Spruch:
Ein aufschiebend bedingter gerichtlicher Vergleich wird nicht rechtswirksam, wenn während der Widerrufsfrist über das Vermögen einer Partei der Konkurs eröffnet wird
OGH 13. Juli 1982, 2 Ob 514/82 (OLG Wien 4 R 272/81; HG Wien 32 Cg 82/81)
Text
Der Kläger begehrte mit der am 16. 12. 1980 bei Gericht eingelangten Klage von der beklagten Firma E auf Grund des mit ihr geschlossenen Geschäftsführervertrages Bezugsquoten für die Monate November 1980 bis März 1981, Remunerationen für das Jahr 1980 und eine Abgeltung für entzogene Kraftfahrzeugnutzung. Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 10. 8. 1981 schlossen die Parteien einen bedingten Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger 900 000 S samt 10% Zinsen ab Verzug binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit Zug um Zug gegen Herausgabe des dem Kläger von der Beklagten überlassenen PKW der Marke Mercedes 280 bei Exekution zu bezahlen, wobei der Vergleich Rechtswirksamkeit erlangen sollte, wenn er nicht durch Schriftsatz der Beklagten, der spätestens am 9. 10. 1981 bei Gericht einzulangen hatte, widerrufen werde. Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 18. 8. 1981, S 172/81, wurde über das Vermögen der Beklagten der Konkurs eröffnet.
Mit dem am 2. 11. 1981 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragte der Kläger, ihm eine mit Vollstreckbarkeitsbestätigung versehene Ausfertigung des Vergleiches vom 10. 8. 1981 zuzustellen, wozu er vorbrachte, daß die im Vergleich vorgesehene Widerrufsfrist durch die Konkurseröffnung weder unterbrochen noch verlängert worden sei.
Das Erstgericht wies den Antrag des Klägers zurück.
Es führte aus, daß durch die Eröffnung des Konkurses die Unterbrechung des Verfahrens eingetreten sei. Während der Dauer der Unterbrechung seien alle Gerichtshandlungen unzulässig. Der mit Vorbehalt des Widerrufes geschlossene Vergleich könne nur dem Gericht gegenüber widerrufen werden. Der Kläger verlange während der Unterbrechung vom Gericht, eine Prozeßhandlung zu setzen und setze hiemit selbst eine Handlung, die vom Gericht zurückzuweisen sei, unabhängig davon, daß der Vergleich materiell-rechtlich wirksam geworden sei. Seine prozeßbeendigende Funktion habe er jedoch aus der prozessualen Perspektive des gerichtlichen Vergleiches - wegen der durch die Konkurseröffnung eingetretenen Unterbrechung - nicht erlangt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht auf, der klagenden Partei eine mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung versehene Ausfertigung des Vergleiches vom 10. 8. 1981 zuzustellen.
Es bejahte gleich dem Erstgericht, daß der Vergleich mangels eines rechtzeitigen Widerrufes innerhalb der materiell-rechtlichen Frist materiell-rechtlich wirksam geworden sei. Darüber hinaus wäre aber erst der mit einem rechtzeitigen Widerruf verbundene Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens eine nach der Konkurseröffnung nicht mehr zulässige Prozeßhandlung. Die nach Eintritt der Unterbrechung beantragte Gerichtshandlung - Zustellung einer mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung versehenen Vergleichsausfertigung - sei aber zulässig, weil das rechtliche Gehör der Parteien (hier der beklagten Partei) nicht verletzt worden sei. Die beantragte gerichtliche Verfügung bedürfe keiner vorherigen Anhörung der Gegenseite. Der Erledigung des Antrages des Klägers stehe auch nicht entgegen, daß der Antrag während der Unterbrechung des Verfahrens gestellt wurde. Zu berücksichtigen sei nämlich, daß der Kläger bereits in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 10. 8. 1981, in der der bedingte Vergleich geschlossen wurde, die Zustellung einer Vergleichsausfertigung nach Rechtskraft beantragt habe. Der nach Eintritt der Unterbrechung des Verfahrens gestellte Antrag sei daher nur eine Wiederholung des ersten Antrages bzw. eine Betreibung, diesem bereits gestellten Antrag zu entsprechen. Demnach stunden die Bestimmungen des § 163 ZPO der Erledigung des Antrages des Klägers nicht entgegen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten Folge und änderte den angefochtenen Beschluß iS der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes ab.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Rechtsmittel ist dahin zu folgen, daß der Rechtsstreit durch die Konkurseröffnung unterbrochen wurde und der von den Parteien abgeschlossene Vergleich somit nicht Rechtswirksamkeit erlangte. Es kann nämlich nicht gesagt werden, daß die dem Vergleich beigefügte Suspensivbedingung bloß dessen materielle Seite betrifft und keine prozessuale Bedeutung hätte. Der vorliegende Vergleich sollte nach dem Willen der Parteien Rechtswirksamkeit erlangen, wenn er nicht durch die beklagte Partei mittels eines spätestens am 9. 10. 1981 bei Gericht einlangenden Schriftsatzes widerrufen werde. Das bedeutet, daß der Zeitpunkt, in welchem seine Wirkung beginnen sollte, mit dem Ende der Widerrufsfrist vereinbart wurde. Es liegt in der Natur des aufschiebend bedingten Rechtes, daß dieses erst nach Erfüllung der Bedingung zu seiner Kraft gelangt und daß bis dahin ein Schwebezustand besteht (so schon GlUNF 3971; Gschnitzer in Klang[2] III 655 und IV/1, 324; Koziol - Welser[5] I 133). Von der aufschiebenden Bedingung hängt die Entstehung des bedingten Rechtes ab; das Recht soll also erst nach Eintritt der Bedingung entstehen (Ehrenzweig I/1, 242); die Wirkung des Rechtes beginnt erst mit dem Eintritt der Bedingung (Gschnitzer, Lehrbuch, Allgemeiner Teil 214). Unbeschadet der in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Doppelnatur des gerichtlichen Vergleiches (vgl. dazu EvBl. 1981/100 mwN) und der Zulässigkeit der Beisetzung einer aufschiebenden Bedingung ist der gerichtliche Vergleich in seiner Streiterledigungserklärung jedenfalls auch eine Prozeßhandlung (so auch hier und im Falle der zu EvBl. 1981/100 veröffentlichten Entscheidung; ferner JBl. 1977, 428). Da vor Ablauf der vereinbarten Widerrufsfrist indes der Konkurs eröffnet und das zufolge Nichtablaufs der Widerrufsfrist in diesem Zeitpunkt noch nicht beendete Verfahren gemäß § 7 Abs. 1 KO unterbrochen wurde, erlangte der (aufschiebend bedingte) Vergleich nicht Rechtswirksamkeit; es mangelt daher an der wesentlichen Voraussetzung für die Erteilung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung. Zutreffend hat deshalb das Erstgericht den bezüglichen Antrag des Klägers zurückgewiesen (vgl. SZ 45/19).
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