European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00514.92.0205.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Mit dem am 23. 12. 1988 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz kündigte die Klägerin der Beklagten das Bestandverhältnis hinsichtlich der in * A*straße 17, gelegenen Tankstelle unter Einhaltung der gesetzlichen 6‑monatigen Kündigungsfrist für den 30. 6. 1989 auf.
In ihren Einwendungen brachte die Beklagte vor, hinsichtlich dieser Tankstelle einen Mietvertrag abgeschlossen zu haben, die Aufkündigung des Bestandverhältnisses bedürfte daher gemäß § 30 MRG geeigneter Kündigungsgründe. Weiters sei die Klägerin nicht aktiv legitimiert, der Bestandvertrag sei mit der Firma * W. F* & Co - im folgenden kurz als Firma F* bezeichnet - geschlossen worden. Die Voraussetzungen für eine Rechtsnachfolge der Klägerin seien nicht erfüllt. Schließlich seien Kündigungstermin und Kündigungsfrist nicht vertragskonform und sei ein Kündigungsverzicht erfolgt. Die Klägerin habe sich im Vertrag mit ihrem Rechtsvorgänger verpflichtet, in sämtliche Rechte und Pflichten des mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrages einzutreten. In diesem Vertrag sei vereinbart worden, daß sich das Bestandverhältnis bei Nichteinhaltung der 6‑wöchigen Kündigungsfrist jeweils um ein Jahr verlängere. Der Vertragsbeginn sei 4. 12. 1975 gewesen, die Aufkündigung sei nicht unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist erfolgt. Die Klägerin selbst habe mehrfach erklärt, die Rechte und Pflichten aus dem zwischen der Firma F* und der Beklagten abgeschlossenen Bestandvertrag seien auf sie übergegangen.
Die Klägerin erwiderte, Rechtsnachfolgerin der Firma F* zu sein. Die Erben des Alleininhabers dieser Firma hätten die Tankstelle an sie verkauft. Eine Bindung an die vertraglichen Kündigungsfristen und -termine wurde mit der Begründung abgelehnt, daß dazu ein Volleintritt in das Bestandverhältnis erforderlich gewesen wäre, dieser hätte der Zustimmung der Bestandnehmerin bedurft. Die Beklagte habe aber bestritten, daß der mit der Firma F* abgeschlossene Vertrag Grundlage des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien sei.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung vom 23. 12. 1988 für rechtswirksam und verpflichtete die Beklagte, die Tankstelle samt Zubehör geräumt von den nicht in Bestand gegebenen Gegenständen zu übergeben.
Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Die Firma F* bot der beklagten Partei an, verschiedene Tankstellen, darunter jene in * A*straße 17, gegen Leistung eines umsatzorientierten Bestandzinses im ortsüblichen Umfang fortzuführen. Die Umsatzbeteiligung war genau festgelegt. Mit Annahme des Anbotes sollte das Bestandverhältnis beginnen und nach einem Jahr enden, sich aber jeweils auf ein Jahr verlängern, wenn nicht 6 Wochen vor Ablauf der Bestandzeit ein Teil die Kündigung erklärt. Alle Betriebsmittel sowie die Kosten des Betriebes und der Instandhaltung der Anlagen und Geräte sollte die Bestandnehmerin tragen. Am 4. 12. 1975 nahm Ing. * N* dieses Anbot namens der Beklagten an. Nach dem Tod des Alleininhabers der Firma F* Gerhard C* wurde zwischen der Verlassenschaft nach diesem und der Klägerin am 21. 5. 1986 eine Rahmenvereinbarung getroffen, in welcher unter anderem der Klägerin die Tankstelle in der A*straße 17 verkauft wurde. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5. 6. 1986 wurde dieser Vertrag abhandlungsbehördlich genehmigt. Am 22. 12. 1988 beantragte die Klägerin die Bewilligung der Hinterlegung der Rahmenvereinbarung vom 21. 5. 1986 samt verlassenschaftsbehördlicher Genehmigung, der Ergänzungsvereinbarung vom 9. 12. 1988 und der Aufsandungserklärung vom 29. 12. 1988 in die Sammlung der bei Gericht hinterlegten und eingereihten Urkunden zum Erwerb des Eigentumsrechtes an dem in keinem Grundbuch eingetragenen, auf der den Österreichischen Bundesbahnen gehörenden Liegenschaft, GB Nr 1500/1 des Eisenbahnbuches für die KG Donaufeld, errichteten, angeblich der Verlassenschaft nach Gerhard C* gehörenden Superädifikat (Tankstelle in * A*straße 17).
Mit Schreiben vom 27. 5. 1986 teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß die Rechte des zwischen der Firma F* und der Beklagten abgeschlossenen Vertrages vom 24. 12. 1975 mit Wirkung vom 1. 5. 1986 auf sie übergegangen seien. Unter Berufung auf die im Punkt 4 des Vertrages vom 4. 12. 1975 vereinbarten Kündigungstermine und -fristen wurde das Vertragsverhältnis hinsichtlich der Tankstelle in * L*straße, zum 10. 7. 1986 aufgekündigt.
