OGH 2Ob426/60

OGH2Ob426/6020.12.1960

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch, Dr. Köhler, Dr. Pichler und Dr. Höltzl als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Kommerzialrat Otto K*****, Restaurateur, W*****, B*****, 2) Anna K*****, Haushalt, ebendort, beide vertreten durch Dr. Walter Rosna, Rechtsanwalt in Baden , wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, Wien I., Rosenbursenstraße 1, wegen Aufhebung einer Eigentumsgemeinschaft, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Juni 1960, GZ 8 R 62/60-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31. März 1960, GZ 40 Cg 283/59-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei je die Hälfte der mit 5.614,03 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens, somit je den Betrag von 2.802,01 S binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind zufolge Kaufvertrages vom 3. und 19. 6. 1959 zu je 1/6 Eigentümer des Hauses W*****, K*****. Die restlichen 2/3 Anteile standen früher im Eigentum eines gewissen Ing. Leo B***** und stehen jetzt im Eigentum der beklagten Partei. Die Kläger begehren die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung. Die beklagte Partei wendet ein, dass das Teilungsbegehren zur Unzeit erhoben worden sei, weil hinsichtlich der ihr gehörigen Liegenschaftsanteile ein Rückstellungsverfahren anhängig sei. Das Erstgericht gab der Klage statt. Auf allfällige Auswirkungen des Rückstellungsverfahrens könne nicht Bedacht genommen werden, weil es völlig ungewiss sei, wann dieses seit über 11 Jahren anhängige Verfahren beendet werden könne, und weil sich der Anspruch der Rückstellungswerber auch gegen einen allfälligen Ersteher richte. Eine Verschleuderung könne die beklagte Partei durch entsprechende Anträge hinsichtlich der Versteigerungsbedingungen hintanhalten. Die nur das Risiko der Kläger belastende Möglichkeit, dass sich vielleicht kein Bieter finden könnte, könne im Prozess nicht berücksichtigt werden.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinn der Klagsabweisung ab. Rückstellungsanträge hätten Erben, denen die Verwaltung des Nachlasses nach Ing. Leo B***** gemäß § 810 ABGB überlassen worden sei, sowie ein Verlassenschaftskurator und ein Abwesenheitskurator eingebracht. Mit Rücksicht auf die Bestimmungen des Auffangorganisationsgesetzes sei, weil nach der Aktenlage nur die Antragslegitimation, nicht aber der Entziehungstatbestand strittig sei, mit der Beendigung des Rückstellungsverfahrens in spätestens drei Jahren zu rechnen. Aber auch hinsichtlich der Frage der Antragslegitimation bestehe Aussicht auf Erledigung in absehbarer Zeit. Die Kläger müssten sich einen Aufschub gefallen lassen, weil sie ihr Teilungsbegehren zur Unzeit gestellt hätten. Wegen der bücherlichen Anmerkung der Einleitung des Rückstellungsverfahrens könne mit einem einigermaßen angemessenen Preis im Fall der Zwangsvollstreckung eines der Klage stattgebenden Urteils nicht gerechnet werden, sofern sich überhaupt ein Interessent fände. Bei der Schätzung der Liegenschaft müsse der SV die durch die bücherliche Anmerkung bedingte Minderung des Verkehrswertes der Liegenschaft berücksichtigen. Die Teilung müsste zu einem unwirtschaftlichen Ergebnis führen. Der Umstand, dass die Rückstellungswerber mit ihrem Rückstellungsanspruch auch gegen den Ersteher durchdringen würden, berühre die Frage der Unzeit nicht. Unzeit bedeute objektive, für alle Miteigentümer gleichwirkende Hindernisse. Mit dem Wegfall der angeführten Teilungshindernisse, sei in absehbarer Zeit zu rechnen. Dieses Urteil fechten die Kläger seinem gesamten Inhalt nach mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung an. Sie beantragen, das bekämpfte Urteil im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern oder es aufzuheben und die Sache an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen. Die beklagte Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Mangelhaft soll das Verfahren sein, weil das Berufungsgericht die Interessenlage nicht geprüft habe.

Selbst wenn man das Erfordernis einer Interessenabwägung auch in dem Fall, in dem nur Unzeit und nicht auch ein drohender Nachteil eingewendet wird, gelten lässt, so ist darauf zu erwidern, dass die Kläger in ihrer Revision überhaupt keine Umstände angeführt haben, die wären sie beachtet worden - einen Aufschub für die Kläger unzumutbar hätten erscheinen lassen. Aber auch wenn man diesbezüglich auf das Klagsvorbringen zurückgeht, ist für die Kläger nichts gewonnen. Diese haben die Teilung im Wesentlichen deshalb begehrt, weil sie mit der Person des vom der beklagten Partei schon vor dem Erwerb von Hausanteilen durch die Kläger bestellten Verwalters der gemeinsamen Liegenschaft nicht einverstanden sind und weil ihrer Ansicht nach die beklagte Partei nicht jede Möglichkeit ausnützt, um die Erträgnisse des Hauses zu erhöhen. Dass beide Einwände nicht stichhältig sind, hat schon das Erstgericht zutreffend festgestellt. Beachtliche Nachteile im Sinn des § 830 ABGB im Falle eines angemessenen Aufschubes liegen somit auf Seite der Kläger überhaupt nicht vor.

