Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Am 10.Mai 1987 gegen 0,35 Uhr kollidierte der Kläger mit seinem PKW auf der Walgau-Autobahn mit einem Schaf. Der PKW wurde dabei beschädigt, das Tier getötet.
Der Kläger begehrt als Schadenersatz einen Betrag von S 81.153,64 sA. Er brachte vor, der Beklagte sei Halter des Schafes gewesen und sei seiner Verpflichtung, das Tier ordnungsgemäß zu verwahren, nicht nachgekommen.
Der Beklagte bestritt, Halter des beim Unfall getöteten Schafes gewesen zu sein. Er habe seine Schafe ordnungsgemäß verwahrt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus den getroffenen Feststellungen ist folgendes hervorzuheben:
In der Nacht vom 9. auf den 10.Mai 1987 wurde die Gendarmerie wiederholt verständigt, daß sich auf der Walgau-Autobahn zwei Schafe aufhalten. Kurz nach Mitternacht sah ein Gendarm auf dem Parkplatz Schlins, daß zwei Schafe - ein Muttertier und ein Lamm - auf die Fahrbahn liefen, wo das Muttertier vom PKW des Klägers erfaßt und getötet wurde. Das getötete Tier wurde, ohne daß man nach Erkennungsmerkmalen (Tätowierungen, Ohrmarken und ähnliches) nachgesehen hätte, der Kadaververwertung übergeben. Am 11.Mai 1987 wurde gegen 12.00 Uhr ein Lamm im Bereich der Unfallstelle gesehen. Wer Halter dieses Lammes ist, konnte nicht festgestellt werden. Dem Beklagten sind im Monat vor dem Unfall zwei Schafe entlaufen, das kleinere war etwa 2 1/2 Monate alt und nicht zwei Drittel so groß wie das Mutterschaf. Die Schafe befanden sich im Zeitpunkt des Entweichens in einem von einem 1 m hohen Maschendrahtzaun umgebenen Gehege. In Schlins wurden zum Unfallszeitpunkt etwa 50 bis 70, im Bereich von Frastanz bis Nenzing etwa 300 bis 400 Schafe gehalten. Es kommt vor, daß Schafe entlaufen, von denen man später niemals hört, wo sie geblieben sind. Es ist auch durchaus möglich, daß Schafe im Bereich von Schlins, Frastanz oder Nenzing den Illfluß schwimmend überqueren.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dem Kläger sei der Beweis für die rechtsbegründenden Tatsachen, zu denen gehöre, daß das beim Unfall getötete Schaf dem Beklagten als Tierhalter zuzurechnen sei, nicht gelungen. Die Regeln über den Anscheinsbeweis kämen im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, da kein Tatbestand mit einem typisch formelhaften Geschehensablauf vorliege. Die Rechtsprechung kenne kein oder kein ähnlich gelagertes Verhalten oder Ereignis, wonach sich ein aus einem Gehege entwichenes Schaf naturgemäß auf eine Autobahn begebe. Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte aus, der Ansicht des Erstgerichtes, daß der Beweis, ob der Beklagte Halter des getöteten Schafes gewesen sei, nur dadurch zu erbringen gewesen wäre, wenn die Kadaverteile auf "objektive" Merkmale untersucht worden wären, weshalb den Beweisanträgen des Klägers, daß anderen Schafhaltern in Schlins Schafe nicht abhanden gekommen seien, sowie auf Aufnahme eines Sachbefundes zur Behauptung, daß es auszuschließen sei, das getötete Schaf könne aus der Gegend links der Ill stammen, weil Schafe einen Fluß nicht schwimmend überqueren könnten, nicht habe näher getreten werden müssen, könne nicht beigetreten werden. Sollte sich nämlich das Vorbringen des Klägers als richtig erweisen, so wäre unter Umständen eine Schlußfolgerung in tatsächlicher Hinsicht, daß Halter des getöteten Schafes der Beklagte war, durchaus möglich, stehe doch fest, daß dem Beklagten ein kurze Zeit vor dem Unfall gekauftes Muttertier und ein Lamm entlaufen waren und zumindest das Muttertier nicht mehr aufgetaucht sei. Die entscheidende Tatsache, ob das getötete Schaf dem Beklagten zuzuordnen sei, sei sohin vom Erstgericht nicht hinreichend erörtert worden, das Verfahren leide an Mängeln, weshalb das angefochtene Urteil aufzuheben gewesen sei. Dem Erstgericht könne