European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2001:E62026
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Den Revisionen wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Im Gemeindegebiet von N* liegt auf öffentlichem Wassergut ein Rückhaltebecken, das in den Jahren 1910/1911 im Rahmen der Wildbach- und Lawinenverbauung errichtet wurde. Nach Schotterentnahmen in den Jahren 1992 bis 1994 bildete sich ein kleiner Stausee, in welchem am 11. 7. 1995 die am 30. 11. 1984 geborene Carina Z* sowie in weiterer Folge bei Rettungsversuchen auch Corinna Z* und Alfred Z* ertranken.
Die erst‑, zweit- und drittbeklagte Partei machten gegen die klagende Partei Regressansprüche geltend. Die Viertbeklagte machte als Ehegattin, Mutter bzw Großmutter der Verunglückten beim Bezirksgericht Imst Beerdigungskosten in der Höhe von S 72.674 geltend, die ihr auch rechtskräftig zuerkannt wurden. Sie fordert aber weitere Begräbniskosten und entgangenen Unterhalt.
Die klagende Partei begehrt die Feststellung, nicht für die Schäden zu haften, die aus diesem Unfall resultieren. Sie brachte dazu vor, durch die Schaffung eines Rückhaltebeckens werde wohl eine gewisse Gefahrensituation geschaffen. Die daraus resultierenden Sorgfaltspflichten dürften aber nicht überspannt werden. In Österreich bestünden 1000 gleichartige Becken, bei welchen sich nie Unfälle der vorliegenden Art ereignet hätten. Es sei für die Klägerin eine Gefahr nicht erkennbar gewesen. Das Rückhaltebecken sei auch nicht leicht zugänglich, weil es erforderlich sei, etwa 200 m an der stark befahrenen F*‑Straße entlangzugehen. Der Forstweg, der zum Rückhaltebecken führe, sei kein Wanderweg. Bei einer Wassertemperatur von 5ø bis 7ø sei das Baden im Stausee untunlich.
Die Beklagten wendeten ein, die Bindungswirkung der die volle Haftung der klagenden Partei bejahenden Entscheidung des Bezirksgerichtes Imst erstrecke sich auf alle Beklagten. Im Übrigen bestehe die von der klagenden Partei bestrittene Haftung zu Recht. Die klagende Partei sei über das Rückhaltebecken verfügungsberechtigt gewesen und habe durch Schotterentnahmen wirtschaftliche Vorteile erzielt. Sie habe es unterlassen, das Zumutbare zu unternehmen, um die von dem Becken ausgehenden Gefahren abzuwenden. Am Rand des Stausees habe eine nicht unerhebliche und für die klagende Partei erkennbare Gefahrenquelle bestanden, die sie zu entsprechenden Vorkehrungen (Warntafeln, Absperrungen) verpflichtet hätte. Haftungsbegründend sei das Auseinanderklaffen der tatsächlichen Gefahr und dem Anschein der Ungefährlichkeit. Die klagende Partei habe überdies auch mit unbeaufsichtigt spielenden Kindern rechnen müssen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es folgende Feststellungen traf:
Nachdem sich das Rückhaltebecken bis zur Ebene der Oberkante der Staumauer mit Schotter gefüllt hatte, wurden in den Jahren 1992 bis 1994 Ausbaggerungen vorgenommen; der gewonnene Schotter wurde für den Bau einer Umfahrungsstraße verwendet. Am oberen Ende des Rückhaltebeckens wurde das Bodenniveau durch die Ausbaggerung um 3 bis 5 m vertieft, wobei eine 45ø steile Böschung aus losem Schottermaterial hergestellt wurde. Der Schotter ist lose und daher auch besonders gefährlich. Bei Betreten der Böschung sank man durch das lose Geröll ab. Die Böschung wäre nicht weiter gefährlich gewesen, hätte sich kein Wasserrückstau gebildet.
Als Folge der Absenkung des Niveaus des Rückhaltebeckens und durch Verklausungen der Wasseröffnung an dessen Sohle durch Holz bildete sich im Becken ein Wasserrückstau (Stausee) im Ausmaß von ca 80 x 50 m und einer Wassertiefe von 2 m. Die Wassertemperatur betrug 9ø Celsius.
