche PKW-Lenker sein Einfahrmanäver in die vorrangige Bundesstraße zu einem Zeitpunkt vornahm, als der Lenker des sich auf dieser - sie weist ein leichtes Gefälle auf - mit einer Geschwindigkeit von 73 km/h nähernden Sattelkraftfahrzeuges nur noch 54 m entfernt befand, wobei letzterer das Einfahren erst 2,18 Sekunden vor dem Anprall erkennen konnte. In dieser Vorrangverletzung liegt zweifellos ein grober Verstoß gegen eine grundlegende Bestimmung der Straßenverkehrsordnung und damit ein schwerwiegendes Verschulden. Die lediglich um 3 km/h überhöhte Geschwindigkeit des Sattelkraftfahrzeuges hat sich festgestelltermaßen auf die Unfallsfolgen nicht ausgewirkt. Unter diesen Umständen liegt aber kein Anlaß vor, den Halter des Sattelkraftfahrzeuges wegen einer (nach Ansicht des Berufungsgerichtes im Hinblick auf eine von seinem Fahrzeug wegen dessen Geschwindigkeit, Gewicht und Ladung ausgehenden) besonderen Betriebsgefahr zum Schadensausgleich heranzuziehen. Ob in diesen Faktoren allein schon - das Sattelkraftfahrzeug wurde festgestelltermaßen mit einem durchschnittlichen Verzögerungsfaktor von 4,5 m/sec 2 abgebremst - eine außergewöhnliche Betriebsgefahr gelegen ist, kann somit überhaupt dahingestellt bleiben. Zu verweisen ist im übrigen darauf, daß ein 'Verreißen' oder auch bloßes 'Auslenken' des Sattelkraftfahrzeuges nach links wegen des von rechts kommenden PKW (siehe AS 189, 191, 231 f, 313) durch den PKW-Lenker veranlaßt wurde und daher ebenfalls nicht zugunsten der beklagten Parteien berücksichtigt werden könnte (ZVR 1979/4). Die der Höhe nach in der Hauptsache unbestrittene Klagsforderung besteht daher mit Ausnahme des die Zinsen betreffenden Umsatzsteuerbegehrens - zur diesbezüglichen, mit zutreffender Begründung erfolgten Abweisung durch das Berufungsgericht enthält die Revision keinerlei Ausführungen - zu Recht, die eingewendete Gegenforderung dagegen nicht zu Recht. Dem Klagebegehren war somit spruchgemäß stattzugeben.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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