Mit Schreiben vom 11. 7. 1986 kündigte die Klägerin der Beklagten auch die Tankstelle in * A*straße 17 "unter Einhaltung der gesetzlichen und vertraglich vereinbarten Fristen" auf. Die Beklagte wurde aufgefordert, die Tankstelle samt allen Anlagen fristgerecht nach Ende des Vertragsverhältnisses geräumt von ihren Fahrnissen im vertraglich vereinbarten Zustand zurückzustellen; sie wurde ersucht, den Übergabstermin schriftlich zu avisieren.
Am 1. 9. 1988 teilte Notar Dr. * A* der Beklagten mit, daß Gerhard C* am 6. 1. 1986 als Alleininhaber der Firma F* verstorben sei; Dr. A* sei zum Machthaber der Erben bestellt worden, als solcher habe er am 21. 5. 1986 das Vermögen der Firma F* an die Klägerin verkauft. Im Rahmen der abgeschlossenen Verträge habe die Klägerin von der Firma F* insbesondere auch alle Rechte und Pflichten aus der mit der Beklagten abgeschlossenen Bestandvereinbarung vom 4. 12. 1975 übernommen. Dr. A* bestätigte der Beklagten, daß die Klägerin hinsichtlich der von der Beklagten in Bestand genommenen Tankstellen einziger Vertragspartner sei und daß die Klägerin berechtigt sei, alle Rechte aus der bestehenden Bestandvereinbarung auszuüben, daß sie anderseits aber auch die Verpflichtungen der Beklagten gegenüber einzuhalten habe.
Die Tankstelle in der A*straße wurde praktisch ohne Kundenstock übernommen, die Zapfsäulen und die Verkaufseinrichtungen wurden von der Beklagten umgestaltet.
Ein Kündigungsverzicht konnte nicht festgestellt werden.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Meinung, der zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten abgeschlossene Bestandvertrag sei als Pachtvertrag zu qualifizieren, er unterliege daher nicht den Kündigungsbeschränkungen des MRG. Die Klägerin sei als Erwerberin der Bestandsache berechtigt, unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen das Bestandverhältnis aufzukündigen, sie sei an die ursprünglich vertragsgemäß vereinbarte längere Kündigungsfrist nicht gebunden.
Der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht nicht Folge. Es führte aus, die von der Beklagten vermißte Feststellung, es sei der Übergang aller Rechte und Pflichten aus der abgeschlossenen Bestandvereinbarung vom 4. 12. 1975 auf die Klägerin tatsächlich vereinbart worden, habe allein aus dem Schreiben vom 1. 9. 1988 (Beilage ./5) nicht getroffen werden können, weil die Klägerin hiezu erklärt habe, daß hinsichtlich der Kündigungsfrist keine detaillierten Absprachen getroffen wurden; zur Widerlegung dieser Behauptung seien von der Beklagten keine Beweise angeboten worden. Damit versage aber auch die Rechtsrüge, deren Schwerpunkt darin liege, daß von der klagenden Partei die im Vertrag vom 4. 12. 1975 vereinbarte Kündigungsfrist nicht eingehalten worden sei. Gemäß § 1120 ABGB trete der Erwerber des Bestandobjektes in den vom Voreigentümer geschlossenen Vertrag ein, wobei das Bestandverhältnis ohne Rücksicht auf andere Vertragsbestimmungen in ein solches von unbestimmter Dauer mit gesetzlicher Kündigungsfrist verwandelt werde. Der Volleintritt des Erwerbers durch Übernahme des gesamten Vertrages, also unter Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses auch hinsichtlich Dauer und Kündigungsfrist, bedürfe, abgesehen von den gesetzlich geregelten Fällen der Verbücherung und der Anwendbarkeit des § 2 Abs 1 Satz 2 MRG einer Willenseinigung zwischen Erwerber und Bestandnehmer. Wohl könne der Bestandnehmer diese Zustimmung auch konkludent erklären, dies sei aber dann nicht anzunehmen, wenn er im Kündigungsprozeß die Bestandgebereigenschaft des Erwerbers des Bestandobjektes bestreite. Auch wenn sich aus den Feststellungen der Volleintritt der Klägerin in das Bestandverhältnis ableiten hätte lassen, wäre für die Beklagte mangels ausdrücklich oder konkludent erklärter Einwilligung nichts gewonnen.
Dagegen richtet sich die ao Revision der Beklagten wegen Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen die Aufkündigung vom 23. 12. 1988 aufzuheben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel der Beklagten zurückzuweisen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht mit der Rechtsansicht, die Bindung des Einzelrechtsnachfolgers an die vertraglich vereinbarten Kündigungstermine und -fristen bedürfe jedenfalls der Zustimmung des Bestandnehmers, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist (MietSlg 33.211), sodaß eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt.
Die Revision ist auch berechtigt.