Die beiden Bäche, die den Stausee speisten, flossen etwa 50 m oberhalb des Einlaufs zusammen. Beim Einauf des Baches in den Stausee, also bei der Unfallstelle, war das Bachgerinne etwa 20 cm tief und befand sich in der Mitte. In dem Gerinne bildete sich sofort eine Zunge, weil Schotter angeschwemmt wurde, der sehr lose und daher auch gefährlich war. Wenn man mit den Füßen daraufstieg, versank man sofort. Im See selber war aufgrund der noch nicht lange zurückliegenden Baggerarbeiten kaum eine Zunge vorhanden, nur auf der 45ø abfallenden, 4,0 bis 4,5 m tiefen Seeböschung beim Einlauf des Baches befand sich dieser lose Schotter. Die Rettung eines als Folge des losen Gerölles Versinkenden ist ohne spezielle Ausrüstung nicht möglich.
Insgesamt war die spezielle Gefährlichkeit des Rückhaltebeckens im Unfallszeitpunkt auch für einen durchaus sorgfältigen Menschen nicht erkennbar.
Das Rückhaltebecken ist von der Bundesstraße aus über einen Zufahrtsweg zugänglich, der am Beginn mit einem Fahrverbotsschild gekennzeichnet ist. Warnschilder, die auf die Gefährlichkeit des Betretens des Beckens hingewiesen hätten, waren nicht vorhanden. Als einzige Sicherungsmaßnahme war im Bereich des Wehres ein Zaun aufgestellt. Der Zufahrtsweg verlief parallel zum Staubecken, etwa 50 bis 100 m vom Wehr bis zu einer Rampe, die hinunter ins Staubecken führt. Von der Staumauer aufwärts gesehen gelangt man die ersten 30 bis 40 m nicht sehr leicht zu dem Staubecken hinunter, weil sich hier eine etwas steilere Böschung erstreckt, die in der Nähe des Wehres gemauert und befestigt ist.
Am 11. 7. 1995 hielten sich Alfred Z*, seine Tochter Corinna Z*, seine Enkelin Carina Z* und eine Freundin derselben im Bereich des oberen Rückhaltebeckens auf. Mit Erlaubnis von Alfred und Corinna Z* begab sich Carina Z* zum Beckenrand am Beginn des Bacheinlaufs, rutschte ab und wurde in das Rückhaltebecken hingezogen. Um ihr zu Hilfe zu kommen, sprang Corinna Z* vollbekleidet in den Stausee. Sie konnte zwar das Kind noch erfassen, rutschte aber auf dem losen Schotter auf der relativ steilen Böschung aus und versank zusammen mit dem Kind. Der lose Schotter hatte eine starke Sogwirkung nach unten. Daraufhin sprang auch Alfred Z* ins Wasser ging ebenfalls unter. Carina und Alfred Z* konnten nicht schwimmen. Alle drei Personen konnten nur mehr tot geborgen werden.
In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht eine Haftung der klagenden Partei und führte aus, jeder, der eine Gefahrenquelle schaffe oder in seiner Sphäre bestehen lasse, habe dafür zu sorgen, dass niemand geschädigt werde. Wer eine Gefahrenquelle schaffe, müsse die notwendigen Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung nach Tunlichkeit abzuwenden, soweit eine solche Gefahrenquelle bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt für ihn erkennenbar sei. Die Gefahrenquelle sei hier durch die Anlage des Rückhaltebeckens und durch die Schaffung einer steilen losen Schotterböschung in Verbindung mit dem Wasserückstau entstanden. Die klagende Partei als Eigentümerin des Grundes habe eine rechtliche Verfügungsmöglichkeit über das Rückhaltebecken gehabt, weshalb sie die Verkehrssicherungspflicht treffe. Es sei ihr die Gefahrenquelle auch durchaus erkennbar gewesen, weil sie durch die Wildbach- und Lawinenverbauung die Kontrollmaßnahmen bezüglich des Beckens durchgeführt habe. Es wäre daher an ihr gelegen, gegen die aus dem Rückhaltebecken erfließenden Gefahren die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Schädigungen zu vermeiden. Zwar dürften die Sorgfaltspflichten nicht überspannt werden, doch wäre es der klagenden Partei durchaus zumutbar gewesen, zumindest ein Schild, das auf die Gefährlichkeit des Beckens hinweise, aufzustellen, zumal zum einen der gesamte Bereich relativ leicht zugänglich sei und zum anderen durch die Aufstellung einer Warntafel die Haftung ausgeschlossen oder wenigstens begrenzt werden könne. Darüber hinaus sei die Gefährlichkeit des Rückhaltebeckens nicht ohne weiteres erkennbar gewesen. Ein Mitverschulden der Verunglückten liege nicht vor, weil sie die Gefahr nicht hätten erkennen können.
