OGH 2Ob41/14i

OGH2Ob41/14i25.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers Dr. D***** R*****, vertreten durch die Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte U***** AG, *****, vertreten durch die DLA Piper Weis-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 129.999,29 EUR sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. Dezember 2013, GZ 4 R 90/13d‑16, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 5. Dezember 2012, GZ 41 Cg 60/11y‑12, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 2.214,54 EUR (darin enthalten 369,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Schriftsatz des Klägers vom 26. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erwarb über Beratung der f***** GmbH im Februar 2007 und im Oktober 2007 Anteile am Herald USA Segregated Portfolio One-Fonds um 129.999,29 EUR. Dabei handelt es sich um einen ausländischen Kapitalanlagefonds, dessen Anteile in Form von Aktien ausgegeben wurden. Emittentin war die nach dem Recht der Cayman Islands im Jahr 2004 gegründete und dort situierte Fondsgesellschaft Herald Fund SPC. Die beklagte Bank fungierte im Zusammenhang mit der Zulassung des Herald Fonds gegenüber der Finanzmarktaufsicht als Repräsentantin und Prospektkontrollorin sowie als Zahlstelle des Fonds im Sinne der §§ 25 ff InvFG 1993. Insgesamt veranlagte der Kläger über f***** 600.000 bis 700.000 EUR. Bei einem Beratungsgespräch wurde dem Kläger das Produkt Herald USA präsentiert. Die Beratungsunterlagen bestanden aus einem Fact Sheet, den Kennzahlen des Fonds und einer Präsentationsunterlage betreffend den Herald USA. Das Fact Sheet war von einer Software der f***** erstellt worden. Den Emissionsprospekt des Herald USA hatte weder der Kläger, noch sein unmittelbarer Berater von f***** gelesen. Dieser verließ sich bei seinen Angaben zum Fonds auf die Informationen eines Mitarbeiters, der für die Produktprüfung zuständig war. Der Kläger hätte die Fonds-Anteile auch bei Kenntnis des Prospekts gekauft, weil er sich ausschließlich auf die Beratung durch den f*****-Betreuer verlassen hat. Im Jahr 2008 stellte sich heraus, dass unter anderem der Herald Fonds lediglich dazu gedient hatte, ein von Bernard L. Madoff aufgebautes betrügerisches „Schneeballsystem“ am Leben zu erhalten, indem neue Gelder für Renditezahlungen an frühere Anleger und zur persönlichen Bereicherung Madoffs verwendet wurden. Dieser wurde deshalb in den USA zu einer Haftstrafe in der Dauer von 150 Jahren verurteilt.

Der Kläger begehrte die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von 129.999,29 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe der von ihm gehaltenen Fondsanteile, in eventu die Feststellung ihrer Haftung für jenen Schaden, der ihm aus dem Erwerb der Fondsanteile entstehe, abzüglich aller Verkaufserlöse und allfälliger Zahlungen, die er aus dem Liquidationsverfahren des Herald Fonds erhalten werde. Der Verkauf des Fonds sei auf Basis des unrichtigen Kapitalmarktprospekts erfolgt, wofür die Beklagte als österreichische Repräsentantin und Prospektkontrollorin aufgrund mangelhafter Prospektprüfung einzustehen habe. Im Emissionsprospekt sei nicht offen gelegt worden, dass sämtliche Anlegergelder ausschließlich an Madoff bzw dessen Gesellschaft geflossen seien, welche mit Wissen der Beklagten als einziger Treuhänder, Manager, Depotstelle und Wertpapierhändler des Fonds fungiert und damit alle maßgeblichen Funktionen auf sich vereinigt habe.

Die Beklagte wendete ein, der Emissionsprospekt habe den gesetzlichen Anforderungen entsprochen und sie sei ihren Verpflichtungen als Prospektkontrollorin nachgekommen.

