Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.789,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.131,60 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die am 25. November 1939 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 14. 7. 1941 aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten geschieden. Mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 23. 8. 1976, R 292/76-23, (im Verfahren 3 C 613/75 des Bezirksgerichtes Wels) wurde der Beklagte schuldig erkannt, der Klägerin ab 2. 7. 1975 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.400 S zu bezahlen. Die Klägerin bezog damals eine Pension von 1.944 S (einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen), der Beklagte hingegen verfügte über ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen unter Anrechnung der Sonderzahlungen von 10.694,71 S.
Mit der am 30. 11. 1989 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin den Zuspruch eines erhöhten monatlichen Unterhaltsbetrages von 5.200 S ab 1. 12. 1989. Das Einkommen des Beklagten betrage monatlich 18.000 S; außerdem sei mittlerweilig die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für zwei Kinder weggefallen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sein Nettopensionsbezug betrage 17.241,38 S; er sei für seine schwerkranke pflegebedürftige Frau Berta R***** und seinen am 15. 2. 1965 geborenen Sohn Dipl.Ing. Hubert R*****, der zwar sein Studium absolviert aber noch keinen Posten habe, sorgepflichtig. Die von der Klägerin geltend gemachten Unterhaltsansprüche würden unter Berücksichtigung seiner weiteren Sorgepflichten seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden, sodaß gemäß § 71 EheG die Unterhaltsverpflichtung der Verwandten der Klägerin vorginge und insbesondere der Sohn der Klägerin in der Lage wäre, seiner Mutter entsprechende Unterhaltsleistungen zu erbringen. Dem Beklagten und seiner Ehefrau erwüchsen Kosten für die Inanspruchnahme einer Heimhilfe im Ausmaß von monatlich 6.750 S.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 12. 1. 1990 dehnte die Klägerin unter Hinweis darauf, daß "eine rechtskräftig entschiedene Streitsache vorliege, wonach Unterhalt sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach vorliege, auf Grund der Änderungen des Geldwertes und der nunmehr höheren Bedürfnisse" das Klagebegehren aus dem Titel des rückständigen Unterhaltes für die Zeit vom 1. 12. 1986 bis 30. 11. 1989 um den Betrag von 136.800 S sA (36 Monate zu je 3.800 S) aus (ON 5 dA).
Die Klägerin brachte ergänzend vor, daß sie eine eigene Wohnung bezogen habe, für die sie monatlich 3.000 S aufwenden müsse und ihr Sohn Johann R***** lediglich monatlich 10.300 S verdiene. Außerdem werde die Sorgepflicht des Beklagten gegenüber seiner zweiten Frau durch die subsidiäre Unterhaltspflicht der ehelichen Kinder aus zweiter Ehe deren Mutter gegenüber verringert.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. 4. 1990 schränkte die Klägerin ihr Begehren an rückständigem Unterhalt auf 131.600 S sA ein, weil Unterhalt für die Vergangenheit nunmehr für die letzten drei Jahre vor der Klagsausdehnung (12. 1. 1987) begehrt werde.