Aufgrund der Verletzung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten hafte die klagende Partei für Schäden aus dem gegenständlichen Unfall, weshalb das Klagebegehren abzuweisen sei.
Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es dem Feststellungsbegehren stattgab; es sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.
Das Berufungsgericht führte unter Berufung auf die Rechtsprechung aus, die Verkehrssicherungspflichten dürften nicht überspannt werden. Eine im Gesetz nicht vorgesehene verschuldensunabhängige Haftung könne nur vermieden werden, wenn man alle maßgeblichen Kriterien einer strengen ex‑ante‑Betrachtungsweise unterziehe. Die objektive Gefährlichkeit des Rückhaltebeckens sei ohne Zweifel gegeben. Alle fließenden Gewässer, insbesondere auch jene, die Wildbachverbauungsmaßnahmen erforderten, seien ständig oder auch nur zeitweise mit unabsehbaren Gefahren verbunden, mit denen jeder rechnen müsse. Dies treffe auch auf natürliche Seen oder Stauseen zu, die von einem fließenden Gewässer gebildet worden seien, weil solche Seen ständig Veränderungen unterworfen seien, dies insbesondere auch in den Bereichen unterhalb der Wasseroberfläche. Daraus ergebe sich, dass sich niemand darauf verlassen könne, dass das Ufer eines fließenden Gewässers, aber auch eines durch ein fließendes Gewässer gebildeten Stausees, auf ungefährliche Weise betreten werden könne. Maßgeblich sei demnach nicht, ob die Gefährlichkeit des vorliegenden Rückhaltebeckens auch für einen sorgfältigen Menschen erkennbar gewesen sei, sondern, ob ein durchschnittlich sorgfältiger Mensch nach den ihm erkennbaren Umständen eine Gefährdung durch das Betreten des Ufers ausschließen habe können. Unfälle im Bereich solcher Gewässer könnten realistischerweise nämlich nur dann vermieden werden, wenn im Zweifel von einer bedenklichen Situation ausgegangen werde. Der Eigenverantwortung jener, die sich einem nicht zweifelsfrei ungefährlichen Gewässer näherten, komme daher eine überragende Bedeutung zu.
Die Eigenverantwortung könne von Kindern nicht erwartet werden, weshalb besondere Sicherungsmaßnahmen dort getroffen werden müssten, wo mit unbeaufsichtigten Kindern gerechnet werden müsse. Davon sei im vorliegenden Fall aber nicht auszugehen. Die klagende Partei habe daher damit rechnen können, dass die Eigenveranwortung durch geeignete Aufsichtspersonen wahrgenommen werde.
Die für das Rückhaltebecken verantwortliche klagende Partei habe für den Sorgfaltsmaßstab nach § 1299 ABGB einzustehen.
Überdies seien angesichts der nahezu unübersehbaren Anzahl von Wildbachverbauungsanlagen bauliche Maßnahmen, etwa im Sinne von Böschungsverflachungen oder Abzäunungen, schlechthin unzumutbar. In Frage komme daher nur eine Absicherung durch Warntafeln, deren Beachtung aber auch nicht gewährleistet sei.
Die klagende Partei habe sich zu Recht darauf berufen, dass sie für viele tausende gleichartige Rückhaltebecken verantwortlich sei und dass unter diesem Aspekt die Sorgfalts- und damit auch Warnpflichten nicht überspannt werden dürften. Bei der anzustellenden ex‑ante‑Betrachtung könne nämlich nicht insoliert auf den Aufwand und die Auswirkungen von Maßnahmen abgestellt werden, die für das gegenständliche Rückhaltebecken angemessen gewesen wären, sondern auf alle gleichartigen, in die Sphäre der klagenden Partei fallenden Gefahrenstellen im Bereich des öffentlichen Wassergutes, was zu einer unübersehbaren Anzahl von Warntafeln im Bereich und entlang öffentlicher Gewässer führen würde. So müssten etwa steil abfallende oder unterspülte Sandbänke in Flüssen oder trügerische Eisdecken auf Seen in ganz Österreich überwacht und mit Warnschildern versehen werden. Dass an der konkreten Unfallstelle der Eigenverantwortung der für das betroffene Kind aufsichtspflichtigen Personen nicht entsprochen worden sei, sei für die klagende Partei nicht voraussehbar gewesen, weshalb für sie kein Anlass bestanden habe, die gegenständliche Unfallstelle anders zu behandeln, als die unübersehbar vielen anderen.