Das Erstgericht wies das Haupt- und Eventualbegehren ab. Der Kläger habe seine Anlageentscheidung allein auf Grundlage der Beratungsgespräche mit seinem Betreuer von der f***** getroffen. Der Inhalt des Emissionsprospekts sei auch deshalb nicht für seine Kaufentscheidung kausal gewesen, weil nicht habe festgestellt werden können, ob ihm dessen Inhalt im Rahmen der Beratung durch seine Anlageberaterin bekannt geworden sei. Der Kläger könne daher aus der angeblichen Unrichtigkeit bzw Unvollständigkeit des Emissionsprospekts keine Ansprüche ableiten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Herald-Fonds bislang fehle. Auf die Frage der Kausalität des Prospektinhalts für die Anlageentscheidung des Klägers ging das Berufungsgericht nicht ein, sondern es begründete die Klageabweisung damit, dass der gegenständliche Prospekt richtige und vollständige Angaben zur fehlenden organisatorischen Trennung zwischen Verwahrung und Verwaltung des Vermögens enthalte.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, der Klage stattzugeben. Der Kläger wiederholt die bereits in der Berufung geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel des Ersturteils, im Wesentlichen darüber, dass der Prospekt keinen Hinweis auf das Zusammenfallen von Depotbank und Fondsmanagement enthalten habe, dass die Beklagte bereits seit 2001 Bedenken gegen die Doppelrolle gehabt habe und dass der Kläger die Fondsanteile im Fall des Ausweises der mangelnden Trennung zwischen Depotbank und Management im Prospekt nicht gekauft hätte. Im Übrigen sei der Trennungsgrundsatz auch auf den gegenständlichen ausländischen Fonds anzuwenden. Der Beklagten hätte bei der Prospektprüfung die Irreführungseignung der Hinweise in die Augen fallen müssen, sodass ihr grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Im Übrigen sei dem Prospekt die unrichtige Information zu entnehmen gewesen, dass das Betrugsrisiko nicht auf die Anleger abgewälzt werde.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1.1. Zur Haftung des Repräsentanten iSv § 25 Z 1 InvFG hat der Oberste Gerichtshof bereits grundsätzlich festgehalten (10 Ob 69/11m), dass das InvFG für ausländische Kapitalanlagefonds eine eigenständige Prospektpflicht und Prospektkontrolle kennt. Eine der wichtigsten Pflichten des Repräsentanten liegt dabei in der Kontrolle des Emissionsprospekts. § 26 Abs 2 InvFG normiert, dass (im Gegensatz zu inländischen Kapitalanlagefonds) der Prospekt des ausländischen Kapitalanlagefonds der Kontrolle durch einen unabhängigen Prospektkontrollor unterliegt. Der Prospekt ist vom Repräsentanten als Prospektkontrollor auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit zu kontrollieren, wobei hinsichtlich der Erstellung, Änderung, Kontrolle und Verantwortung für den Inhalt des Prospekts auch für den Prospektkontrollor die Vorschriften des Kapitalmarktgesetzes sinngemäß gelten (vgl §§ 6, 8 und insbesondere § 11 KMG). Der Prospektkontrollor hat gemäß § 8 KMG demnach die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts mit Angabe von Ort und Tag unter Beifügung „als Prospektkontrollor“ zu unterfertigen (Prüfvermerk). Die Unterfertigung begründet die unwiderlegbare Vermutung, der Unterfertigende habe den Prospekt kontrolliert. Seine Haftung ist allerdings auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.

1.2. Weiters hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass der Prospektkontrollor grundsätzlich nicht für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts haftet, sondern lediglich für erfolgte unrichtige oder unvollständige Kontrollen, sofern sie auf eigenem groben Verschulden beziehungsweise grobem Verschulden seiner Leute oder sonstiger Personen beruhen, die zur Prospektkontrolle herangezogen wurden (10 Ob 69/11m; 5 Ob 233/11t; 6 Ob 190/12b).