Als weiteren Verfahrensmangel rügen die Kläger, dass das Berufungsgericht in seiner Entscheidung einen vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien in der Verlassenschaftssache nach Ing. Leo B***** gefassten Beschluss verwertete, den es - offenbar erst nach Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung - beigeschafft hatte. Dass dieser Vorgang des Berufungsgerichtes gröblich gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens verstößt, bedarf wohl keiner weiteren Begründung. Gleichwohl begründet er keinen wesentlichen Verfahrensmangel, weil das Berufungsgericht diesen Beschluss lediglich zusätzlich für seine schon vorher ausreichend begründete Ansicht verwertete, es sei mit einer Beendigung des Rückstellungsverfahrens in absehbarer Zeit zu rechnen. Mit der Rechtsrüge wenden sich die Kläger gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass die der Teilung entgegenstehende Anhängigkeit des Rückstellungsverfahrens nur vorübergehend Natur sei; ein Zeitraum von mehr als drei Jahren seit Klagseinbringung könne als vorübergehend umso weniger angesehen werden, als das Rückstellungsverfahren schon seit 12 Jahren anhängig sei und mit der Möglichkeit einer gesetzlichen Verlängerung der Fristen des Auffangorganisationsgesetzes gerechnet werden müsse. Hiezu ist zunächst zu sagen, dass nicht der Zeitpunkt der Klagserhebung, sondern, wie allgemein, so auch hier, der des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz maßgeblich ist. Bei Beantwortung der Frage, ob ein Aufschub angemessen ist, kommt es aber entscheidend auf die Umstände des Einzelfalles an. Dabei kann der nach dem eigenen Vorbringen der Kläger sehr erhebliche Wert des gemeinschaftlichen Gutes ebensowenig außer Betracht bleiben wie der Umstand, dass die Kläger ihre Eigentumsanteile erst 5 Monate vor Klagserhebung und 16 Monate vor Schluss des Verfahrens in erster Instanz erworben haben und dass ihnen die Anhängigkeit eines Rückstellungsverfahrens hinsichtlich der übrigen Eigentumsanteile bekannt war. Auf die völlig im Ungewissen liegende Möglichkeit einer künftigen Gesetzesänderung kann jedenfalls nicht Bedacht genommen werden. Einen Aufschub von 2-3 Jahren hält auch der Oberste Gerichtshof im vorliegenden Fall für zumutbar.

Auch der Einwand, es handle sich bei der Tatsache der Anhängigkeit des Rückstellungsverfahrens nicht um ein objektives, alle Miteigentümer betreffendes Hindernis, trifft nicht zu. Denn es ist ausgeschlossen, diesen preisdrückenden Umstand im Fall einer Versteigerung auf die der beklagten Partei gehörigen 2/3 Anteile zu beschränken.

Die Revisionswerber wenden sich auch gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass bei der im Zuge einer Versteigerung der Liegenschaft stattfindenden Schätzung auch das bücherlich angemerkte Rückstellungsverfahren und die daraus folgende Minderung des Verkehrswertes berücksichtigt werden müsse, sodass die Feilbietung nicht zu einem dem Wert der Liegenschaft entsprechenden Anbot führen könnte. Nach Ansicht der Revisionswerber hätten die Bausacheverständigen nur den Sachwert zu schätzen, Rechtsmängel jedoch nicht zu berücksichtigen. Doch dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 352 EO sind im Fall der zwangsweisen Durchsetzung eines Anspruches auf gerichtliche Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft zum Zweck der Auseinandersetzung die Bestimmungen der §§ 272-280 AußStrG anzuwenden. Die Frage, ob auch die Realschätzordnung (RGBl Nr. 178/1897) bei Schätzung in außerstreitigen Verfahren zu beachten ist, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Der Oberste Gerichtshof folgt jedoch der bereits in der Entscheidung vom 24. 9. 1929, SZ IX 171, vertretenen Rechtsansicht, wonach im Verfahren Außerstreitsachen die Realschätzordnung zwar nicht als Ganzes anwendbar ist, aber die Vorschriften, die der Ermittlung des wahren Wertes dienen, auch in diesem Verfahren angewendet werden können. Aus § 21 RealSchO erhellt, dass bei der Schätzung nicht nur der reine Sachwert zu berücksichtigen, sondern auch auf den Wert beeinflussende Rechtsverhältnisse Bedacht zu nehmen ist. Dass die bücherlich angemerkte Einleitung des Rückstellungsverfahrens geeignet ist, den Schätzwert erheblich zu beeinträchtigen, bedarf keiner weiteren Begründung; eine solche Annahme ist vielmehr auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung gerechtfertigt. Es liegt auf der Hand, dass nach Löschung dieser Anmerkung eine Versteigerung unter ungleich günstigeren Bedingungen erfolgen wird als derzeit.

Der Oberste Gerichtshof vermag in der Ansicht des Berufungsgerichtes, dass das Teilungsbegehren der Kläger zur Unzeit gestellt wurde und dass sich die Kläger den im vorliegenden Fall in Betracht kommenden, als angemessen anzusehenden Aufschub gefallen lassen müssen, einen Rechtsirrtum nicht zu erkennen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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