Bei einer Wassertemperatur von unter 10ø Celsius habe die klagende Partei auch nicht mit einer Badetätigkeit rechnen müssen.
Die Beklagten könnten sich nicht auf eine Bindungswirkung des die Schadenersatzpflicht der klagenden Partei bejahenden Urteiles des Bezirksgerichtes Imst berufen. Die inhaltliche Bindung an die Entscheidung eines Vorprozesses beschränke sich als Folge der Rechtskraft grundsätzlich auf die Parteien und den geltend gemachten Anspruch, über den im Urteil entschieden worden sei. Bezüglich der erst- bis drittbeklagten Partei fehle es sowohl an der Partei- als auch an der Anspruchsidentität. Die Viertbeklagte erhebe neue Ansprüche, gegen welche sich die klagende Partei ohne Bindung an den Vorprozess zur Wehr setzen könne.
Dagegen erhoben die erst- bis drittbeklagte Partei und die viertbeklagte Partei Revision mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt. Die klagende Partei hat in den ihr freigestellten Revisionsbeantwortungen beantragt, die Rechtsmittel der beklagten Parteien zurückzuweisen, in eventu, ihnen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen sind zulässig, weil sich das aus der Verkehrssicherungspflicht ergebende Tun objektiv zumutbar sein muss (Reischauer in Rummelý, Rz 3 zu § 1294 mwN), weshalb sich die klagende Partei nicht darauf berufen kann, dass ihr wegen der Vielzahl der in ihre Sphäre fallenden Gefahrenstellen die Aufstellung von Warntafeln nicht zumutbar wäre. Die Rechtsmittel der beklagten Parteien sind im Sinne der darin gestellten Eventualanträge auf Aufhebung auch berechtigt.
Sämtliche beklagte Parteien wenden sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, es seien der klagenden Partei entsprechende Sicherungsmaßnahmen nicht zumutbar. Es sei nicht so, dass jedes Gewässer schon wegen abstrakter Ertrinkungsgefahr mit Warntafeln versehen müsse, sondern sei lediglich vor spezifischen Gefahren (das Schotterbecken sei geradezu zur Falle geworden) zu warnen. Gerade aus der im gegenständlichen Fall vorliegenden Divergenz zwischen einer zum Spielen einladenden Idylle einerseits und nicht erkennbarer Gefährlichkeit anderseits ergebe sich die Verpflichtung der Organe der klagenden Partei zum Handeln. Die Viertbeklagte macht in ihrem Rechtsmittel überdies geltend, es bestehe eine Bindung an die Entscheidung des BG Imst, in der die Haftung der klagenden Partei bejaht worden sei. Es möge wohl richtig sein, dass zwischen dem Begehren im Verfahren vor dem BG Imst auf Zahlung von Beerdigungskosten und dem nunmehrigen Begehren keine Identität vorliege. Es werde in der Rechtsprechung aber die Meinung vertreten, dass selbst mangels Identität des Begehrens das Urteil eines Vorprozesses zufolge seiner materiellen Rechtskraft zur inhaltlichen Bindung des später entscheidenden Gerichtes führe, insbesondere, wenn Parteien und rechtserzeugender Inhalt identisch seien und beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang stünden, dass die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung nicht gestatteten. Insbesondere das Gemeinschaftsrecht billige der Rechtssicherheit und Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine überragende Bedeutung zu und wolle unter allen Umständen widersprechende Entscheidungen vermeiden. Der zweite Halbsatz des ersten Satzes des § 411 Abs 1 ZPO widerspreche dem Gemeinschaftsrecht und sei daher auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anzuwenden. Der EuGH habe zu Art 21 EuGVÜ ausgesprochen, dass dieser Artikel dann Anwendung finde, wenn die Parteien der beiden Prozesse dieselben seien und wenn beide Klagen wegen desselben Anspruches anhängig gemacht worden seien. Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn beide Rechtsstreitigkeiten den gleichen Gegenstand hätten, wobei dieser Begriff nicht auf die formale Identität der Parteien beschränkt werden könne. Klagen stünden im Sinne dieses Artikels im Zusammenhang, wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben sei, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheine, um zu vermeiden, dass im getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten. Dieser Zusammenhang sei zwischen dem Vorprozess im Verfahren vor dem BG Imst und dem gegenständlichen jedenfalls gegeben.