1.3. In der Entscheidung 5 Ob 233/11t wurde ausgeführt, die Behauptung der „Unrichtigkeit des Prospekts mit der Begründung, es hätten dort Informationen dahin gefehlt, dass es infolge des Bestehens eines managed account an einer (ausreichenden) Trennung zwischen Depotbank und Fondsmanagement gefehlt habe, [setze] sich ‑ unzulässig ‑ über die insoweit einschlägigen und wesentlichen Passagen des Prospekts hinweg, in welchem gerade unter dem Titel ‚Risikofaktoren und besondere Überlegungen‘ auf die Möglichkeit der Investition über ein managed account und die dann im Verlustfall greifende Haftung der Aktionäre ausdrücklich hingewiesen wird“ (vgl auch 6 Ob 190/12b).

1.4. Auch der hier gegenständliche Prospekt enthielt den Hinweis, „Der Fonds hat keine im Vorhinein festgesetzte Minimal- oder Maximalanzahl an Managern, welche vom Fonds eingesetzt werden. Der Investment Manager kann das gesamte bzw den Hauptanteil des Fondsvermögen an einen Manager vergeben.“ … „Der Fonds kann derzeit in den zu Grunde liegenden Fonds eines Managers oder einer begrenzten Anzahl von Managern investieren. Eine ungünstige Performanceentwicklung eines Umbrella-Fonds oder Managers kann einen erheblichen nachteiligen Effekt auf die Performance des Fonds nach sich ziehen.“ Der Prospekt enthält weiters den Hinweis, dass die als Administrator und Depotbank fungierende Gesellschaft mitunter einen Hauptvermittler von Wertpapiertransaktionen (Prime Broker) ernennen kann. Unter „Verwaltete Konten (Managed Accounts)“ ist vorgesehen, dass der Fonds Managern, welche diskretionäre Vermögensverwaltungskonten führen, das Vermögen des Fonds zuteilen kann, dass in diesem Fall der Administrator und die Depotbank Kontoauszüge sowie Transaktionsbestätigungen nur für Wertpapiertransaktionen erhalten und dass jeder Verlust, der sich aus einem Investment in ein derartiges Konto ergibt, von den Anlegern getragen wird, wenn er nicht durch Betrug, grobe Fahrlässigkeit oder vorsätzliche Pflichtversäumnis durch den Investment Manager oder die Anlageberater entstanden ist.

1.5. Aus diesen Prospektangaben schloss das Berufungsgericht zutreffend, dass die Anleger auch beim Herald-Fonds mit der Verwaltung des Fondsvermögens in Form von managed accounts und der Übertragung der Verwaltung an einen einzigen Manager rechnen mussten. Es ist auch zutreffend, dass insoweit kein gravierender Unterschied zwischen dem ‑ von der Rechtsprechung bereits behandelten, ebenfalls im Rahmen des betrügerischen „Schneeballsystems“ des Bernard L. Madoff beworbenen (vgl insbesondere 6 Ob 190/12b) ‑ Primeo-Fonds und dem hier gegenständlichen Herald-Fonds besteht: Dort wurde auf die derzeitige Verbindung zwischen Fondsmanagement und Depotbank hingewiesen, während hier nur die Möglichkeit dazu aufgezeigt wurde. Aber auch wenn nur die Möglichkeit der Verbindung besteht, muss der Käufer jederzeit mit der Umsetzung derselben rechnen und lässt sich mit dem Kauf darauf ein. Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Hinweis auf die Möglichkeit ungetrennter Verwahrung und Verwaltung eine so massive Irreführungseignung zukommen soll, dass darin ‑ anders als beim Primeo‑Fonds ‑ eine grob fahrlässige Verletzung der Prüfpflicht durch die Beklagte liegen soll.

1.6. Da dem Emissionsprospekt somit die Möglichkeit der Verwaltung und Verwahrung durch einen einzigen Broker oder Manager noch ausreichend deutlich zu entnehmen war, bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob das (durch die Investmentfondsgesetznovelle 2011 auf ausländische Fonds ausgeweitete) „Trennungsprinzip“ (Trennung zwischen Verwahrung und Verwaltung des Fondsvermögens) für ausländische Kapitalanlagefonds schon davor gegolten hat (vgl 7 Ob 235/12b mwN).