Schließlich ergänzten die Streitteile ihr Vorbringen, und zwar der Beklagte dahin, daß ihm für seine nunmehrige schwerkranke voll pflegebedürftige Frau Kosten von insgesamt 8.500 S monatlich erwüchsen, und die Klägerin dahin, daß der Beklagte diese Kosten beim Finanzamt als Sonderausgaben geltend machen müsse und seine zweite Frau außerdem ein Pflegegeld von 4.325 S (monatlich) beziehe und die vom Beklagten geltend gemachten Hilfskräfte auch zu seinem eigenen Nutzen tätig seien.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten in Abänderung des Urteiles des Kreisgerichtes Wels vom 23. August 1976 schuldig, der Klägerin vom 1. 12. 1989 bis 31. 1. 1989 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 2.650 S und ab 1. 2. 1990 einen solchen von 2.450 S zu bezahlen. Das auf Unterhaltsergänzung auf den Betrag von 5.200 S und Unterhaltserhöhung bereits ab 12. 1. 1987 gerichtete Klagemehrbegehren wies es ab. Die vom Erstgericht über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus getroffenen Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Beklagte ist ÖBB-Pensionist. Er ist für seine einkommenslose und schwerkranke Ehegattin Berta, geb. 1916, die seit sechs Jahren einen Herzschrittmacher hat und schon zwei Schlaganfälle erlitten hat, sorgepflichtig. Berta R***** ist auch heute noch in der Bewegung behindert. Der Beklagte leidet an einer Myocardiopathie mit Coronarsklerose und Hypertonie und einer chronischen Gastritis. Er ist nicht in der Lage, seine Gattin laufend zu betreuen und daher auf fremde Hilfe angewiesen. An außergewöhnlichen Ausgaben hat der Beklagte seit Jänner 1990 1.500 S bis 2.000 S für Caritas-Pflegerinnen zu bezahlen, die das Waschen, Baden und Frisieren seiner Gattin vornehmen. Darüber hinaus beschäftigen die Ehegatten R***** seit Februar 1990 im Haushalt auch zwei Hauspflegerinnen, die monatlich 6.200 S kosten. In den Jahren 1988 und 1989 wurde die Betreuung der Gattin des Beklagten von einer Krankenschwester, die nichts verlangte, durchgeführt. Außerdem war der Beklagte teilweise in Gemeinschaft mit seinem Sohn noch in der Lage, die Hausarbeiten selbst durchzuführen. Die nunmehrige Gattin des Beklagten bezieht ein Pflegegeld von monatlich 4.325 S. Monatlich wendet der Beklagte für den Selbstbehalt an Arztkosten rund 337 S und für Rezeptgebühren etwa 260 S auf. Im Jahr 1989 bezog der Beklagte (unter Abzug der staatlichen Familienbeihilfe für den studierenden Sohn) ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von 19.691,10 S; im Jahr 1990 beträgt sein monatliches durchschnittliches Pensionseinkommen 20.037 S. Bis einschließlich Jänner 1990 war der Beklagte auch noch für seinen studierenden Sohn sorgepflichtig.
Die Klägerin bezog im Jahr 1989 eine Pension von durchschnittlich 3.851,16 S; im Jahr 1990 beträgt ihr Pensionseinkommen 3.967 S. Die Klägerin wohnt in dem ihrer Enkelin gehörigen Haus und hat auf Grund eines Mietvertrages monatlich 3.000 S an Miete, Betriebskosten und Strom zu bezahlen.
Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß die Verpflichtung des Beklagten zur Unterhaltsleistung bereits im Verfahren 3 C 613/75 des Bezirksgerichtes Wels rechtskräftig entschieden worden sei und sich aus dem Scheidungsakt kein Hinweis auf einen Unterhaltsverzicht ergebe. Bei der Bemessung des Unterhaltes selbst sei von den Umständen des Einzelfalles auszugehen. Dabei seien krankheitsbedingte Mehrkosten von vornherein von der Bemessungsgrundlage in Abzug zu bringen. Für das Jahr 1989 bestünden beim Beklagten nun Mehraufwendungen gegenüber dem durchschnittlichen Pensionisten von etwa 300 S, sodaß sich das relevante Familieneinkommen der Streitteile damit um 300 S auf 20.242 S (richtig: 23.242 S) reduziere. Unter den vorliegenden Umständen erscheine eine Unterhaltsbemessung für das Jahr 1989 mit dem Anspruch der Klägerin auf 28 % des gemeinsamen Einkommens (6.507 S) abzüglich ihres eigenen Einkommens (3.851,16 S) gerechtfertigt, sodaß ein Unterhalt für 1989 und auf Grund der gleich gebliebenen Sorgepflichten auch noch für Jänner 1990 im Ausmaß von 2.650 S festzusetzen gewesen sei. Ab Februar 1990 sei einerseits die Sorgepflicht des Beklagten für den Sohn weggefallen, anderseits sei aber ab diesem Zeitpunkt eine sehr gravierende finanzielle Mehrbelastung für den Beklagten eingetreten, da er sich nunmehr zu seiner und der Pflege seiner Gattin zweier Hauspflegerinnen habe bedienen müssen, die ihn monatlich mit 6.200 S belasteten, und er weiters für Caritas-Pflegerinnen 1.750 S monatlich aufwenden müsse. Die sich nach Abzug der Leistung der Behindertenhilfe von 4.325 S ergebende "reine Mehrbelastung von 3.635 S" sei vorweg von der Bemessungsgrundlage in Abzug zu bringen, sodaß sich eine Bemessungsgrundlage von 20.072 S ergäbe. Entsprechend den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen bestehe für die Gattin aus erster Ehe nunmehr die Möglichkeit, nach Wegfall einer Sorgepflicht mit 32 % am gemeinsamen Einkommen zu partizipieren, woraus sich eine Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für den Zeitraum ab Februar 1990 von 2.450 S monatlich ergebe. Schließlich bedürfe ein auf die clausula rebus sic stantibus gestütztes Begehren auf Unterhaltserhöhung, soweit es sich auf die Vergangenheit beziehe, der weiteren Voraussetzung des § 72 EheG. Verzug im Sinne dieser Gesetzesstelle liege aber nur dann vor, wenn ein geschiedener Ehegatte durch Urteil verpflichtet worden sei oder sich im Rahmen dieser Bestimmungen vertraglich verpflichtet habe, eine bestimmte betragsmäßig festgesetzte Summe an einem bestimmten Tag zu leisten und dieser Verpflichtung nicht nachkomme (EFSlg. 34.101). Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in JBl. 1988, 586, wonach mit der Vaterschaftsfeststellungsklage Unterhalt ab Geburt des Kindes gefordert werden kann, nehme weiters den Anwendungsbereich des § 72 EheG ausdrücklich aus der in Gang gekommenen Diskussion aus. Auch für eine Neuinterpretation des Begriffes des Verzuges im Sinne des § 72 EheG ergäben sich keine Anhaltspunkte. Insoweit sei das Klagebegehren daher abzuweisen gewesen.
Das Gericht zweiter Instanz wies die von der Klägerin gegen dieses Urteil, insoweit darin der Zuspruch eines erhöhten monatlichen Unterhaltes von 3.800 S für die Zeit vom 30. November 1986 bis 11. Jänner 1987 begehrt wurde, zurück; im übrigen gab es der Berufung teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß der vom Beklagten mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 23. 8. 1976 (R 282/87-23) für die Klägerin zu leistenden monatlichen Unterhalt von 1.400 S für die Zeit vom 1. Dezember 1989 bis 31. Jänner 1990 auf 2.650 S und für die Zeit ab 1. Februar 1990 auf 3.500 S erhöht und das Mehrbegehren auf Zuspruch eines monatlichen Unterhaltsbetrages von insgesamt 5.200 S bereits ab 12. Jänner 1987 abgewiesen wurde, wobei das Berufungsgericht aussprach, daß die ordentliche Revision nach § 502 ZPO zulässig sei.
Den Ausspruch über die teilweise Unzulässigkeit der Berufung, insoweit darin der Zuspruch eines rückständigen monatlichen Unterhaltes von 3.800 S für die Zeit vom 30. 11. 1986 bis 11. 1. 1987 begehrt werde, begründete das Berufungsgericht damit, daß die Klägerin das Unterhaltsbegehren für die Vergangenheit in erster Instanz nach entsprechender Klagseinschränkung letztlich lediglich rückwirkend ab 12. 1. 1987 gestellt habe, eine derartige Erweiterung des Sachantrages im Berufungsverfahren jedoch wegen des Neuerungsverbotes (§ 482 ZPO) ausgeschlossen sei.
