OGH 2Ob439/54

OGH2Ob439/5416.9.1954

SZ 27/232

Normen

Reichsgesetz betreffend die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §145
GOG §37 Abs1 Z12
HGB §146
Reichsgesetz betreffend die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §145
GOG §37 Abs1 Z12
HGB §146

 

Spruch:

§ 37 Abs. 1 Z. 2 GOG. wird durch die Neufassung des § 145 FGG. nicht berührt.

Entscheidung vom 16. September 1954, 2 Ob 439/54.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Erstgericht bestellte mit dem Beschluß vom 12. Jänner 1954 den Rechtsanwalt Dr. Alexander P. gemäß § 146 Abs. 2 HGB. zum Liquidator der aufgelösten offenen Handelsgesellschaft J. & Co. Aus Anlaß des Rekurses der Erbin nach dem Gesellschafter Heinrich J. hob das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß als nichtig auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Beschlußfassung in der gesetzmäßigen Senatsbesetzung auf. Das Rekursgericht war der Meinung, daß nach § 2 Z. 3 der Verordnung des Staatsamtes für Justiz über die Zuständigkeit zur Führung des Handelsregisters vom 10. Dezember 1945, BGBl. Nr. 21/46, für die Erledigung der Gerichtshof in Senatsbesetzung zuständig sei. Im § 37 Abs. 1 Punkt 12 GOG. sei die Beschlußfassung des Senates des Gerichtshofes über die Bestellung oder Abberufung von Liquidatoren gemäß §§ 146 Abs. 2, 147 HGB. nicht ausgenommen. Der Beschluß sei daher als nichtig aufzuheben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Gesellschafterin Elfriede H. Folge und trug dem Rekursgericht die sachliche Entscheidung über den Rekurs der Theresie J. auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist begrundet. Vor Einführung des deutschen Handelsgesetzbuches und des 7. Abschnittes "Handelssachen" des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit den in der 4. Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich vom 24. Dezember 1938, RGBl. I S. 1999 angeführten Ausnahmen unterlag es für die Rechtsprechung und die Rechtslehre keinem Zweifel, daß die Zuständigkeit des Registergerichtes für die Berufung und Abberufung des Liquidators begrundet ist. Diese Anschauung wurde damit begrundet, daß es sich um einen Verwaltungsakt für ein selbständiges, eine geschlossene Einheit bildendes Vermögen handle, an dessen Verwaltung sich das Registergericht schon dadurch beteiligt habe, daß es durch seine Registerführung die Entstehung dieses Sondervermögens und andere dieses betreffende Veränderungen beurkundet habe. Hiezu kam noch die Erwägung, daß das Registergericht auch sonst noch dafür zu sorgen hat, daß für eine aufgelöste Gesellschaft Liquidatoren eingetragen werden, woraus folgt, daß es zu deren Bestellung behilflich sein muß (Bettelheim, Staubs Kommentar zum Allgemeinen Deutschen HGB., I, S. 575). Nach § 37 Z. 12 des Gerichtsorganisationsgesetzes bedarf es bei Gerichtshöfen erster Instanz keiner Beschlußfassung des Senates, wenn es sich um Eintragungen in das Handelsregister handelt, deren Erledigung nach dem Gesetze zweifellos ist. Nach § 125 des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit sind die Amtsgerichte für die Führung des Handelsregisters zuständig. In der deutschen Rechtslehre war es früher strittig, ob für die Ernennung und Abberufung von Liquidatoren einer offenen Handelsgesellschaft die Zuständigkeit der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt gegeben war (RGZ. 13, 155 ff.). In den Angelegenheiten, für deren Erledigung das Handelsgesetzbuch und das Aktiengesetz eine gerichtliche Mitwirkung vorsehen, ohne indessen das sachlich zuständige Gericht zu bezeichnen oder das Verfahren zu ordnen, sollten die §§ 145, 146 (und 148) des FGG. ergänzend eingreifen (Schlegelberger, Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 6. Auflage, 2. Band, S. 721). Mit der Verordnung des Staatsamtes für Justiz vom 10. Dezember 1945 über die Zuständigkeit zur Führung des Handelsregisters, BGBl. Nr. 21/46, sollte hinsichtlich der Zuständigkeit der Gerichtshöfe erster Instanz zur Führung des Handelsregisters der frühere Zustand wieder hergestellt werden. Eine Neufassung des § 145 FGG. war deshalb erforderlich, weil das FGG. entsprechend der deutschen Rechtslehre die Zuständigkeit für die Führung des Handelsregisters und die Zuständigkeit für die in § 145 FGG. angeführten Angelegenheiten gesondert behandelt. Das Gesetz enthält jedoch keinen Hinweis, daß es über den früheren Zustand hinausgehen und die im § 37 Abs. 1 Z. 12 dem Einzelrichter gegebene Befugnis gegenüber der früheren, auf viele Jahrzehnte zurückgehenden und durch die Rechtslehre gebilligten Übung einschränken wollte. Eine Auslegung der erwähnten Verordnung des Staatsamtes für Justiz, die der Entstehungsgeschichte und der österreichischen Überlieferung nicht gerecht wird, ist abzulehnen. Die Befugnis des Einzelrichters zur Erlassung der in Rede stehenden Verfügung muß daher als gegeben angesehen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte