Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.014,40, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist seit zumindest 1991 Eigentümerin der rund 1.000 m2 großen Liegenschaft EZ 153 GB B*****, bestehend aus den Grundstücken 402/Garten und 344 Baufläche - Wohnhaus. Zugunsten der Klägerin, welche bis zum Jahre 1978 Eigentümerin dieser Liegenschaft war, wurden darauf gemäß Punkt 3 des Übergabsvertrages vom 28.4.1978 folgende Ausgedingsrechte einverleibt:
"a) Zur Alleinbewohnung die im Erdgeschoß des Vertragshauses links vom Hauseingang gelegenen zwei Zimmer samt freier Beleuchtung und Beheizung, Reinigung und Instandhaltung mit dem Rechte der Mitbenützung der Wohnküche, der sanitären Anlagen, des Kellers und des Dachbodens und des freien Aufenthaltes im Garten.
b) Die dem jeweiligen Alter und Gesundheitszustande angepaßte Verköstigung zu allen Mahlzeiten, entweder am Tische der Übernehmer oder nach Wunsch der Berechtigten in die Ausgedingswohnung gestellt.
c) Die liebevolle Pflege und Betreuung in gesunden und kranken Tagen, Reinigung der Wäsche, Kleider und Schuhe einschließlich der Bettwäsche und im Bedarfsfalle die Bereitstellung der ärztlichen Hilfe und der verordneten Medikamente und Heilmittel".
Mit rechtskräftigem Urteil vom 2.2.1995 wurde die Beklagte unter Bejahung des von der Klägerin behaupteten Unvergleichsfalles zur Zahlung eines Betrages von S 149.522,10 verurteilt. Dieser Entscheidung liegt ein Zeitraum vom 1.4.1993 bis 31.10.1994 zugrunde.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin unter Berufung auf ihre grundbücherlich sichergestellten Rechte und den im Vorverfahren festgestellten Unvergleichsfall sowie eines seit Jänner 1995 eingetretenen erhöhten Pflegeaufwandes (wegen eines im Dezember 1994 erlittenen Bruches der linken Hand sowie sonst wesentlicher Verschlechterung der Gesundheit) die Zahlung von je 5.000 S für die Monate November und Dezember 1994, je 7.500 S für die Monate Jänner bis September 1995 und monatlich S 4.500 (unter Berücksichtigung von Zahlungen von monatlich S 3.000) für die Zeit vom 1.10.1995 bis 30.6.1996. Sie führte dazu aus, daß ein allfälliger Anspruch auf Pflegegeld die Beklagte nicht von dem im Übergabsvertrag aus 1978 begründeten Pflichten befreie.
Über den Betrag von S 33.000 (umfassend monatliche Beträge von je S 3.000 für die Zeit vom 1.11.1994 bis 30.5.1995) erging ein Teilanerkenntnisurteil.
Im übrigen bestritt die Beklagte und wendete ein, daß die Klägerin keiner Pflege bedürfe, weil sie ein monatliches Pflegegeld von 20.000 S beziehe. Würde die Klägerin auch von der Beklagten Pflegegeld beziehen, wäre sie ungerechtfertigt bereichert. Der Übergabsvertrag sei zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als es noch kein Pflegegebührengesetz gegeben habe. Seinerzeitiger Vertragsinhalt und Wille der Vertragsparteien sei es gewesen, daß die Liegenschaftsübernehmerin für den tatsächlichen, nachweislich erbrachten Aufwand aufzukommen habe und auch dies nur, sofern dieser nicht von dritter Seite getragen werde.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es im wesentlichen folgende Feststellungen traf:
Die Klägerin ist bei der täglichen Körperpflege sowie beim An- und Auskleiden auf fremde Hilfe angewiesen. Das Essen wird ihr regelmäßig gebracht. Sie kann sich in der Wohnung mit einem Stock bewegen. Die Beischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände sowie der Wäsche kann von ihr nicht selbst erledigt werden; dazu ist Mobilitätshilfe im weiteren Sinn zu leisten Aufgrund dieser Erkrankungen ist die Klägerin pflegebedürftig, es liegt ein Pflegebedarf nach Stufe 3 vor; die Klägerin bezieht ein monatliches Pflegegeld von 3.688 S. Sie wird von ihrer Tochter und deren Familie rund um die Uhr betreut. Für die Betreuung durch die Arbeitsvereinigung der Sozialhilfeverbände Kärnten (AVS) hat die Klägerin monatlich zwischen 2.500 S und 3.000 S aufzuwenden. Seit Jänner 1996 zahlt die Beklagte an die Klägerin monatlich 3.000 S.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht von dem bereits im Vorprozeß festgestellten Unvergleichsfall aus und vertrat die Ansicht, die von der Klägerin geltend gemachten Beträge von 5.000 S und 7.500 S monatlich seien angemessen. Der Übergabsvertrag aus dem Jahre 1978 biete keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß es der Wille der Vertragsparteien gewesen sei, daß lediglich für den tatsächlichen Aufwand aufzukommen sei, soferne dieser nicht von dritter Seite getragen werde.
Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.
Im Berufungverfahren wurde außer Streit gestellt, daß die Klägerin vom 1.12.1993 bis 31.7.1995 Pflegegeld nach der Stufe 2 erhielt und seit 1.8.1995 ein solches nach der Stufe 3 erhält.
In rechtlicher Hinsicht verwies das Berufungsgericht darauf, daß die Beklagte als Eigentümerin der belasteten Liegenschaft für die während der Zeit ihres Eigentums eingetretenen Fälligkeiten hafte. Bei vertragswidrig nicht erbrachten Ausgedingsleistungen sei der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger das Interesse zu leisten, das dem Wert der von ihm zu erbringenden Leistung entspreche, ohne daß es darauf ankomme, ob dem Gläubiger durch Ersatzvornahme Kosten entstanden seien. Daß ein Unvergleichsfall vorliege, sei aufgrund des Vorprozesses nicht mehr fraglich. Die Klägerin habe daher Anspruch auf den Wert der von der Beklagten zu erbringenden Leistungen; dieser sei mit 5.000 S bzw 7.500 S anzunehmen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sei das von der Klägerin bezogene Pflegegeld nicht zu berücksichtigen. Eine Vereinbarung der Vertragsparteien im Jahre 1978, wonach Leistungen Dritter zu berücksichtigen seien, liege nach dem völlig klaren Wortlaut des Übergabsvertrages nicht vor. Eine Berücksichtigung staatlicher Zuschüsse im Falle der Pflegebedürftigkeit wäre schon im Jahre 1978 möglich gewesen, habe es doch damals schon den sogenannten Hilflosenzuschuß gegeben.
Bei der klagsgegenständlichen Geldersatzforderung für die zu erbringenden Ausgedingsleistungen handle es sich um eine vertragliche Gegenleistung der Liegenschaftserwerber und von deren Rechtsnachfolgerin, der Beklagten. Daß Leistungen von dritter Seite die belastete Liegenschaft bzw deren Eigentümerin entlasten sollten, könne nach vertragsrechtlichen Grundsätzen nicht angenommen werden.
Der Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision wurde damit begründet, daß es sich bei der Frage der Anrechnung des staatlichen Pflegegeldes auf die von der Beklagten zu erbringenden Ausgedingsleistungen um eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO handle. Eine Gleichsetzung der bei Vertragsabschluß möglichen Berücksichtigung des Hilflosenzuschusses und des Pflegegeldes sei wegen des exorbitanten Unterschiedes in der Höhe dieser Zuschüsse nicht zwingend. Dem Ausgedingsanspruch könne zumindest bei der Übergabe der Liegenschaft an enge Verwandte auch Unterhaltscharakter beigemessen werden.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das noch unerledigte Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht aufgezeigten Gründen zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Die Beklagte vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, daß sich durch den Zuspruch der aus dem Übergabsvertrag der Klägerin zustehenden Ausgedingsleistung in Form von Pflegekosten und der gleichzeitig von der Klägerin aufgrund des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG) erlangten Pflegegelder eine unzulässige Doppelversorgung ergebe, welche bei Vertragsabschluß weder gewollt noch beabsichtigt gewesen sei. Zum Zeitpunkte des Übergabsvertrages habe nämlich das Bundespflegegeldgesetz noch nicht bestanden. Vertragswille sei nicht eine Doppelversorgung der Klägerin, sondern eine Absicherung für den Krankheits- und Pflegefall gewesen. Der zum Zeitpunkte des Vertragsabschlusses im Jahre 1978 bekannte Hilflosenzuschuß stelle allerdings einen Sonderbedarf dar, während das staatliche Pflegegeld aufgrund des Bundespflegegeldgesetzes eine Abgeltung von Pflegeleistungen sein solle, weshalb dem Pflegegeld auch Unterhaltscharakter zukomme. Das Pflegegeld könne daher nicht mit dem Hilflosenzuschuß verglichen werden. Aufgrund der nunmehr geltenden Bestimmungen des Bundespflegegeldgesetzes könne der Übergabsvertrag aus dem Jahre 1978 nur so ausgelegt werden, daß die Klägerin durch Pflegegeldsätze, die sie nach § 5 BPGG monatlich erhalte, entsprechend versorgt sei und die Ausgedingsansprüche zu einer Doppelversorgung führten. Anders als der Hilflosenzuschuß sei das Pflegegeld bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Demzufolge werde durch das staatliche Pflegegeld nicht wie beim Hilflosenzuschuß ein Sonderbedarf abgedeckt, sondern die tatsächliche Pflegeleistung, weshalb im gegenständlichen Fall sehr wohl eine Anrechnung auf die von der beklagten Partei zu leistenden Pflegekosten zu erfolgen habe.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß das Pflegegeld ausschließlich der pauschalierten Abgeltung des Sonderbedarfes pflegebedürftiger Personen dient, weshalb es insoweit bei der Unterhaltsbemessung zur Gänze außer Betracht zu bleiben hat, allerdings einen wegen des Sonderbedarfs erhöhten Unterhaltsanspruch gegen den Unterhaltspflichtigen ausschließt (SZ 66/167 = EvBl 1994/90; SZ 68/157). Diese Frage ist aber für die Beurteilung des gegenständlichen Rechtsstreites irrelevant.
Bei dem der Klägerin eingeräumten Ausgedinge handelt es sich um die auf einer Liegenschaft ruhende dingliche Verpflichtung zu Natural-, Geld- und Arbeitsleistungen zum Zwecke des Unterhaltes des früheren Eigentümers (vgl Klang in Klang II2, 624 f; SZ 55/23; MietSlg 46.033 uva). Daß die vom Übernehmer bzw dessen Rechtsnachfolger zu erbringenden Leistungen den Zweck haben, den Unterhalt des Übergebers zu sichern, ändert aber nichts daran, daß es sich dabei um Gegenleistungen für die Übertragung einer Liegenschaft handelt. Mangels gegenteiliger Verfahrensergebnisse ist anzunehmen, daß die Parteien beim Vertragsabschluß davon ausgingen, die Leistungen entsprächen einander, daß sie also von einer (subjektiven) Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung ausgingen. Wenngleich natürlich die von den Übernehmern und deren Rechtsnachfolgerin zu erbringenden Leistungen bei Vertragsabschluß noch nicht feststanden, ist anzunehmen, daß die Parteien doch an einen gewissen Umfang der zu erbringenden Leistungen gedacht und diesen den Leistungen der Übergeberin gegenübergestellt haben. Wenn nun Leistungen, die von einem Vertragspartner oder dessen Rechtsnachfolger zu erbringen sind, von einem Dritten erbracht werden, kann dies daher nicht dazu führen, daß der Übernehmer nicht mehr verpflichtet wäre, die vertraglich vereinbarte Gegenleistung zu erbringen. Es könnte schließlich die Beklagten auch nicht entlasten, wenn die Klägerin zufällig großes Vermögen erlangte und dadurch weder auf das Pflegegeld noch auf die Leistungen der Beklagten angewiesen wäre. Die Berücksichtigung von Leistungen Dritter zugunsten des Übernehmers würde die subjektive Äquivalenz stören und kann daher auch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu einer Reduktion der von den Übernehmern und deren Rechtsnachfolgerin zu erbringenden Leistungen führen.
Die Vorinstanzen haben somit zu Recht das Pflegegeld bei der Ermittlung der von der Beklagten zu erbringenden Leistungen außer Betracht gelassen, weshalb deren Revision keine Folge zu geben war.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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