Im übrigen übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes und nahm davon ausgehend zu der in der Berufung erhobenen Rechtsrüge im wesentlichen wie folgt Stellung:
1.) Zum Unterhaltsbegehren für die Vergangenheit:
Das von der Klägerin in der Rechtsrüge ihrer Berufung zur Begründung dieses Begehrens erstattete Vorbringen, lediglich das rabiate Vorgehen des Beklagten habe sie bisher davon abgehalten, von diesem einen höheren Unterhalt zu begehren, sei - abgesehen davon, daß derartiges in erster Instanz nicht behauptet worden sei - nicht geeignet, den Zuspruch rückständigen Unterhalts zu rechtfertigen. Es sei nämlich auf die Bestimmung des § 72 EheG zu verweisen, wonach der Unterhaltsberechtigte für die Vergangenheit Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung erst von der Zeit an fordern könne, in der der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden sei, für eine länger als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit jedoch nur, soweit anzunehmen sei, daß der Verpflichtete sich der Leistung absichtlich entzogen habe. Zum Verzug habe die bisherige Judikatur zu § 72 EheG und ein Teil der Lehre ausgeführt, daß Verzug dann vorliege, wenn ein geschiedener Ehegatte durch Urteil auf Grund der §§ 66, 68 oder 69 EheG verpflichtet worden sei oder sich im Rahmen dieser Bestimmungen vertraglich verpflichtet habe, eine bestimmte betragsmäßig festgesetzte Summe an einem bestimmten Tag zu leisten und dieser Verpflichtung nicht nachkommt (vgl. MGA ABGB33, E 1 zu § 72 EheG), welche Voraussetzungen hier zweifellos nicht erfüllt seien. Selbst wenn man jedoch mit Rummel in seinem Kommentar zum ABGB, Rz 1 zu § 72 EheG, und Koziol in JBl. 1978, 630 ff annehme, daß Verzug auch ab außergerichtlicher Mahnung eintrete, sei für die Klägerin nichts gewonnen, weil ein höherer Unterhalt jedenfalls nur ab Verzug, also zumindest ab Zugang der an den Unterhaltsschuldner gerichteten Aufforderung des Gläubigers, eine höhere Unterhaltsleistung zu erbringen, gefordert werden könne, und eine derartige Aufforderung von der Klägerin an den Beklagten vor der Einleitung des gegenständlichen Prozesses nicht erhoben worden sei. Der für die Vergangenheit geltend gemachte Unterhaltsanspruch sei daher jedenfalls verfristet. Die Änderung der oberstgerichtlichen Rechtsprechung in der Frage der rückwirkenden Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (JBl. 1988, 586 = EvBl. 1988/123 ua) gebe zu einer anderen rechtlichen Beurteilung keinen Anlaß, weil § 72 EheG als Sonderbestimmung für den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten in den dort gezogenen engen Grenzen eine Einforderung von Rückständen an gesetzlichem Unterhalt bereits bisher zugelassen habe und eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen nicht erfolgt sei. In diesem Zusammenhang habe der Oberste Gerichtshof auch bereits ausdrücklich ausgesprochen, daß die grundlegende Änderung der Rechtsprechung durch die Entscheidung 6 Ob 544/87, wonach Unterhaltsansprüche grundsätzlich auch für die Vergangenheit gestellt werden könnten, nicht für den Anwendungsbereich des § 72 EheG, also für gesetzliche Unterhaltsansprüche eines geschiedenen Ehegatten gelte (EFSlg. 57.280). Mangels eines behaupteten Verzuges des Beklagten könne die Klägerin daher für die Zeit vor Rechtshängigkeit ihrer Unterhaltserhöhungsklage keinen höheren Unterhalt vom Beklagten begehren, sodaß insoweit, also betreffend den Zeitraum vom 12. 1. 1987 bis 29. bzw. 30. 11. 1989, der Berufung ein Erfolg zu versagen gewesen sei.
