OGH 2Ob502/87

OGH2Ob502/877.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** B*** Aktiengesellschaft, Reininghausstraße 1-7, 8020 Graz, vertreten durch Dr. R. Kaan, Dr. H. Cronenberg, Dr. H. Radl, Dr. St. Moser, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Karla S***, Gastwirtin, 8781 Wald am Schoberpaß 102, vertreten durch Dr. Anton Eichinger, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Zuhaltung eines Vertrages von S 11.800,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20. Oktober 1986, GZ 2 R 97/86-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 2. April 1986, GZ 8 Cg 426/85-9 abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt seit Dezember 1977 in Wald am Schoberpaß 102 ein Gasthaus und bezog seit damals Bier der klagenden Partei. Am 21. Oktober/9. November 1981 schloß sie einen Bierlieferungsvertrag mit der klagenden Partei. Auf Grund dieses Vertrages verpflichtete sich die klagende Partei zur Lieferung von Bier einwandfreier Qualität und zur Gewährung eines einmaligen, nicht rückzahlbaren Betrages von S 10.000,-- zuzüglich 18 % Umsatzsteuer, zusammen somit S 11.800,-- zur Ausgestaltung des Betriebes in Wald am Schoberpaß 102. Der Betrag war zweckgebunden für die Anschaffung eines Luftkompressors. Als Gegenleistung verpflichtete sich die Beklagte hinsichtlich der angeführten Betriebsstätte auf die Dauer von zehn Jahren zum ausschließlichen und ununterbrochenen Bezug der Biere der klagenden Partei. Der Mindestbezug während der Vertragsdauer wurde auf 400 Hektoliter festgelegt, bei Nichterreichung dieser Menge kann die klagende Partei eine entsprechende Verlängerung der Vertragsdauer verlangen. Gemäß Punkt 6. des Vertrages bezieht sich das Übereinkommen für den Fall, daß die Gewerbeberechtigung zum Bierverkauf verlegt werden sollte oder auf Grund der alten Berechtigung oder einer neuen andere Bier führende Geschäfte als Ersatz oder zusätzlich entstehen sollten, auch auf die verlegten bzw. neuen Geschäfte. Gemäß Punkt 5. ist die klagende Partei berechtigt, bei Vertragsverletzungen der Beklagten neben dem Anspruch auf weitere Vertragserfüllung eine der richterlichen Mäßigung nicht unterliegende Konventionalstrafe in der Höhe der von der klagenden Partei erbrachten Leistungen zu begehren. Seit Mai 1985 betreibt die Beklagte auch ein Büffet am Badesee in Wald am Schoberpaß. Sie schloß damals ein Übereinkommen mit der Ö*** B*** AG und schenkt deren Bier im Büffet aus.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, in dem von ihr betriebenen Büffet ausschließlich und ununterbrochen Biere der klagenden Partei zu beziehen und den Bezug anderer inländischer oder ausländischer Biere zu unterlassen, weiters, der beklagten Partei den Betrag von S 11.800,-- samt 4 % Zinsen zu bezahlen. Die klagende Partei brachte vor, die Beklagte habe die vereinbarte Mindestbezugsmenge nicht erreicht. Der Wert der Leistungen der klagenden Partei betrage S 11.800,--, die Beklagte habe daher eine Konventionalstrafe in dieser Höhe zu bezahlen.

Die Beklagte wendete unter anderem ein, daß Büffet sei über zwei Kilometer vom Gasthaus entfernt, für diese zweite Bierverkaufsstelle habe die Klägerin kein Äquivalent angeboten, sodaß der angesprochenen Leistung keine Gegenleistung gegenüberstehe. Die generelle Einbeziehung aller wie immer zu bezeichnenden künftigen Standorte in das Lieferungsübereinkommen sei rechts- und sittenwidrig. Dies umsomehr, als die Verpflichtung zum Bezug von 400 Hektoliter Bier ausschließlich auf den Standort Wald am Schoberpaß 102 "ausgelegt" worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Ansicht, das Lieferungsübereinkommen sei weder rechts- noch sittenwidrig.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Es führte aus, ein Bierbezugsvertrag verstoße zwar weder gegen ein gesetzliches Verbot, noch sei er schon an sich sittenwidrig. Werde die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit des Gastwirtes aber im Einzelfall in unvertretbarer Weise eingeengt, sodaß er in eine mit den Anschauungen des redlichen Geschäftsverkehrs nicht mehr zu vereinbarende Abhängigkeit zur Brauerei gerate, sei Sittenwidrigkeit anzunehmen. Die sittenwidrige Vertragsklausel sei dann auf ein billiges und daher nicht zu beanstandendes Ausmaß zu reduzieren. Im vorliegenden Fall hätten die Parteien bei Abwägung von Leistung und Gegenleistung wohl nur den Gasthausbetrieb der Beklagten in Wald am Schoberpaß 102 im Auge gehabt. Die Leistung der klagenden Partei habe nur in der Finanzierung einer Kompressoranlage für diesen Betrieb bestanden. Die weitergehende Vereinbarung, daß der Vertrag auch für neu zu eröffnende Geschäfte der Beklagten Geltung haben solle, bürde der Beklagten eine weitere Verpflichtung auf, der keine Gegenleistung gegenüberstehe. Durch die Ausdehnung des Lieferungsübereinkommens auch auf neueröffnete Geschäfte werde daher die wirtschaftliche Entscheidungsfähigkeit der Beklagten eingeschränkt, sodaß dieser Vertragspunkt sittenwidrig und daher nichtig sei. Die Beklagte habe daher nicht vertragswidrig gehandelt, weshalb das Klagebegehren abzuweisen sei.