Hiezu wurde erwogen:
Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, hat jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder in seinem Bereich bestehen lässt, dafür zu sorgen, dass sie niemanden schädigt (Koziol/Welser, II11, 284; Koziol, Haftpflichtrecht IIý, 61 f). Die Verkehrssicherungspflichten treffen denjenigen, der die Gefahr erkennen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen kann, also jenen, der die Gefahr beherrscht (Koziol, aaO, 63), d.i. im vorliegenden Fall die klagende Partei. Ohne Zweifel haftete dem Rückhaltebecken, in dem Carina, Corinna und Alfred Z* ertranken, eine besondere Gefährlichkeit an. Die Gefährlichkeit an sich begründet aber noch keine Verkehrssicherungspflicht, sondern entsteht die Verpflichtung zu Sicherheitsvorkehrungen nur dann, wenn die Gefahr erkennbar ist und durch zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann (SZ 37/97; SZ 64/23 ua). Das Erstgericht hat im Rahmen der rechtlichen Beurteilung die Erkennbarkeit der besonderen Gefährlichkeit bejaht, doch reichen seine Tatsachenfeststellungen nicht aus, um diese Frage abschließend zu klären. Einerseits wurde nämlich festgestellt, dass auch für einen durchaus sorgfältigen Menschen die Gefährlichkeit nicht erkennbar war, anderseits aber ausgeführt, dass die Erkennbarkeit für die klagende Partei gegeben war. Es fehlt aber an Tatsachenfeststellungen, die diese Schluss zulassen, obwohl die klagende Partei eingewendet hat, die Gefährlichkeit sei auch für sie nicht erkennbar gewesen. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren diese Frage mit den Parteien zu erörtern und Tatsachenfeststellungen zu treffen haben, aus denen sich ergibt, ob bei Errichtung oder in der Folge für einen sorgfältigen Errichter oder Betreiber einer solchen Anlage (maßgeblich ist der Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB) die bei dem Unfall zu Tage getretene besondere Gefährlichkeit erkennbar war.
Der Ansicht des Berufungsgerichtes, dass sich niemand darauf verlassen könne, dass das Ufer eines fließenden Gewässers auf ungefährliche Weise betreten werden könne, vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Ein allgemein bekannter Erfahrungssatz, dass das Betreten eines Ufers eines fließenden Gewässers gefährlich sei, ist ihm fremd. Es erscheint dem erkennenden Senat vielmehr lebensfremd, ohne besondere Hinweise jedes Ufer eines fließenden Gewässers für gefährlich zu erachten. Vielmehr bedarf es eines besonderen Hinweises um eine Gefährlichkeit zu erkennen (wie zB Unterwaschungen), doch waren eben hier derartige Hinweise nach den Feststellungen des Erstgerichtes nicht gegeben. Es ist daher nicht richtig, dass die klagende Partei darauf vertrauen konnte, dass niemand das Gewässer betreten werde bzw die Aufsichtspflichtigen eines Kindes dieses am Betreten hindern werden. Auch die tiefe Wassertemperatur berechtigte die klagende Partei nicht zur Annahme, niemand werde die Gefahrenstelle betreten. Schließlich werden seichte Gewässer (vor allem bei hoher Lufttemperatur) auch dann betreten, wenn die Wassertemperatur sehr niedrig ist. Zutreffend ist zwar, dass die Verkehrssicherungspflicht nicht überspannt und dadurch ein in Wahrheit vom Verschulden losgelöste Haftung angestrebt werden darf; sie ist vielmehr auf das zumutbare Maß zu beschränken (ZVR 1989/28; RZ 1992/77 ua). Die Zumutbarkeit ist aber nach objektiven Kriterien zu beurteilen (Reischauer in Rummelý, ABGB, Rz 3 zu § 1294; Rz 2 zu § 1297 mwN). Die klagende Partei kann sich daher nicht darauf berufen, dass sie einer Warnpflicht wegen der Vielzahl der Gewässer, die in ihrem Eigentum stehen, nicht nachkommen kann. Vielmehr wäre es der klagenden Partei durchaus zumutbar, bei der hier gegebenen besonderen Gefahr (Lebensgefahr) auf diese durch die Errichtung entsprechender Tafeln hinzuweisen. Es ist auch keine übersehbare Zahl von Warntafeln zu befürchten, weil wohl nicht bei allen Gewässern eine solche Gefahr gegeben ist. Dass im vorliegenden Fall Corinna und/oder Alfred Z* bei Vorliegen einer entsprechenden Warntafel Carina Z* am Betreten des Wassers gehindert hätten, ist evident. Dies hätte aber dann auch in weiterer Folge dazu geführt, dass sie selbst nicht ertrunken wären.