2.) Zum laufenden Unterhalt ab 1. 12. 1989:
In diesem Zusammenhang vertrete die Klägerin die Auffassung, daß ein Anspruch von 28 % des Familieneinkommens abzüglich ihres eigenen Einkommens zu niedrig bewertet sei. Abgesehen davon, daß die dazu erstatteten Ausführungen großteils aktenwidrig seien, habe das Erstgericht der Klägerin für die Zeit ab 1. 2. 1990 (nach Wegfall der Sorgepflicht des Beklagten für seinen studierenden Sohn) ohnedies einen Anteil von 32 % am gemeinsamen Einkommen - abzüglich des eigenen Einkommens der Klägerin - zugebilligt. Im übrigen seien vom Erstgericht die monatlichen Aufwendungen des Beklagten für den Selbstbehalt der Arztkosten und für Rezeptgebühren genau festgestellt worden, und sei ein allfälliger darüber hinausgehender Aufwand des Beklagten überhaupt nicht berücksichtigt worden. Auch ein krankheitsbedingter Mehraufwand der Klägerin sei nicht aktenkundig und sei derartiges vom Erstgericht auch nicht festgestellt worden, sodaß die Rechtsrüge der Klägerin insoweit nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt sei.
Zutreffend habe das Erstgericht für die Frage der Unterhaltsbemessung zwischen dem Zeitraum 1. 12. 1989 bis 31. 1. 1990 einerseits und der Zeit ab 1. 2. 1990 andererseits differenziert, da der Sohn des Beklagten seit 1. 2. 1990 als Universitätsassistent arbeite und aus diesem Grund selbsterhaltungsfähig sei. Der Wegfall einer zweiten Sorgepflicht des Beklagten in diesem Zeitraum sei allerdings entgegen den Ausführungen der Berufung nicht aktenkundig. Wie das Erstgericht zutreffend ausführe, handle es sich bei der Unterhaltsbemessung nach § 66 EheG um eine Ermessensentscheidung. Solange aber besondere Umstände nicht geltend gemacht würden, sei von generalisierenden Regeln bei der Unterhaltsbemessung auszugehen, wobei die Judikatur, einschlägigen Erfahrungen Rechnung tragend hiefür auch gewisse Grundsätze und Prozentsätze als Orientierungswerte herausgearbeitet habe. Danach stehe dem unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten, der ein eigenes Einkommen beziehe, im allgemeinen ein Unterhaltsanspruch im Ausmaß von etwa 40 % des Einkommens beider Ehegatten abzüglich des eigenen Einkommens zu, wenn der Unterhaltspflichtige keine weiteren Sorgepflichten habe (MGA ABGB33, E. 19 zu § 66 EheG). Konkurrierten jedoch mit dem Unterhaltsanspruch der geschiedenen Gattin auch solche der Kinder bzw. der Ehegattin aus zweiter Ehe, dann sei dieser Prozentsatz entsprechend weiter zu reduzieren (vgl MGA ABGB33, E. 21-24 a zu § 66 EheG). Bedenke man, daß die Gattin des Beklagten schon seit Jahren schwer krank sei und ständiger Pflege bedürfe und allein der Regelbedarf für ein studierendes Kind im relevanten Zeitraum 4.370 S betragen habe, so erachte es auch das Berufungsgericht als angemessen, der Klägerin für die Monate Dezember 1989 und Jänner 1990 einen Anteil von rund 28 % an der Summe der Nettopensionen beider Streitteile abzüglich ihres eigenen Einkommens zuzusprechen. 28 % des hier relevanten Familieneinkommens beider Parteien (etwa 23.400 S) seien 6.552 S; abzüglich des eigenen Einkommens der Klägerin ergäbe sich somit ein Betrag von 2.585 S, sodaß die insoweit vom Erstgericht vorgenommene Unterhaltserhöhung auf 2.650 S monatlich zu bestätigen gewesen sei. Nicht gefolgt werden könne dem Erstgericht allerdings darin, daß der Beklagte ab 1. 2. 