2. Abgesehen davon ist zu der vom Erstgericht behandelten Kausalitätsfrage Folgendes zu erwägen:

2.1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Geschädigte nicht nur den Eintritt des behaupteten Schadens und dessen Höhe, sondern auch den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Schadenseintritt zu behaupten und zu beweisen hat (RIS-Justiz RS0022862). Auch die Beweislast, dass bei pflichtgemäßem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten (RIS-Justiz RS0022900 [T5 und T11]). Auch in der Frage des Kausalitätsbeweises bei einer Haftung wegen Aufklärungs- oder Beratungsfehlern bei einer Vermögensanlage folgt der Oberste Gerichtshof dem allgemeinen haftungsrechtlichen Grundsatz, wonach der geschädigte Kläger die Voraussetzungen für seinen Ersatzanspruch nachzuweisen hat. Er hat daher auch die Beweislast für die Verletzung von Aufklärungs- oder Beratungspflichten zu tragen. Eine teilweise in der Lehre befürwortete Beweislastumkehr oder eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises wird von der ständigen Rechtsprechung in diesem Zusammenhang abgelehnt (3 Ob 225/11a ua).

2.2. Die Ursächlichkeit einer mangelhaften Prospektprüfung für den Schaden des Anlegers ist gegeben, wenn sich der Anleger im Vertrauen auf den ihm bekannten Prospekt zum Kauf entschlossen hat, wenn er also die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospektangaben tatsächlich zur Grundlage seiner schadensauslösenden Disposition gemacht hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für diesen Ursachenzusammenhang ist der des Vertragsabschlusses in Ansehung der konkreten Anlageentscheidung (RIS-Justiz RS0108626).

2.3. Im vorliegenden Fall haben die Tatsacheninstanzen festgestellt, dass weder der Kläger noch sein Wertpapierberater den Verkaufsprospekt gelesen haben und dass nicht festgestellt werden kann, ob dem Kläger dessen Inhalt durch seine Berater oder sonst zur Kenntnis gebracht wurde. Jedenfalls hätte er aber die Fonds-Anteile auch bei Kenntnis des Prospekts gekauft, weil er sich ausschließlich auf die Beratung durch seinen Anlagebetreuer verlassen hat.

Der Kläger hat somit nicht bewiesen, dass eine allenfalls mangelhafte Prospektprüfung durch die Beklagte seinen Schaden verursachte.

2.4. In der Lehre wird zum Kausalitätsbeweis des geschädigten Anlegers auch vertreten, dass bei Existenz einer Anlagestimmung davon ausgegangen werden könne, dass die korrekte negative Information schnell die erforderliche Publizität erreicht hätte, was die Vermutung rechtfertige, dass dem Anleger das betreffende Papier nicht empfohlen worden wäre und er daher von dessen Erwerb Abstand genommen hätte (vgl Graf, Die Prospekthaftung und der Kausalitätsbeweis des geschädigten Anlegers, GES 2011, 203 [211]).

Derartige Überlegungen können aber dahingestellt bleiben, weil es an konkretem Klagsvorbringen hierzu fehlt (vgl auch 10 Ob 69/11m).

3. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der behaupteten unrichtigen oder unvollständigen Kontrolle des Prospekts in Anspruch. Haftungsbegründend wäre nur grobes Verschulden bei der Prospektprüfung. Ein solches wird aber in der Revision nicht nachvollziehbar zur Darstellung gebracht.

4. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht die Prospekthaftung der Beklagten verneint. Der Revision des Klägers ist somit nicht Folge zu geben.

5. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO.

6. Wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels war der weitere Schriftsatz des Klägers vom 26. 5. 2014 (Urkundenvorlage) zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0041666).

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