Die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vertritt die Beklagte die Ansicht, die Klägerin habe die Richtigkeit des Schreibens vom 1. 9. 1988 (Beilage ./5) zugestanden, sie habe damit zugegeben, daß "alle Rechte und Pflichten" aus dem Bestandvertrag vom 4. 12. 1975 von ihr übernommen wurden. Zu allen Rechten und Pflichten gehörten zweifelsfrei auch die Vertragsbestimmungen über die Kündigungsfristen und Kündigungstermine. Die Klägerin habe daher in prozessual verbindlicher Weise den Eintritt in die Vertragsbestimmungen über Kündigungsfristen und Kündigungstermine erklärt. Die Bestreitung des Eintrittes in diese Vertragsbestimmungen habe die Klägerin lediglich darauf gestützt, daß sie "im Detail in den Unterlagen nicht angesprochen" seien. Dabei handle es sich jedoch um eine unrichtige Rechtsmeinung.
Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Veräußert der Bestandgeber die Sache, die der Bestandnehmer bereits innehat, so geht die Verpflichtung des Veräußerers zwar auf den Erwerber über, doch kann dieser gemäß § 1120 ABGB das Verhältnis ohne Rücksicht auf eine vertragliche zeitliche Bindung innerhalb der gesetzlichen Frist aufkündigen (Koziol-Welser I8, 364 mwN). Der Volleintritt des Erwerbers durch Übernahme des gesamten Vertrages, also unter Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses auch hinsichtlich Dauer und Kündigungsfrist, bedarf - von gesetzlich geregelten Fällen der Verbücherung nach § 1095 ABGB und der Anwendbarkeit des § 2 Abs 1 Satz 2 MRG abgesehen - jedenfalls einer Willenseinigung zwischen Erwerber und Bestandnehmer (Würth in Rummel 2, Rz 8 zu § 1121). Wurde jedoch im Kaufvertrag der Eintritt des Erwerbers in sämtliche Rechte und Pflichten des Veräußerers aus dem bestehenden Bestandvertrag vereinbart, handelt es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter. Damit verpflichtete sich nämlich der Erwerber, über seine nach dem Gesetz beschränkte Eintrittspflicht hinaus sämtliche vom Veräußerer eingegangene Verpflichtungen zu übernehmen. Dieser dem Veräußerer gegenüber erklärte Volleintritt des Erwerbers in den Bestandvertrag begünstigt den Bestandnehmer, er erlangt aus dieser ihn begünstigenden Vertragsbestimmung ein unmittelbares Recht. Der Dritte muß sich allerdings gegen seinen Willen nicht etwas zuwenden lassen und kann das ihm eingeräumte Recht zurückweisen. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Bestandnehmer in dem Kündigungsprozeß des Erwerbers ausdrücklich eingewendet hat, daß dieser an die zugunsten des Mieters getroffenen Vereinbarungen des Mietvertrages gebunden sei (MietSlg 33.211; Schwimann/Binder, IV/2, Rz 27 zu § 1120).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Behauptung aufgestellt, die Klägerin habe sich verpflichtet, in alle Rechte und Pflichten der Erben nach Gerhard C* einzutreten (AS 19). Soweit eine Rechtsnachfolge eingetreten sei, schließe diese eine Übernahme aller Rechte und Pflichten ein (ON 7). Entgegen der in der Revision der Beklagten vertretenen Ansicht hat die Klägerin aber die Behauptung, es sei zwischen Veräußerer und Erwerber der Eintritt des Erwerbers in sämtliche Rechte und Pflichten des Veräußerers vereinbart worden, nicht zugestanden. Die Klägerin hat vielmehr während des gesamten Rechtsstreites eine Bindung an die zwischen der Beklagten und der Firma F* vereinbarten Kündigungstermine und Fristen bestritten; sie hat auch die Richtigkeit des Schreibens vom 1. 9. 1988 (Beilage ./5) nicht vorbehaltslos zugestanden (siehe AS 43). Es hätte also einer Tatsachenfeststellung über die behauptete Vereinbarung des Eintrittes der Klägerin in alle Rechte und Pflichten aus dem zwischen der Beklagten und der Firma F* geschlossenen Bestandvertrag bedurft. Eine derartige Feststellung hat das Erstgericht aber nicht getroffen, es hat sich im wesentlichen darauf beschränkt, den Inhalt der Urkunden wiederzugeben.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes hat die Beklagte auch ein taugliches Beweisanbot für die von ihr aufgestellte Behauptung gestellt. Die fehlende Feststellung ist für die Entscheidung auch von Relevanz, da im Falle der Bindung der Klägerin an die Kündigungstermine und -fristen des Vertrages vom 4. 12. 1975 die Kündigung nicht termin- und fristgerecht erfolgte.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Berufungsgericht (nach amtswegiger Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 492 Abs 2 ZPO) eine Feststellung über den von der Beklagten behaupteten Eintritt der Klägerin in sämtliche Rechte und Pflichten des Vertrages vom 4. 12. 1975 zu treffen haben (§ 496 Abs 3 ZPO).
Es war daher der Revision im Sinne ihres Aufhebungsantrages Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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