aber auch nicht beigepflichtet werden, insoweit es vermeine, daß im vorliegenden Fall die Anwendung des Anscheinsbeweises nicht zulässig sei. Bei der Beweisführung über den natürlichen Ursachenzusammenhang sei zu beachten, daß die natürliche Kausalität regelmäßig nicht mit mathematischer Exaktheit nachgewiesen werden könne und an einen für die Haftungsbegründung erforderlichen Kausalitätsbeweis keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen, weshalb der Beweis eines sehr hohen Wahrscheinlichkeitsgrades genüge. In diesem Sinne reiche es für den sogenannten Anscheinsbeweis aus, daß der Beweisbelastete bestimmte Tatsachen beweise, aus denen sich nach der Lebenserfahrung mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf andere Tatsachen schließen lasse. Eines der wichtigsten Anwendungsgebiete des Anscheinsbeweises liege dort, wo formelhafte, typische Kausalabläufe bestünden, also beim Beweis des Kausalzusammenhanges. Im vorliegenden Fall seien typische Kausalabläufe gegeben, die den Eintritt des Schadens durch ein vom Beklagten gehaltenes Tier wahrscheinlich machten, wenn auch diese noch nicht ausreichend erörtert und festgestellt worden seien und daher auch eine Feststellung nicht getroffen werden könne, ob der Anscheinsbeweis erbracht worden sei.
Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Ersturteil zu bestätigen.
Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Zutreffend wendet sich der Rekurs allerdings gegen die Ausführungen des Berufungsgerichtes über den Anscheinsbeweis. Die Frage ob und nach welchen Grundsätzen der sogenannte Anscheinsbeweis zulässig ist, kann nach ständiger Rechtsprechung vom Obersten Gerichtshof überprüft werden (SZ 57/20; ZVR 1989/108 ua). Dieser Beweis beruht darauf, daß bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, daß auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist. Die Möglichkeit der Dartuung von Geschehensabläufen auf Grund von Erfahrungssätzen stellt eine Beweiserleichterung für denjenigen dar, der anspruchsbegründende Tatsachen zu beweisen hat. Der bloße Verdacht eines bestimmten Ablaufes, der auch andere Verursachungsmöglichkeiten offen läßt, gibt für den Beweis des ersten Anscheins keinen Raum. Vom Beweis des ersten Anscheins ist der Indizienbeweis streng zu trennen, der darauf gerichtet ist, durch den Beweis bestimmter Hilfstatsachen dem Gericht die volle Überzeugung des Vorhandenseins der direkt nicht oder nur schwer zu beweisenden Haupttatsache zu vermitteln (SZ 57/20; ZVR 1989/108; 2 Ob 119/88 je mwN ua).
Die Frage, ob das Schaf, durch das der PKW des Klägers beschädigt wurde, jenes war, welches dem Beklagten entlaufen war, kann nicht auf Grund eines Anscheinsbeweises im dargelegten Sinne beantwortet werden, weil es sich hier nicht um irgendeinen typischen Geschehensablauf handelt (vgl ZVR 1989/108). Ein klagsstattgebendes Urteil hätte daher zur Voraussetzung, daß festgestellt wird, der Beklagte sei der Halter des bei dem Unfall getöteten Schafes gewesen. Beweispflichtig hiefür ist der Geschädigte, also der Kläger. Soweit sich der Rekurs gegen die Aufträge wendet, die das Berufungsgericht dem Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens hinsichtlich der Frage, ob der Beklagte Halter des Schafes war, das den Schaden herbeiführte, kann ihm kein Erfolg beschieden sein. Der Oberste Gerichtshof kann nämlich den - auf einer richtigen rechtlichen Beurteilung beruhenden - Aufträgen zur Verfahrensergänzung nicht entgegentreten, er kann auch nicht dazu Stellung nehmen, ob die nach Ansicht des Berufungsgerichtes zu klärenden Umstände zur Erbringung eines Indizienbeweises ausreichen, denn diese Frage gehört ausschließlich dem Tatsachenbereich an. Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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