Zu Recht hat allerdings das Berufungsgericht eine Bindung an die im Vorprozess ergangene Entscheidung des BG Imst verneint. Die materielle Rechtskraftwirkung gilt grundsätzlich nur bei Identität des Anspruches, der Parteien und des rechtserzeugenden Sachverhaltes (RIS‑Justiz RS0041572; JBl 1999, 675). Im vorliegenden Fall fehlt es teils an der Identität der Parteien und jedenfalls an der Anspruchsidentität. Allerdings wird auch die Meinung vertreten, dass selbst mangels Identität des Begehrens ein Urteil eines Vorprozesses zufolge seiner materiellen Rechtskraft zur inhaltlichen Bindung des später entscheidenden Gerichts führen könne, insbesondere, wenn Parteien und rechtserzeugender Inhalt identisch seien und beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang stünden, dass die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben, in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatteten. Auch der erkennende Senat ist aber der Auffassung, dass die Entscheidungsharmonie zwar grundätzlich erstrebenswert ist, die Grenzen der materiellen Rechtskraft allein deshalb aber nicht ausgeweitetet werden können. Mit dem Gedanken der Rechtssicherheit ist es durchaus auch vereinbar, bei Beurteilung eines neuen Anspruches Konsequenzen aus der erkannten Unrichtigkeit einer Vorentscheidung zu ziehen und jene nicht einfach fortzuschreiben (RIS‑Justiz RS0102102; 5 Ob 12/99x = immolex 1999, 142 = RdW 1999, 414 = RZ 1999/52 = WoBl 2000, 57 = MietSlg 51.683). Dass das LGVÜ (bzw EuGVÜ) eine generell andere Sicht nicht gebietet, wurde bereits in der Entscheidung JBl 1999, 675 näher ausgeführt. Die Vorschriften des 8. Abschnittes dieses Übereinkommens gelangen nur dann zur Anwendung, wenn mehrere Verfahren in verschiedenen Vertragsstaaten anhängig sind, auf Binnensachverhalte ist das LGVÜ nicht anzuwenden (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, Art 21 Rz 3). Dass es zur ergänzenden Interpretation inländischen Rechts, insbesondere der Rechtskraftvorschriften herangezogen werden darf, ist durchaus zweifelhaft (s JBl 1999, 675 und 5 Ob 12/99x). Selbst eine Interpretation unter dem Blickwinkel des LGVÜ würde aber zu einer Bindung im vorliegenden Fall nicht führen. Wie der EuGH zu Art 21 EuGVÜ ausgesprochen hat (Slg der Rsp 1987 S 4861 Gubisch/Palumbo), findet Art 21 EuGVÜ dann Anwendung, wenn die Parteien der beiden Prozesse dieselben sind und wenn beide Klagen wegen desselben Anspruchs anhängig gemacht worden sind. Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn beide Rechtsstreitigkeiten den gleichen Gegenstand hätten, wobei dieser Begriff nicht auf die formelle Identität der beiden Klagen beschränkt werden könne. Insbesondere müsse vermieden werden, dass die Anerkennung einer in einem Vertragsstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidung, durch die die Verurteilung zur Erfüllung eines Vertrages ausgesprochen werde, im ersuchten Staat abgelehnt werde, wenn eine Entscheidung eines Gerichtes dieses Staates vorläge, die die Unwirksamkeit oder die Auflösung desselben Vertrages ausspreche. Ein solches Ergebnis, das die Wirkung jeder gerichtlichen Entscheidung auf das nationale Hoheitsgebiet beschränke, liefe den Zielen des Übereinkommens zuwider, das auf eine Verstärkung des Rechtsschutzes innerhalb der gesamten Gemeinschaft und einer Erleichterung der Anerkennung der in jedem Vertragsstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidung in jedem anderen Vertragsstaat gerichtet sei. Die hier vorliegenden Fallkonstellation (rechtskräftiger Zuspruch von Beerdigungskosten an die Vierbeklagte gegenüber dem Feststellungsanspruch der klagenden Partei, dass keine Haftung besteht) kann dem Begriff "desselben Anspruchs" im Sinn des Art 21 Abs 1 LGVÜ nicht gleichgehalten werden, weshalb eine Bindung an die Entscheidung des BG Imst zu verneinen ist.
Es bedarf daher der schon oben erwähnten Verfahrensergänzungen durch das Erstgericht.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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