1990 trotz des Wegfalles der Sorgepflicht für seinen 25jährigen Sohn allein wegen der Tatsache, daß er seit diesem Zeitpunkt für die Führung des Haushaltes und die Pflege seiner Gattin durch zwei Haushaltshilfen und eine Caritas-Altenpflegerin monatliche Ausgaben von etwa 7.700 S habe, nur mehr zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 2.450 S an seine geschiedene Gattin herangezogen werden könne. Unter den hier gegebenen - im einzelnen auch zur Darstellung gebrachten - Umständen sei es zwar nicht gerechtfertigt, die seit Februar 1990 vom Beklagten aufgewendeten Kosten für zwei Haushaltshilfen und eine Altenbetreuerin von monatlich insgesamt etwa 7.700 S - auch nicht mit dem sich nach Abzug des Pflegegeldes der Gattin des Beklagten ergebenden Differenzbetrag von rund 3.250 S - vorweg von der Bemessungsgrundlage in Abzug zu bringen, es erscheine allerdings auf Grund des schlechten Gesundheitszustandes des Beklagten und seiner Gattin aus zweiter Ehe gerechtfertigt, für die Sorgepflicht des Beklagten gegenüber seiner zweiten Gattin einen doch erheblich höheren Prozentsatz als bloß 3 %, wie dies etwa in den Entscheidungen EFSlg. 46.298 und 54.506 analog zur Ausmessung des Kindesunterhaltes (vgl hiezu MGA ABGB33, E. 273 f zu § 140 ABGB) bei einer konkurrierenden Sorgepflicht für eine einkommenslose Gattin zum Ausdruck gebracht worden sei, vom üblichen Unterhaltssatz von 40 % des um das eigene Einkommen verminderte Familieneinkommen in Abzug zu bringen. Der vom Erstgericht im Ergebnis zugesprochene Prozentsatz von 32 % werde nach Ansicht des Berufungsgerichtes der gegebenen Sach- und Rechtslage durchaus gerecht, sodaß keine weiteren Abzüge mehr zu tätigen seien. In der vorliegenden Situation erachte das Berufungsgericht daher entgegen der Auffassung des Erstgerichtes ab 1. 2. 1990 eine Unterhaltserhöhung auf 3.500 S als angemessen, womit der Klägerin insgesamt ein Betrag von etwa 7.500 S zur Verfügung stehe. Ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes verfüge der Beklagte für sich und seine Gattin im Monat dann noch über einen Betrag von 16.537 S, sodaß in Anbetracht des krankheitsbedingten Mehraufwandes auf Seiten der Familie des Beklagten dieser Unterhaltsbetrag auch mit dem Gleichheitsgrundsatz im Einklang stehe, und zwar unabhängig davon, ob die Klägerin für das Wohnen bei ihrer Enkelin etwas bezahlen müsse oder nicht, zumal im geschuldeten Unterhaltsbetrag immer auch ein anteilsmäßiger Betrag für das Wohnen enthalten sei.
In teilweiser Stattgebung der Berufung sei daher das angefochtene Urteil dahin abzuändern gewesen, daß die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für die Klägerin für die Zeit ab 1. 2. 1990 auf 3.500 S zu erhöhen und das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf Unterhaltserhöhung auf 5.200 S bereits ab 12. 1. 1987 abzuweisen gewesen sei.
Den Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß die Judikatur der Gerichte zweiter Instanz zur Frage, in welchem Ausmaß sich bei konkurrierender Sorgepflicht für einen Ehegatten aus aufrechter Ehe der Unterhaltsanspruch des nicht berufstätigen geschiedenen Ehegatten reduziere, uneinheitlich sei (vgl. Zankl in Schwimann, ABGB, Rz 56 zu § 66 EheG) und zur Bemessung des Ehegattenunterhaltes im allgemeinen noch keine veröffentlichte Judikatur des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Gegen dieses berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen "soweit sie nicht in Rechtskraft erwachsen sind" aufzuheben und in diesem Umfang an das Erstgericht unter Bindung an die Rechtsansicht zurückzuverweisen, "daß Unterhaltsansprüche nur der Verjährung des § 1480 unterliegen"; hilfsweise wird die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin begehrt, daß "auch die abgewiesenen Unterhaltsbeträge" zuerkannt werden.
Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Seit dem Inkrafttreten der Revisionsbeschränkungen der WGN 1989 ist die Revision - von den Fällen, in welchen sie jedenfalls unzulässig ist abgesehen - nur zulässig, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichtes von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Die nach der Übergangsregelung des Art. XLI Z 9 WGN 1989 maßgebliche Orientierung an der nicht mehr als 3 Jahre zurückliegenden Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz ist somit nicht das alleinige Zulassungskriterium. Nach der Absicht des Gesetzgebers kommt dem Obersten Gerichtshof im Unterhaltsbemessungbereich lediglich eine Leitfunktion zu. Von ihm kann nicht erwartet werden, daß er die Regeln der Unterhaltsbemessung in ein System verdichtet, das zu einer Art Tabelle für jeden möglichen Anspruchfall führt; er kann vielmehr in Fragen der Unterhaltsbemessung nur aussprechen, auf welche Umstände es ankommt (Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, ÖJZ 1989, 743 ff, insbesondere 748 Punkt 7.; 4 Ob 532/90; 2 Ob 577/90 ua). Dementsprechend kann der Oberste Gerichtshof auch keine Prozentsätze festsetzen. Derartige Werte können nur bei der konkreten Berechnung eines Unterhaltsanspruches im Interesse der gleichen Behandlung gleichgelagerter Fälle herangezogen, nicht aber generell als Maßstab für die Unterhaltsbemessung festgelegt werden (4 Ob 523/90 ua). Diese Grundsätze gelten wesensmäßig auch für die Frage der Auswirkungen des Bestandes weiterer Unterhaltsverpflichtungen auf den Unterhaltsanspruch eines der mehreren Unterhaltsberechtigten.
Das Berufungsgericht ist im Sinne der schon im Rahmen der alten Judikatur aufgestellten Grundsätze davon ausgegangen, daß es bei der Unterhaltsfestsetzung vor allem auf die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten ankommt, aber anderseits auch die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen berücksichtigt werden muß. Das Berufungsgericht hat auch eingehende Feststellungen über die Einkommensverhältnisse beider Teile und deren Bedürfnisse sowie die übrigen Unterhaltsverpflichtungen des Beklagten und die dafür maßgeblichen Bedürfnisse der ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen getroffen und ist davon ausgehend zur Überzeugung gelangt, daß der Klägerin ein Unterhaltsanspruch in der Höhe von 28 % der Summe des relevanten Familieneinkommens beider Teile abzüglich des eigenen Einkommens der Klägerin zusteht, sodaß in der vom Erstgericht mit einem darüberliegenden Betrag vorgenommenen Unterhaltserhöhung kein Rechtsirrtum erblickt werden könnte. Abgesehen davon, daß das Berufungsgericht bei Ausmessung des der Klägerin gebührenden Unterhaltes nicht bloß auf die "konkurrierende Sorgepflicht" des Beklagten für seine Ehefrau aus der aufrechten Ehe Bedacht genommen hat, sondern - für die hier relevierten Monate - auch auf jene für seinen Sohn aus zweiter Ehe, und dabei keineswegs bestimmte (allgemein gültige) Prozentpunkte den beiden Unterhaltsberechtigten zugewiesen hat, kommt der vom Berufungsgericht unter Hinweis auf den Judikaturnachweis von Zankl in Schwimann, ABGB I, Rz 56 zu § 66 EheG, relevierten Abweichung der eigenen Entscheidung von jenen des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien aus jüngerer Zeit keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs.1 ZPO zu, weshalb das Berufungsgericht die ordentliche Revision nicht hätte zulassen dürfen.
Insoweit die Revisionswerberin sich in ihrem Rechtsmittel auch gegen die Abweisung ihres Unterhaltsbegehrens für die Vergangenheit wendet, übersieht sie, daß sie im Verfahren erster Instanz - wie das Berufungsgericht auch zutreffend
erkannte - dazu kein Vorbringen erstattet hat, aus dem das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 EheG hätten abgeleitet werden können. Außerdem sind zur Frage der rückwirkenden Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nach § 72 EheG - einschließlich der Frage der Auslegung des Begriffes des Verzuges - auch nach der wiederholt erwähnten Judikaturänderung weitere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ergangen (vgl etwa JBl. 1990, 800), und wurde in der Revision auch nicht dargetan, inwiefern das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von dieser Rechtsprechung abgegangen sein sollte.
Aus den dargelegten Erwägungen mußte die Revision der Klägerin als unzulässig zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO iVm § 9 RATG.
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