Die klagende Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, in der sie die Wiederherstellung des Ersturteils beantragt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre sind Bierbezugsverträge an sich nicht sittenwidrig, eine Sittenwidrigkeit wird aber angenommen, wenn im Einzelfall die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit des Gastwirtes in unvertretbarer Weise eingeengt wird, sodaß er in eine mit den Anschauungen des redlichen Geschäftsverkehrs nicht mehr zu vereinbarende Abhängigkeit von der Brauerei gerät (JBl 1983, 321 mwN; SZ 56/144 mwN ua). Als sittenwidrig wurde insbesondere eine zeitlich unbeschränkte Bezugsverpflichtung angesehen (Soergel Siebert I Rdz 106 zu § 138 BGB; HS 4353 ua). Zeitlich beschränkte Bindungen sind hingegen, falls keine anderen gravierenden Umstände hinzutreten, nicht zu beanstanden, insbesondere nicht, wenn der Dauer der Bindung eine adäquate Gegenleistung der Brauerei gegenüber steht (Soergel Siebert aaO; Reichsgerichtsrätekommentar 12 , Rdz 79 zu § 138 BGB). Die Bindung des Gastwirtes darf umso weiter gehen, als die Leistungen der Brauerei reichen (Mayer-Maly im Münchener Kommentar 2 , Rdz 68 zu § 138 BGB).

Im vorliegenden Fall bestand die Leistung der klagenden Partei in der Zahlung eines Betrages von S 11.800,--. Die Beklagte hatte dafür durch zehn Jahre hindurch ausschließlich Bier der klagenden Partei zu beziehen, wobei ein Mindestbezug von 400 Hektolitern festgelegt wurde und die klagende Partei bei Nichterreichen dieser Menge eine entsprechende Verlängerung der Vertragsdauer verlangen kann. Die Beklagte erhält daher als Gegenleistung pro Jahr S 1.180,-- bzw. pro Hektoliter Bier S 29,50. Bezieht sie innerhalb von 10 Jahren mehr als 400 Hektoliter, ist der von der klagenden Partei pro Liter bezahlte Betrag noch geringer. Erstreckt sich die Verpflichtung der Beklagten zum Bierbezug durch 10 Jahre auf weitere, erst nach Vertragsabschluß errichtete zusätzliche Bierverkaufsstellen, dann wird ihre Leistung, bei gleichbleibender Gegenleistung der klagenden Partei, umfangreicher. Die Parteien gingen bei der Abwägung, welche Gegenleistung die klagende Partei zu erbringen hat, ohne Zweifel nur vom Bierbezug für das Gasthaus der Beklagten in Wald am Schoberpaß 102 aus. Der Bierbezug durch 10 Jahre hindurch im Ausmaß von insgesamt 400 Hektolitern für dieses Gasthaus stellt jedoch die Mindestleistung dar, die die Beklagte zu erbringen hat. Eröffnet sie weitere Bierverkaufsstellen, dann erhöht sich die von ihr zu erbringende Leistung. Insofern ist die von der Beklagten zu erbringende Leistung überhaupt nicht begrenzt, die klagende Partei hat hingegen keine zusätzliche Leistung zu erbringen. Dem Bezug von Bier für weitere Verkaufsstellen steht daher keine adäquate Gegenleistung der klagenden Partei gegenüber. Insoweit ist die Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Beklagten daher sittenwidrig. Die Revisionswerberin bekämpft diese schon vom Berufungsgericht vertretene Ansicht gar nicht, sondern führt aus, durch Punkt 6. des Vertrages solle verhindert werden, daß sich ein Gastwirt seiner Verpflichtungen aus dem Vertrag durch Verlegung des Lokals oder Eröffnung eines in der Nähe befindlichen weiteren Lokales und Verlagerung des Kundenstockes in dieses Lokal, entzieht. Daß dies hier der Fall war, haben die Kläger aber nie vorgebracht. Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem festgestellten Sachverhalt. Es ist nicht anzunehmen, daß der Kundenstock für ein in einem Ort befindlichen Gasthaus und ein davon zwei Kilometer entferntes Büffet an einem Badesee derselbe ist. Es kann daher mangels eines entsprechenden Vorbringens in erster Instanz nicht davon ausgegangen werden, daß sich durch die Eröffnung des Büffets der Bierkonsum im Gasthaus verringerte und somit Interessen der klagenden Partei beeinträchtigt wurden. Bei der Behauptung, der jährliche Bierbezug der Beklagten für das Gasthaus liege weit unter 40 Hektoliter, sodaß die Einbeziehung der neuen Verkaufsstelle keine Ausweitung der vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten bedeute, handelt es sich um eine unzulässige Neuerung. Feststellungen über die von der Beklagten bezogenen Biermengen sind daher nicht erforderlich. Aus diesen Gründen hat das Berufungsgericht das Klagebegehren zutreffend abgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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